"Irgendein Internetblogger hat uns auf die Liste der fünf Dinge gesetzt, die die Menschheit nicht braucht – diese Anekdote erzählt Kinderbuchautor Klaus Döring gerne, wenn er über seine Fußballmannschaft spricht – dabei hat sein Team die brasilianischen Kollegen mit 9:1 bezwungen und ist eines der Aushängeschilder des DFB. Hauptberuflich zeigen die Mitglieder der Autorennationalmannschaft, kurz Autonama, ihr Talent jedoch nicht am Ball, sondern mit Worten. Dass diese Kombination funktioniert, beweist eine Sammlung etwas anderer Spielberichte aus der vergangenen Saison von Borussia Dortmund, die von den kickenden Autoren verfasst und am Samstag auf der Frankfurter Buchmesse vorgestellt wurde.

Nachberichte zu Fußballspielen gibt es viele – meist bringt die Rückschau auf den vergangenen Spieltag die Ereignisse kurz und knapp auf den Punkt, fokussiert auf nackte Daten, Ergebnisse und Zahlen. Die Spielberichte der Autonama entfernen sich bewusst so weit wie möglich von diesen Standards und verschweigen der LeserInnenschaft oft sogar das Endergebnis der kommentierten Spiele. Dass der BVB im Mittelpunkt der literarischen Betrachtungen steht, liegt an einer Idee des Hauptsponsors Evonik. Im Versuch, Literatur und Fußball einander näher zu bringen, sollten die Mitglieder der Autonama alle Heimspiele des BVB dokumentieren. Zunächst erschienen die Spielberichte unter dem Kolumnentitel „Wortsport“ im Netz, jetzt ist das Buch mit dem Titel „Man muss ein Spiel auch lesen können“ veröffentlicht worden. „Als wir das Angebot bekamen, den BVB eine Saison lang in dieser Form zu begleiten, war das für uns wie ein Heiratsantrag – dabei haben wir eigentlich alle andere Lieblingsvereine“, erzählt Moritz Rinke, der aktuell als Spielertrainer der Autonama fungiert.

Seine Mannschaft wurde im Jahr 2005 von Drehbuchautor Thomas Brussig gegründet und tritt seitdem immer wieder gegen Schrifsteller-Teams aus anderen Ländern an. Erst im September waren beispielsweise die Kollegen von der polnischen Autorennationalmannschaft in Dortmund zu Gast. Seit 2008 ist die Autonama das kulturelle Aushängeschild des DFB und wird von diesem mittlerweile jährlich in das „Kulturstadion“, den Stand der DFB-Kulturstiftung auf der Frankfurter Buchmesse, eingeladen. Philosophie auf der Tribüne Nachdem die Autonama dort im letzten Jahr ihre Eindrücke von einer Brasilienreise schilderte, ist nun die Rückschau auf die letzte Saison des BVB dran – eine dramatische Saison, in der sich der Verein über lange Zeit hinweg im Abstiegskampf wieder fand und deren Emotionalität durch den Rücktritt des langjährigen Trainers Jürgen Klopp noch verstärkt wurde. „Das war aber ein Glücksfall für uns. Ich glaube nämlich nicht, dass wir dieses Buch so gut hätten schreiben können, wenn wir über den FC Bayern geschrieben hätten. Was will man denn schon jede Woche über einen Verein schreiben, der immer gewinnt?“, fragt sich Lucas Vogelsang, der im Auftrag der Autonama die Partie Borussia Dortmund gegen den VfB Stuttgart kommentierten sollte. Sein Spielbericht geriet zu einer philosophischen Betrachtung des Massenphänomens Stadiontribüne, in der das eigentliche Spiel nur noch eine Randnotiz ist. „Da treffen sich zwanzigtausend Menschen, verschmelzen zu einer Wand und geben für neunzig Minuten ihre Identität auf. Das fand ich viel interessanter.“

Ein prominenter Fan der Autonama war an diesem Samstag ebenfalls im Kulturstadion zu Gast: BVB-Profi Nuri Sahin outete sich als Fan der kickenden Schriftsteller und lobte besonders eine Erzählung von Klaus Döring, in der das moderne BVB-Trainingsgelände in Brackel zum futuristischen Fußball-Raumschiff wird. „Als ich das gelesen hab, dachte ich mir nur so: Jap, genau so ist es.“ Genau wie Sahin plädierten auch viele der BesucherInnen für eine Fortsetzung der Wortsport-Kolumne. Ob es jemals eine geben wird, steht Moritz Rinke zufolge jedoch noch in den Sternen: „Wir wissen ja nicht, wann der BVB wieder so eine dramatische Saison spielen wird.“

Bild: Illustration: alx; Quelle: Paul Blank, Wikimedia Commons , Verbeek versus Bild: Ein Stück Fußball-Pöbel-Nostalgie Illustration: alx; Quelle: Paul Blank, Wikimedia Commons
Nach dem Eklat von VfL-Bochum-Trainer Gertjan Verbeek, der in einer Pressekonferenz wütend gegen die Zeitung ohne Nebensätze polterte, ruderte der Verein zurück und entschuldigte sich in einer offiziellen Pressemeldung für die Ausdrucksweise des niederländischen Coachs. Dabei sagte der doch nicht Anderes als das, was wir alle denken.
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Bild: Kommentar: Wir leben dich, echte Liebe: Bedeutend anders!

Es ist die Mutter aller Derbys — wenn nicht für alle deutschen Fußballfans, dann zumindest für die aus dem Ruhrpott, die mit Leidenschaft, puren Emotionen und voller Hingabe „ihr“ Team unterstützen: Dortmund gegen Schalke oder – wie es die beiden Fangruppen untereinander handhaben, damit unter keinen Umständen der jeweils andere Verein beim echten Namen genannt wird: Lüdenscheid-Nord gegen Herne-West.

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Bild: So sehen Sieger aus: RUB-Kicker gewannen bei der Hochschul-Europameisterschaft in Kroatien. , RUB-Fußballer holen Europameistertitel in Kroatien Foto: RUB11

Die RUB-Fußballer gewannen letzte Woche Dienstag in Kroatien die Europameisterschaft der Hochschulen. Im Finale gelang ihnen mit dem 4:2 im Elfmeterschießen auch die Revanche gegen die Staatliche Universität Kuban aus Russland, der sie in der Gruppenphase noch unterlegen waren.

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Bild: Kurzer Jubel: Nach einer schnellen Ehrenrunde mit dem Pokal ging es für die Bochumer gleich auf den Heimweg. , Unter Zeitdruck gewinnen RUB-Fußballer Europameistertitel Foto: RUB11

Vor großer Kulisse im Stadion des kroatischen Erstligisten NK Osijek aufzulaufen, war für die Bochumer Hochschulkicker ein ganz besonderes Erlebnis. Angefeuert wurden sie im Endspiel der European Universities Football Championship am 28. Juli auch von den anderen Hochschulteams, die die Spieler der RUB-Hochschulmannschaft während des Turniers als Freunde gewonnen hatten. Völkerverständigung spiele bei so einem Turnier neben dem Sport ebenfalls eine wichtige Rolle, sagte RUB-Coach Adam Frytz. Und mit dem 4:2 im Elfmeterschießen gegen die Staatliche Universität Kuban stimmte auch sportlich alles.

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Bild: Vorsicht, wenn beim gefoulten Spieler die Sicherungen durchbrennen: SchiedsrichterInnen müssen in der Kreisliga auf einiges gefasst sein., Kommentar: Gewalt gegen SchiedsrichterInnen nimmt zu Foto: tims

Das Thema ist nicht neu, aber bleibt durch immer wiederkehrende Vorkommnisse aktuell: die Gewaltbereitschaft gegenüber SchiedsrichterInnen in den unteren Ligen. Ein talentierter Schiedsrichter aus Essen beendet nach einem Faustschlag seine noch junge Karriere. Die Zahl der Unparteiischen geht zurück. Wer will denn auch noch pfeifen?

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Bild: Russland bewegt sich: Zumindest, wenn es um Fußball geht., In der Ukrainekrise gibt Russland nicht nach – außer beim Fußball Karikatur: ck

Auf Sanktionen seitens EU, USA und NATO-Staaten reagiert Russland so gut wie gar nicht, von Einlenken ganz zu schweigen. Doch dem Druck von FIFA und UEFA wird prompt nachgegeben: Die schon begonnene Eingliederung der Krim-Fußballklubs in den russischen Ligabetrieb wurde wieder rückgängig gemacht, geradezu bizzar, angesichts des ungelösten Ukraine-Konflikts und fruchtloser Krisendiplomatie.

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Bild: War beim diesjähirgen Hallenfußballturnier Sparkassen Masters dabei: Der AFC Bochum., GELD SCHIESST TORE, TRADITION WIRFT BENGALOS? – Teil 9 der :bsz-Reihe zur Lage des Fußballs – 25 Jahre AFC Bochum Foto: tims

Der Arabische Fußball Club (AFC) Bochum feiert in diesem Jahr sein 25-jähriges Jubiläum und möchte am liebsten in die Kreisliga B aufsteigen. Das primäre Ziel lautet aber wie immer: Dabei sein, Spaß haben und eine soziale Verantwortung für die Region übernehmen. Auch mit der aktuellen Flüchtlingsdebatte befasst sich der Verein aus Querenburg. JedeR ist willkommen!

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Bild: Wer Oldschool-Fußball sehen will, ist hier richtig: Vereinschef Michael Welling im Stadion des RWE. , GELD SCHIESST TORE, TRADITION WIRFT BENGALOS? – Teil 8 der :bsz-Reihe zur Lage des Fußballs – Tradition und Misserfolg: Porträt des Kult-Clubs Rot-Weiß Essen Foto: jawattdenn.de

Wo man seine Töchter auf den Namen Helmut Rahn tauft und blaue Trikots meiden sollte – die :bsz war im Stadion Essen, um den Mythos Hafenstraße zu erkunden. Vierte Liga, Spiele gegen Wiedenbrück oder Hennef, gleichzeitig tausende leidenschaftliche Fans im Rücken, die wissen, wo es für den Traditionsverein wieder hin soll: nach oben. Vielleicht schon im nächsten Jahr?

Niederprasselnder Dauerregen und klirrende Kälte: Für RWE-Clubchef Michael Welling müsste das Wetter zum Verein von der Hafenstraße passen. In der Halbzeit des Heimspiels gegen den SC Wiedenbrück schlendert er nach der Abschiedsrede für einen langjährigen Mitarbeiter über den schlammigen Platz und kann sich trotz des Regens und der Liga-Zugehörigkeit über erstklassige Stimmung im Stadion freuen: „Wir sind halt Viertligist, interessiert aber keinen. Gerade weil wir nicht so erfolgreich sind, haben wir  das bewahrt, was den Fußball ausmacht: eine unglaubliche Nähe zu den Fans, eine unglaublich gute, vielschichtige Fankultur und ein stimmungsvolles Stadion.“ Währenddessen wird der Regen wieder stärker. Der Vereinsvorsitzende kann aber nur augenzwinkernd bestätigen: „Bei uns geht es um Fußball, wir spielen immer noch in Freiluft – nicht wie bei den nördlichen Nachbarn in Gelsenkirchen, wo es eben eine Halle gibt. Ich sage da nur: Ausprobieren, hinkommen. Bei uns ist das noch Old-School-Fußball ohne Schischi. Wer tatsächlich auf Lachsschnittchen und Animationsstofftiere auf dem Spielfeld steht, der ist sicherlich in Gelsenkirchen besser aufgehoben als bei uns. Manche sagen, wer in Hamburg zu St. Pauli und in Berlin zu Union geht, geht im Ruhrgebiet zu Rot-Weiss Essen.“

Große Tradition und große Erwartungen

Im Block der Ultras startet eine Choreo, ein großes Transparent bedeckt die Kurve. Darauf steht: „Danke für alles, Chef.“ Gemeint ist August Gottschalk, Kapitän der Meistermannschaft von 1955 – einer  der Helden in der ruhmreichen Vereinsgeschichte: „Rot-Weiss Essen ist einer der traditionsreichsten Vereine Deutschlands“, so Welling, der nicht nur stolz die Titel und Meilensteine aufzählt, sondern ungeahnte Verbindungen der DFB-Weltmeistertitel zum Fußball in der Ruhrmetropole zieht. „Ohne Rot-Weiss-Essen wäre Deutschland übrigens nie Weltmeister geworden. 54 – Helmut Rahn!  Dann „Ente“ Lippens, der ja 74 bei Holland nicht gespielt hat – sonst hätte Berti Vogts sich nicht um Cruyff kümmern können, sondern hätte gegen Lippens spielen müssen und wäre schwindlig gespielt worden und Holland hätte das Finale gewonnen. Dann 1990 eben mit „Franky“ Mill, der auch als Essener Jung im Kader war und jetzt Mesut Özil, der bei uns in der Jugend fünf Jahre ausgebildet wurde und 2014 Weltmeister geworden ist“, schwärmt der Club-Chef.

Aber die großen Zeiten sind längst vorbei: 2010 beantragte der Verein Insolvenz, es folgte der Zwangsabstieg in die fünfte Liga:  „Wir können mit Fug und Recht behaupten, dass wir komplett am Arsch waren. Wir sind dem Tod mit der Insolvenz von der Schüppe gesprungen, deswegen sind wir jetzt erst mal froh, dass es uns gibt. Wir gehen da mit kleinen Schritten voran und da wird’s auch immer Rückschläge geben – aber wir gucken mal, in welche Richtung das geht. Wir sind allerdings auf dem Weg zum Weltpokalsieger 3026 – das ist erklärtes Ziel.“ Denn die aktuelle Entwicklung gibt zu hoffen. Nach 90 Minuten steht es 3:2, „Spitzenreiter“ schallt es von den Tribünen. Denn Essen überwintert damit auf dem ersten Tabellenplatz. Doch auch der Meister würde am Ende der Saison nicht direkt aufsteigen, sondern müsste nach gegenwärtigen DFB-Regeln erst in die Relegation, worüber sich auch Welling aufregt: „Als Sportfan ist es für mich und andere nicht nachvollziehbar, warum der Meister sich nicht für die höhere Liga qualifiziert. Das ist totaler Schwachsinn.“ Welling gibt jedoch schon mal Interna preis: „Wir haben den Antrag auf Zwangsaufstieg gestellt. Der ist nicht durchgekommen.“ Aber selbst, wenn es auch im nächsten Jahr nichts mit dem Aufstieg wird, die Fans in der „alten Westkurve“ singen nach Abpfiff schon mal: „Deutscher Meister wird nur der RWE!“

:Benjamin Trilling

:bsz-Reihe: Geld schießt Tore, Tradition wirft Bengalos?

„Die machen den Fußball kaputt!“

…das warf man sich jüngst vor, als das DFL-Konzept „Sicheres Stadionerlebnis“ Ende letzten Jahres verabschiedet wurde und zahlreiche Proteste in den Stadien nachsichzog. Fans warfen den Liga-Verantwortlichen, Sponsoren und Polizei vor, mit übertriebenen Kontrollvorlagen die Fankultur zu ersticken. Im Gegenzug werden die Leute auf der Tribüne dafür kritisiert, für Krawalle zu sorgen: Platzstürme, Hasstiraden und fackelnde Bengalos im Block und auf dem Rasen – König Fußball erscheint als Symptom für gesellschaftliche Widersprüche. Deutschland ist Weltmeister, aber von Burgfrieden ist weit und breit nichts zu sehen; stattdessen wird die Fangemeinde hierzulande polarisiert: Mäzenate, Retortenvereine und die allgemeine Kommerzialisierung des Profifußßballs sorgen dafür. Auf der anderen Seite sehen wir einen alltäglichen Existenzklampf der Traditionsvereine: Legendäre Clubs wie Rot-Weiss Essen, MSV Duisburg oder Rot-Weiß Oberhausen (,um nur wenige zu nennen) stehen oder standen am Rande des Abgrunds. Aber was, wenn alles durchkommerzialisiert ist? Wenn ein Stadion dem anderen ähnelt? Fangesänge der eigenen Mannschaft nicht mehr von den gegnerischen Chören zu unterscheiden sind? Wir wollen fragen: was kommt? Was bleibt? Wie wird er aussehen, unser Fußball: Eine Eskatase nach Feierabend oder routinierter Arbeitssieg? Das Beben der Kurve oder die Dekadenz der VIP-Tribüne? Das Singen der eigenen Chöre oder stumpfinniger Werbeterror? Nostalgie oder Erneuerung? Wahrheit oder Kommerz?

Bisher in dieser Reihe

:bsz 1011 — „Fußball in Zeiten der Krim-Krise“ über den Fußball in der Ukraine und Russland

:bsz  1013 — „Geld verleiht Flügel“ über Red Bull Leipzig

:bsz 1015 — „Echte Liebe zum Geld“ über die Kommerzialisierung der großen Ruhrpottvereine

:bsz 1017 — „Bochum, ich komm aus DIr!" über das Buch „111 Gründe, den VfL Bochum zu lieben“

:bsz 1019  — „Frauenfrei in die Bundesliga“ über das Aus der Frauenabteilung des VfL Bochum

:bsz 1021 — "We can be heroes, just for one day!" über die Bochumer Kreisliga

:bsz 1024 — "Vom Bayernjäger zum Schlusslicht" über die Krise beim BVB

Es folgen

:bsz 1026 — Migrantenvereine im Revier

:bst 1028 — Kommerz und Gewalt

 

 

Bild: ACHTUNG, HINTERMANN! Begeisterung und Leidenschaft für den Fußball werden auch in der Bochumer Kreisliga gelebt. , GELD SCHIESST TORE, TRADITION WIRFT BENGALOS? – Teil 6 der :bsz-Reihe zur Lage des Fußballs – Das Mekka des Fußballs: Die Kreisliga Foto: tims

Der Fußball-Kreis Bochum zählt mit seinen 87 Vereinen und 12 Staffeln zu den größten in NRW. Zwischen Thekenmannschaften, Studierenden-Teams und zusammengekauften SöldnerInnen-Truppen ist auch in Bochum alles dabei. Doch was macht die Kreisliga so besonders? Bsz-Reporter Tim begibt sich auf Spurensuche.

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