Verbindungen stehen im Kreuzfeuer der Blaupause. Sie sollten jedoch nicht aufgrund einer unzureichenden Moralvorstellung ausgegrenzt werden.
 
In den Verbindungen zeigt sich ein kulturelles Erbe, von dem viele dachten, es sei längst abgelegt worden. Und ich meine nicht das ausgelassene Biertrinken, was wohl die wenigsten verteufeln. Es geht um den Charakter der studentischen Männerbünde, die in konservativer Manier gegen die Pluralität unserer Gesellschaft zu agieren scheinen.
 
Verständlich wird diese Interpretation, wenn beim Coburger Convent farbtragende und pflichtschlagende Verbindungen antreten, die mit hunderten Uniformierten durch die Straßen der Stadt ziehen, um den deutschen Kriegsopfern zu gedenken. Letztes Jahr sangen beispielsweise nicht nur die Teilnehmer beim jährlichen Fackelzug. In die Gesänge der Männerbünde stimmten Neonazis mit ein und ergänzten die geächtete erste Strophe der deutschen Nationalhymne. Der Vergleich mit der „Machtergreifung“ Hitlers, den verbindungskritische  Protestgruppen ziehen, ist also nicht von ungefähr, sondern thematisiert die traditionelle Symbolik und fragwürdige Anziehungskraft der Veranstaltung. 

Verachtete Tradition

Fremdenfeindlich und rückwärtsgewandt wirken auch andere Aspekte: Keine Frauen, stattdessen drastische Erziehungsmethoden, Vetternwirtschaft und  Nationalismus. Die GegnerInnen der Verbindungen finden darin ihre Kritikpunkte: sexistisch, menschenverachtend und rechts(-extrem).
 
Doch lässt sich das alles grundsätzlich über jede Verbindung postulieren? Ich glaube nicht, und daher lehne ich den pauschalen Rufmord, den Verbindungen erfahren, ab.
 
Prinzipiell lässt sich sagen: Wir können es uns in einer pluralistischen Gesellschaft nicht erlauben,  Personen oder Gruppen ungerechtfertigt zu diskriminieren und zu verurteilen. Eine friedliche Gemeinschaft lebt von einer Toleranz der Werte und einer Akzeptanz der Menschen.
Selbst wenn beispielsweise eine Verbindung in NRW eine rechtsextreme Tendenz zeigt, muss nicht jede Verbindung dies unterstützen. Im allgemeinen muss bei der Einzelgruppe geprüft werden, ob und warum ein Ausschluss notwendig ist, um bei der Blaupause (siehe :bsz 1041) eine Sanktion zu rechtfertigen.

Das abgelehnte Fremde

Jeder politischen Kritik zu Trotz ist entscheidend, dass wir mit anderen Lebenskonzepten umgehen lernen, denn die bessere Welt sieht für jeden unterschiedlich aus. Nicht alle Menschen haben dieselbe Grundlage, was meiner Meinung nach nicht auf absolut jeder Ebene zu einer Gleichheit führen muss: Frauen haben eigene Fitnesstudios oder autonome Referate, genauso wie Männer vielleicht ihre Verbindungen mit Verbandstreffen. Und warum sollte ersteres nicht weniger diskriminierend sein als letzteres? 
 
Jeder Moralität zuwider gibt es nicht umsonst Gesetze und die Grundlage der Menschenwürde, die als Maßstab der offenen Gesellschaft dient. Und diese schützt Homosexualität gleichermaßen wie Verbindungen oder die Bewegung der Rastafari, welche mit ihrem Frauenbild nicht minder sexistisch ist.
 
:Alexander Schneider