Bild: Galt einst als unabsteigbar: der VfL. , GELD SCHIESST TORE, TRADITION WIRFT BENGALOS? – Teil 4 der :bsz-Reihe zur Lage des Fußballs – Rezension: „111 Gründe, den VfL Bochum zu lieben“ ehrt die Zweite Liga Cover: Schwarzkopf & Schwarzkopf

Der VfL Bochum: Ein Traditionsverein, die graue Maus der Liga, der Underdog, die Unabsteigbaren – einfach ein Stück Ruhrgebiet und von eminenter Wichtigkeit für eine Stadt, die nach dem Verlust von Nokia, BlackBerry und vor allem Opel auf Identitätsfindung ist und nach dem letzten Strohhalm greift, der übrig geblieben ist. Das klingt im ersten Moment hart, aber so kann auch das Buch von Tom MacGregor „111 Gründe, den VfL Bochum zu lieben“, beschrieben werden.

Die ewige Suche nach dem Strohhalm, an den man sich hängen kann, nach der x-ten Niederlage und Enttäuschung. Wer VfL-Fan ist, muss eine gewisse Unbeugsamkeit besitzen; er oder sie muss sich klar sein, dass der Verein vielleicht nie einen Pokal, geschweige denn eine Meisterschaft gewinnen wird.
Diesen Eindruck vermittelt MacGregor von der ersten Seite an und so liest sich das Buch recht flüssig, auch wenn nicht ganz frei von Widersprüchen und vor allem von Neid getragenen Seitenschüssen gegen die großen Nachbarn aus Lüdenscheid-Nord und Herne-West. Aber das lässt sich wohl einfach nicht vermeiden. So wirken Bezeichnungen wie ‚neureiche Borussia’ oder ‚größenwahnsinnige Schalker’ als das größte Kompliment, das man den Gegnern aus der direkten Umgebung machen kann und es macht dem/der LeserIn auch deutlich, wie unterschiedlich Fußball wahrgenommen wird.

Unabsteigbar ohne Trophäen

Während andere Mannschaften Trophäen sammelten, zählte der VfL die Jahre, die er nicht aus der Bundesliga abgestiegen ist und nannte sich deshalb auch „der Unabsteigbare“. Diese Zeit ist vorbei; so hofft MacGregor auch im 108. Grund, dass der VfL irgendwann wieder erstklassig sein wird. Bis das geschieht, kann sich der/die LeserIn getrost durch die 229 Seiten hangeln und sich an der einen oder anderen Stelle das Schmunzeln nicht verkneifen. MacGregor wagt sogar die These, dass VfL-Fans hip seien und dass es mehr Charme hätte, eine dürftige Zweitliga-Partie zu verfolgen als Spiele der Elite-Liga im Erlebnis-Park Bundesliga. Er appelliert an die Fans, durchzuhalten und sich nicht unterkriegen zu lassen, was bei den teilweise dürftigen Darbietungen der letzten Jahre ein schwieriges Unterfangen werden kann. ‚Bochum, ich komm aus dir’ ist im gesamten Werk die Devise – und auch wenn das Buch nicht an Frank Goosens „Weil Samstag ist“ anknüpfen kann, so ist es trotzdem nicht nur ein Werk für eingefleischte Bochumer Jungs und Mädchen, sondern auch für andersdenkende Ballverliebte, die zwischendurch eine lustige Geschichte aus dem wahren Fußballalltag jenseits von Meisterschaft und Champions League lesen möchte – ob als Klolektüre oder für die Fahrt zum nächsten Spiel. Wer Lust hat auf viele kleine Fußballgeschichten, sollte sich das Buch kaufen. Für VfL-Fans sicherlich ein Muss, für alle anderen eine nette Abwechslung, den Verein besser kennenzulernen. Bochum, ich häng an Dir!

:bsz-Reihe: Geld schießt Tore, Tradition wirft Bengalos?

„Die machen den Fußball kaputt!“

…das warf man sich jüngst vor, als das DFL-Konzept „Sicheres Stadionerlebnis“ Ende letzten Jahres verabschiedet wurde und zahlreiche Proteste in den Stadien nachsichzog. Fans warfen den Liga-Verantwortlichen, Sponsoren und Polizei vor, mit übertriebenen Kontrollvorlagen die Fankultur zu ersticken. Im Gegenzug werden die Leute auf der Tribüne dafür kritisiert, für Krawalle zu sorgen: Platzstürme, Hasstiraden und fackelnde Bengalos im Block und auf dem Rasen – König Fußball erscheint als Symptom für gesellschaftliche Widersprüche. Deutschland ist Weltmeister, aber von Burgfrieden ist weit und breit nichts zu sehen; stattdessen wird die Fangemeinde hierzulande polarisiert: Mäzenate, Retortenvereine und die allgemeine Kommerzialisierung des Profifußßballs sorgen dafür. Auf der anderen Seite sehen wir einen alltäglichen Existenzklampf der Traditionsvereine: Legendäre Clubs wie Rot-Weiss Essen, MSV Duisburg oder Rot-Weiß Oberhausen (,um nur wenige zu nennen) stehen oder standen am Rande des Abgrunds. Aber was, wenn alles durchkommerzialisiert ist? Wenn ein Stadion dem anderen ähnelt? Fangesänge der eigenen Mannschaft nicht mehr von den gegnerischen Chören zu unterscheiden sind? Wir wollen fragen: was kommt? Was bleibt? Wie wird er aussehen, unser Fußball: Eine Eskatase nach Feierabend oder routinierter Arbeitssieg? Das Beben der Kurve oder die Dekadenz der VIP-Tribüne? Das Singen der eigenen Chöre oder stumpfinniger Werbeterror? Nostalgie oder Erneuerung? Wahrheit oder Kommerz?

Bisher in dieser Reihe

:bsz 1011 — „Fußball in Zeiten der Krim-Krise“ über den Fußball in der Ukraine und Russland

:bsz  1013 — „Geld verleiht Flügel“ über Red Bull Leipzig

:bsz 1015 — „Echte Liebe zum Geld“ über die Kommerzialisierung der großen Ruhrpottvereine

Demnächst

:bsz 1017 — über das Buch „111 Gründe, den VfL Bochum zu lieben“

:bsz 1019  — über Frauenfußball in Bochum                                       

:Tim Schwermer

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