Bild: Ein Kriminalbeamter räumt mit Vorurteilen auf: BDK-Vorsitzender André Schulz erklärt, dass Geflüchtete nicht mehr Straftaten begehen als an­dere Menschen. , Ringvorlesung zur Flüchtlingssituation: Zwei Kriminologen treten Vorurteilen entgegen Foto: bk

Begehen Geflüchtete, die aus Krisenländern wie Syrien nach Deutschland kommen, wirklich mehr Straftaten  als andere Menschen? Das Bild des gewalttätigen Asylbewerbers, das nicht zuletzt seit der Silvesternacht durch die Medien geistert, ist nur ein Klischee, sagt Professor Thomas Feltes, der den Lehrstuhl für Kriminologie an der RUB innehat. In der Fortsetzung der Ringvorlesung zur Flüchtlingssituation im Blue Square räumt der Wissenschaftler mit weiteren Vorurteilen gegen Asylsuchende auf. 

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Bild: Festgesessen: Politisch inkorrekte Dialoge dienen bei „Festung Europa“ der Provokation. , „Festung Europa“: Tom Lanoyes Stück gibt Rätsel auf Foto: kac

Die Leiterin der Studiobühne des Musischen Zentrums, Karin Freymeyer, möchte mit einem Stück des belgischen Autors Tom Lanoye ein politisches Statement setzen. Die Studiobühne will sich damit den europäischen Krisen zuwenden. In „Festung Europa“ wird der Frage nachgegangen, wie der vielbeschworene Zusammenhalt der Menschen gesteuert werden soll, wenn Angst vor Entindividualisierung und Vorurteile noch immer den Kontinent beherrschen.

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Bild: Flüchtlingsdebatte aus wissenschaftlicher Perspektive: Professor Thomas Bauer und Dekan Helmut Karl vertraten die Fakultät für Wirtschaftswissenschaften bei der Ringvorlesung im Blue Square. , Wirtschaftsforscher Thomas Bauer sieht den aktuellen Migrationsstrom als Chance Foto: bk

„Wir schaffen das!“ – diese Antwort der Bundeskanzlerin auf die Frage, ob eine schnelle Integration von Geflüchteten möglich ist, wird heiß diskutiert. In einer Vortragsreihe liefern RUB-ProfessorInnen aus drei Fakultäten ihre eigene Sicht der Flüchtlingsdebatte. Am vergangenen Mittwoch gab Professor Thomas Bauer im Blue Square einen Einblick aus wirtschaftswissenschaftlicher Perspektive.

Wer aus Krisenländern wie Syrien nach Europa flieht, will vor allem eins: ein menschenwürdiges Leben in Sicherheit. Das schließe einen Arbeitsplatz mit ein, so Bauer, der sich als Vorsitzender des Lehrstuhls für Empirische Wirtschaftsforschung mit der Frage beschäftigt, wie man Geflüchtete in den Arbeitsmarkt integrieren kann.

Er sieht hier vor allem ein Problem im „Zertifizierungswahn“ des deutschen Arbeitsmarktes: „Das ist so ein typisch deutsches Problem, dass man über alle Qualifikationen eine Bescheinigung braucht. Aber jemand, der vor Krieg flüchtet, nimmt natürlich nicht zwangsläufig seine Arbeitszeugnisse mit.“ Somit bleibe vielen Geflüchteten nach ihrer Ankunft keine Möglichkeit, ihre Fähigkeiten unter Beweis zu stellen. „Statt nur auf Zeugnisse zu vertrauen, sollten Arbeitgeber deshalb die Flüchtlinge einfach mal zeigen lassen, was sie können“, plädiert Bauer.

Gibt es genug Arbeit für alle?

Die Realität sieht jedoch anders aus – selbst gut ausgebildete Geflüchtete landen oft in Jobs, für die sie überqualifiziert sind. „Werden die Arbeitsplätze nicht in Zukunft noch knapper, wenn durch die zunehmende Digitalisierung Stellen wegfallen?“, fragt jemand  aus dem Publikum. Bauer verneint dies und verweist darauf, dass ähnliche Befürchtungen auch bei der Einführung des Internets und der Marktreife des PCs im Raum standen: „Da dachte man auch, die Hälfte aller Arbeitsplätze würde wegfallen“, erklärt er.

Migration mit positiven Effekten

Doch selbst ohne derartige Zukunftsszenarien seien am Stammtisch geschürte Ängste vor MigrantInnen, die angeblich den Einheimischen  Arbeitsplätze wegnähmen, völlig unbegründet, so Bauer. „Tatsächlich hatten Migrationsströme in der Geschichte fast nie messbare Auswirkungen auf eine Volkswirtschaft – wenn überhaupt, waren diese eher positiv“, erklärt Bauer. „Deshalb kann man auch gar keine Prognosen darüber aufstellen, wie sich unsere Wirtschaft durch den aktuellen Zustrom verändern wird.“ Kein Grund zum Pessimismus also, so lautet das Fazit des Professors: „Deutschland hat schon viel größere Migrationsströme erfolgreich bewältigt. Das Zitat von Angela Merkel würde ich daher so unterschreiben. Wir können das schaffen.“

:Birthe Kolb

INFOBOX

Unter dem Titel „Schaffen wir das? Zur Integration von Flüchtlingen“ läuft seit Dezember 2015 eine Ringvorlesung im Blue Square, die von den Fakultäten für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften sowie der Juristischen Fakultät gemeinsam organisiert wird. Die nächste Veranstaltung mit dem Titel „Gewaltgeschichten und Verletzungsverhältnisse“ findet am 27. Januar um 18 Uhr statt und untersucht verschiedene Formen der Gewalt gegen Geflüchtete. 

Bild: Kleines Ratespiel: Gegen welches dieser Schafe würde sich die Schafsherde wohl im Krisenfall wenden?, Kommentar: Sexuelle Übergriffe in der Silvesternacht: Die Suche nach den Tatverdächtigen Foto: Jesus Solana, CC By 2.0 Wikimedia Commons

Die Berichte zu den Geschehnissen in Köln zum Jahreswechsel sprechen von TäterInnen und Opfern: Böse Flüchtlinge und arme, hilflose Frauen. Oder haben es die Frauen darauf angelegt, vergewaltigt zu werden? Was sollen die armen Geflüchteten schon denken, wenn Frau im Minirock sie anlächelt? Ergo: TäterInnen, die Asylsuchende in die Opferrolle drängen. Wird zudem die Polizei betrachtet, die sich (je nach Perspektive) blind gestellt hat, unfähig oder völlig überfordert weil unterbesetzt war, dann ist die Verwirrung perfekt: Wer ist denn nun Opfer und wer TäterIn?

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Bild: Hoher Besuch: Nach der Rede trug der Wirtschaftsminister sich ins Goldene Buch der RUB ein. , Nicht mehr Kohle, sondern Köpfchen prägt unsere Region – sagt Vizekanzler Sigmar Gabriel Foto: RUB/Katja Marquard

„Die Fans des VfL Bochum haben ihren Verein früher als unabsteigbar bezeichnet. Ich denke, das kann man auf das Ruhrgebiet ganz gut übertragen.“ Eine obligatorische Fußballanspielung durfte bei der Rede von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel an der RUB nicht fehlen. Nach einem Vortrag zum Strukturwandel im Ruhrgebiet musste sich der Vizekanzler allerdings auch Publikumsfragen zur Flüchtlingspolitik und dem umstrittenen Freihandelsabkommen mit den USA stellen.

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Bild: Kontroverser Abweichler: Boris Palmer löste mit diesem Facebook-Beitrag sehr gegensätzliche Reaktionen aus., Kommentar: Die Asyldebatte braucht mehr Realismus und Offenheit Screenshot Facebook

Wenn es um AsylbewerberInnen geht, positionieren sich die Grünen bekanntlich klar gegen jede Abschottungspolitik. Auch angesichts von täglich rund 10.000 nach Deutschland Geflüchteten erklären sie, dass dieses Land das schafft. Tübingens grüner Oberbürgermeister Boris Palmer äußert dagegen, dass diese Menge auf Dauer eben nicht zu schaffen sei.

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Bild: "Auch Ihr könnt großartige Projekte starten!": Die Bloggerin Karla Paul ruft zum Engagement für Geflüchtete auf, #BloggerFürFlüchtlinge: Internetprojekt bringt HelferInnen und Geflüchtete zusammen bk

Am Anfang waren sie zu viert, erzählt Literaturbloggerin Karla Paul. Vier BloggerInnen, denen die Nachrichten über rechte Demos und brennende Geflüchtetenheime so sehr auf den Magen schlugen, dass sie mit dem Projekt #BloggerFürFlüchtlinge ein Zeichen der Willkommenskultur und des Engagements setzen wollten. Das ist gerade einmal zwei Monate her – inzwischen haben sich über 2.000 HelferInnen dem Projekt angeschlossen. Auf der Frankfurter Buchmesse stellte sich die Gruppe vor.

„Das ist nicht mein Deutschland!“ Dieser Satz schoss Literaturbloggerin Karla Paul immer wieder durch den Kopf, wenn die Nachrichten von einer Welle der Feindseligkeit gegenüber Geflüchteten in Deutschland berichteten. „Ich wollte auf meinem Blog einfach ein Zeichen gegen Rechts setzen“ erinnert sich Paul auf der Frankfurter Buchmesse an die Anfänge des Projekts zurück. Schnell fand sie in ihrem Bekanntenkreis drei weitere BloggerInnen, die sich ihrem Aufruf anschlossen und je einen Blogeintrag verfassten, der zum Engagement für Asylsuchende aufrief und mit einem Spendenbutton verknüpft war. So wollten die vier BloggerInnen gemeinsam 4.000 Euro für verschiedene Hilfsprojekte sammeln – doch bereits drei Tage später waren 10.000 Euro zusammengekommen. „Außerdem standen da schon die ersten Zeitungen vor unserer Tür“ – erzählt Paul – das Projekt hatte sich in Windeseile im Internet herumgesprochen.

Zum Projekt gehört auch eine Facebookgruppe, in der mittlerweile über 2.000 AktivistInnen angemeldet sind. Gemeinsam haben sie bereits über 130.000 Euro an Hilfsgeldern für Geflüchtete gesammelt – viel wertvoller schätzt Paul aber die vielen anderen Aktionen ein, die sich aus dem Projekt heraus entwickelt haben. „Da gibt es zum Beispiel das Projekt #StartUpsFürFlüchtlinge. Das hat sich entwickelt, als einige Existenzgründer aus der IT-Branche zu uns gekommen sind und angeboten haben, Freifunk in Geflüchtetenheimen zu installieren.“ Einen ähnlichen Ansatz verfolgt eine Initiative von FriseurInnen, die ihre Dienste kostenlos den BewohnerInnen einer großen Geflüchtetenunterkunft in Hamburg anbot. Gerade solche Dienstleistungen hätten Paul zufolge einen unschätzbaren Wert: „Immerhin sind diese Flüchtlinge Menschen wie du und ich, von denen viele einen hohen Lebensstandard hatten, bevor sie fliehen mussten. Für die ist ein Zugang zum Internet genauso wichtig wie für uns.“

Andere Initiativen organisieren Spielstunden für Flüchtlingskinder oder sammeln altes Spielzeug. „Vor dem Hintergrund der Frankfurter Buchmesse möchte ich noch besonders die Initiative #AutorenFürFlüchtlinge hervorheben“, so Paul. Diese Gruppe von AutorInnen hat Geflüchtete nach ihren Erfahrungen befragt und ihre Geschichten in einem Buch versammelt – „um diesen Menschen einfach eine Stimme zu geben“, so Paul.

Es gibt also viele verschiedene Arten, auf die sich HelferInnen für Geflüchtete engagieren können – und zwar kostenlos. Paul betont, dass die vier BloggerInnen bislang keinen Cent in ihr Projekt investiert haben. „Und trotzdem haben wir so viele andere Leute motivieren können, etwas zu tun. Dabei haben wir vor allem das Internet genutzt – und waren glücklich darüber, dass das Wort ‚sozial‘ in den sozialen Netzwerken hier mal wörtlich zu nehmen war“ Wichtig sei vor allem, sich mit anderen HelferInnen zu vernetzen und die Talente der KooperationspartnerInnen zu nutzen, rät Paul den BesucherInnen auf der Buchmesse. „Ihr könnt großartige Projekte schaffen, wenn ihr die richtigen Leute findet – und euch dann auch mal traut, ihnen Aufgaben zu überlassen.“

Bild: Quotenproblematik: Geflüchtete könnten zukünftig dorthin geschickt werden, wo sie weder hinwollen, noch willkommen sind. , Kommentar: Europa streitet über die Fluchtkrise Karikatur: ck

In welchem EU-Land sollen wieviele Geflüchtete untergebracht werden? Angesichts der aktuellen Krise hat die EU-Kommission Quoten für die Verteilung angestrebt, welche die Wirtschaftskraft und Bevölkerungszahl der Länder berücksichtigen. Die InnenministerInnen der 28 Mitgliedsstaaten beschlossen vergangene Woche jedoch lediglich als Notmaßnahme die Umverteilung von insgesamt 120.000 Geflüchteten aus stark belasteten EU-Staaten. Und selbst das ging nur per Mehrheitsbeschluss gegen die Stimmen von Ungarn, der Slowakei, Tschechien und Rumänien.

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Bild: Großer Andrang bei der Immatrikulation an der RUB – rassistische IdiotInnen sehen natürlich Verbindungen, wo keine sind. , Zwölf Stunden Wartezeit bei der Immatrikulation Karikatur: ck

Mit einem unerwartet großen Andrang bei der Immatrikulation hatte Anfang September die RUB zu kämpfen. So früh waren noch nie so viele Erstis zur Einschreibung gekommen.

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Bild: Steht geflüchteten Frauen zur Seite: Der Verein agisra (Arbeitsgemeinschaft gegen internationale, sexuelle und rassistische Ausbeutung). , Der Verein agisra engagiert sich besonders für weibliche Geflüchtete Foto: Irene Allerborn

Tausende Menschen suchen derzeit Zuflucht. Unter ihnen sind besonders viele Frauen. Der Verein agisra kümmert sich um sie und klärt über frauenspezifische Fluchtgründe auf.

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