Es geht um Schnelligkeit in „Starlight Express“ und schnell sollten wir auch in unserer Einleitung zur Sache kommen.
Es geht um Schnelligkeit in „Starlight Express“ und schnell sollten wir auch in unserer Einleitung zur Sache kommen.
Mit der Regierungsübernahme im August 2021 versprachen die Taliban eine moderate Regierung, die Frauenrechte schütze. Doch die momentane Situation ähnelt eher einem Déjà-vu.
Mit dem Abzug der NATO-Truppen im August 2021 nahmen die Taliban, binnen von wenigen Tagen, fast alle Teile Afghanistans gewaltsam ein und führten eine neue Regierung ein. Diese neue Regierung, auch „Islamisches Emirat“ genannt, versprach Frauen einen sicheren Zugang zu Bildung und Arbeit. „Die erste Regierungszeit der Taliban wird sich nicht wiederholen“, erklärte Amir Khan Muttaq, der Minister für auswärtige Angelegenheiten. Die neue Regierung der Taliban ist laut ihm ein „Reformprogramm, von dem das ganze Land profitieren“ soll.
Doch die momentane Situation im Land erinnert nicht an ein fortschrittliches Afghanistan, sondern mehr an die erste Regierungszeit der Taliban. Am 27. September 1996 haben die Taliban zum ersten Mal die afghanische Hauptstadt Kabul erobert. Das Land befand sich von 1996 bis zum Sturz der Taliban 2001 in einem Terrorzustand. Seit der Übernahme der Taliban 2021 befindet sich das Land erneut in einer massiven humanitären Krise. Die Taliban sind bekannt für ihre Grausamkeit durch öffentliche Hinrichtungen, Handamputationen und besonders für die Unterdrückung von Frauen.
Am 7. Mai 2022 machten die Taliban neue Vorschriften für afghanische Frauen geltend. Der Uno-Sicherheitsrat erklärte die Vorschriften der Taliban als „Beschränkungen, die den Zugang zur Bildung, Beschäftigung, die Bewegungsfreiheit und eine vollständige, gleichberechtigte und bedeutungsvolle Beteiligung von Frauen im öffentlichen Leben begrenzen“ und fordert eine sofortige Aufhebung. Die neuen Vorschriften der Taliban umfassen unter anderem ein Verschleierungsgebot für Frauen in der Öffentlichkeit. Nach eigenen Angaben der Taliban ist die Burka die einzige „traditionelle und respektvolle“ Kleidungsart für Frauen, mit der sie keine Männer provozieren können.
Von dieser Vorschrift sind auch Moderatorinnen, Journalistinnen und Frauen im öffentlichen Dienst betroffen. Die Taliban forderten alle Fernsehsender im Land dazu auf, keine unverschleierte Frau (nur die Augen dürfen zu sehen sein) im Fernsehen zu zeigen. Kläglich versuchten sich die Journalistinnen und Moderatorinnen des Fernsehsenders TOLOnews den neuen Vorschriften zu widersetzen und trugen wie gewohnt weiterhin keine Gesichtsbedeckung in ihren Sendungen. Doch der Widerstand hielt lediglich einen Tag lang an. Der Druck der Taliban ist zu groß. Die angedrohte Strafe für die Nichtbefolgung der neuen Vorschriften ist eine Entlassung der betroffenen Frauen, sowie Strafe für ihre männlichen Vormünder, wie zum Beispiel Väter, Brüder oder Ehemänner. Als Reaktion gegen die Verordnung der Taliban haben nun männliche TV-Moderatoren großer Nachrichtensender begonnen, Gesichtsmasken zu tragen. Ein öffentlicher Akt der Solidarität mit ihren weiblichen Kolleginnen der auch als #FreeHerFace bekannt ist.
Viele afghanische Aktivistinnen bezeichneten diesen Akt der Solidarität als „mehr als nur eine Geste“ und als „den Akt, der eine tatsächliche Wendung in der Geschichte“ ist. Doch die Vollverschleierung ist nicht die einzige frauenfeindliche und unterdrückende Vorschrift der Taliban. Über acht Monate lang wurden jungen Mädchen und Frauen der Zugang zur Schule und Universität verwehrt – ein Ende scheint nicht in Sicht zu sein. Viele Lehrer*innen unterrichten heimlich in ihren Häusern. Organisationen wie PenPath versuchen Schulen und Bibliotheken wieder zugänglich zu machen. Aktivist*innen fordern ausländische Regierungen zum Handeln auf.
:Miena Momandi
Nachdem Schulen nach der Schließung wegen der Corona-Pandemie wieder öffneten, wurde einer bestimmten Personengruppe der Zugang verwehrt, der Grund hierfür scheint bedenklich.
Als die Taliban im August letzten Jahres nach Abzug der NATO-Truppen die Macht in Afghanistan übernahmen, war unklar, wie sich Lage der Menschenrechte entwickeln würde. Schon in der Vergangenheit litten viele afghanische Frauen und Mädchen unter dem strikten Scharia-Gesetz, die Legitimierung von Polygamie und den Zugang zu Bildungsstätten reguliert. Wegen Letzterem geriet die in Afghanistan vorherrschende Taliban nun in Kritik. Nachdem weiterführende Schulen wegen der Corona-Pandemie landesweit geschlossen waren, öffneten diese zunächst für nur für Jungen. Für Mädchen ist der Schulbesuch nur bis zur sechsten Klasse gestattet. Dazu äußerten sich 16 Außenministerinnen über das Auswärtige Amt in Berlin kritisch. Besonders beunruhigend sei, dass zuvor Versprechen in einem internationalen Abkommen gemacht worden sind, die die Öffnung von Schulen für Mädchen vorsahen. Man fordert die Taliban nun auf, sich an das vereinbarte Abkommen zu halten. Die politische Führung in Kabul gab zwar zunächst bekannt, Schulen für Mädchen wieder zu öffnen, zog diese Entscheidung aber wieder zurück. Die Regierung in Kabul begründet diese Entscheidung damit, dass man zunächst Schuluniformen, die den Werten der Scharia und afghanischen Kultur entsprechen, entwerfen möchten. Ob man dieser Aussage Vertrauen schenken kann, und sich weiterführende Schulen demnächst auch wieder für Mädchen öffnen, wird sich zeigen. Es ist bedauernswert, wenn die Errungenschaften der letzten Jahre in Sachen Gleichberechtigung in Afghanistan zu Nichte gemacht werden, und Frauen und Mädchen erneut systematisch benachteiligt werden. Damit hindert man die Aussichten auf wirtschaftliches Wachstum und die Beziehungen zu internationalen Gemeinschaften, Dinge, die die Taliban und Afghanistan dringend benötigen.
:Artur Airich
Kommentar. Die Taliban sind keine „Freiheitskämpfer“ – trotzdem ist die Vertreibung der Besatzer:innen richtig.
Ziviler Ungehorsam. Abschiebungen verhindern durch Protest im Flugzeug: Die Aktion einer schwedischen Studentin ging durch alle Medien. Doch wie hoch sind die Chancen, den Betroffenen dadurch zu helfen? Die :bsz sprach mit Birgit Naujoks vom Flüchtlingsrat NRW.
Vortrag. Am 24. Juni lud Treffpunkt Asyl Bochum zu einem Vortrag mit anschließender Diskussion zum Thema: „Abschiebung nach Afghanistan bedeutet Tod“. Die afghanischen Referenten erklärten die Ursachen und Folgen einer Abschiebung aus Sicht von Betroffenen.
Die Veranstaltung eröffnete Ulla, Aktivistin bei Treffpunkt Asyl, mit Betonung der aktuellen Wichtigkeit des Themas: „Abschiebung nach Afghanistan bedeutet Tod“: „Nächste Woche ist eine nächste Abschiebung nach Afghanistan geplant. Daher ist es wichtig, dass ihr alle gekommen seid, damit wir darüber sprechen und uns gegenseitig informieren, was zu tun ist.“
Ein entscheidender Punkt bei der Abschiebung von AfghanInnen, ist die Darstellung des Innenministers Thomas de Maizière, Afghanistan sei in einigen Gebieten sicher: „Die Sicherheitslage ist kompliziert, aber es gibt sichere Orte“, äußerte de Maizière am 22. Februar in den Tagesthemen der ARD.
Hannes von Amnesty International Bochum widerlegt diese Auffassung mit der Bombenexplosion vom 31. Mai in Kabul. „Trotzdem beharrt die Bundesregierung darauf, dass Teile von Afghanistan sicher sind, bis dahin zählte auch Kabul dazu“, so die Erklärung. „Angesichts dieses Anschlags, den vorherigen Anschlägen und den ungefähr 9.000 Toten im Jahr 2016 ist für uns, Amnesty International, offensichtlich, dass Afghanistan nicht sicher ist und dass Abschiebungen nach Afghanistan völlig unverantwortlich sind.“
Muhammad aus Bochum und Nabi aus Düsseldorf – beide Geflüchtete aus Afghanistan – hielten nacheinander Vorträge. Sie stellten beide die Fragen und Ängste von betroffenen Abgeschobenen dar und teilten auch ihre eigenen Ängste mit. So berichtete Muhammad, der mittlerweile ein halbes Jahr in Deutschland lebt und den Vortrag auf Deutsch hielt, dass er dem Tod durch eine Explosion mindestens dreimal knapp entkommen konnte. Den Anschlägen entging er nur dadurch, dass er glücklicherweise 10 bis 20 Minuten vor der Detonation nicht mehr vor Ort war. Er betonte mit seinen eigenen Erlebnissen die Unsicherheit des Landes: „Menschen aus einem sicheren Land verlassen nicht auf diesem Umweg ihr Land“, dabei zeigte Muhammad ein Bild von Geflüchteten, die über das Meer kamen. Der Vortrag in Bochum Langendreer wurde von der Gruppe Treffpunkt Asyl Bochum initiiert. Unter den rund 40 BesucherInnen im Bahnhof Langendreer saßen auch einige AfghanInnen im Plenum. Der Vortrag, sowie die anschließenden Fragen und Bemerkungen wurden daher ins Dari übersetzt.
Treffpunkt Asyl startete im März diesen Jahres einen Appell an den Bochumer Stadtrat. Um Abschiebungen auf Landesebene entgegen zu wirken, wird ein Ratsbeschluss gefordert, der die Abschiebung auf lokaler Ebene untersagt. Dies wurde von „über 40 Organisationen aus Bochum unterschrieben“, so Carla, Aktivistin bei Treffpunkt Asyl. Danach wurde der Antrag durch Die Linke in den Stadtrat getragen. Die Bochumer SPD allerdings lehnte den Antrag ab. „Die SPD hat gedroht, den Antrag beschlussunfähig zu machen und haben gesagt, wir als SPD unterstützen keinen Antrag, weil er nicht in Ordnung wäre – aber wir unterstützen eine Resolution‘“. Dies fand nicht statt. Die SPD der Städte Dortmund, Mülheim und Düsseldorf unterstützen allerdings den Antrag der Linken und Grünen.
:Sarah Tsah
Treffpunkt Asyl Bochum trifft sich jeden dritten Donnerstag um 19 Uhr im Haus der Begegnung. Weitere Infos unter: www.treffpunktasyl.org
Politik. Am 24. April schob die rot-grüne Landesregierung erneut Menschen nach Afghanistan ab. Bei den Grünen regt sich Widerstand.
:bsz international. Flüchtlingsrat NRW e.V. started an online petition objecting deportations from North Rhine-Westphalia (NRW) to Afghanistan. Along with the daily increase of signatures even prominent support has been attracted.
Geflüchtete: Am 24. Januar fand die zweite Sammelabschiebung nach Afghanistan statt. Nur so sei laut Bund eine funktionale Asylpolitik zu betreiben. Von vielen Seiten hagelt es Kritik an diesem Vorgehen.
Nordrhein-Westfalens Geflüchtetenpolitik gibt zu bedenken. Während sich Innenminister Jäger positiv zu den Abschiebeverfahren und den freiwillig Ausreisenden äußert, kritisieren andere vorschnelles Handeln. Denn: Laut UN Refugee Agency (UNHCR) gilt Afghanistan nicht annähernd als „sicheres Herkunftsland“. Was Treffpunkt Asyl oder die Medizinische Flüchtlingshilfe Bochum zum Thema sagen, erfahrt Ihr hier – passenderweise als :bsz international auf Englisch. Außerdem kommentiert unser Redakteur Marcus die Abschiebungen und erzählt, was er von der Geflüchtetenpolitik der Regierung hält.
:Die Redaktion
Am 20. April bekam Bochum ranghohen Besuch aus der politischen Führungsriege: Der ehemalige deutsche Staatspräsident Christian Wulff und das im letzten Jahr abgewählte Staatsoberhaupt von Afghanistan, Hamid Karzai, sprachen vor einem dicht gefüllten Saal in der Alten Lohnhalle in Wattenscheid. Zur Diskussion hatte die Initiative Herausforderung Zukunft geladen, die mehrmals im Jahr prominente Redner nach Bochum einlädt, um mit ihnen über gesellschaftlich relevante Themen zu diskutieren.