Das Problem:

Der Weg zur Therapie ist kein leichter, besonders dann, wenn man in einem Umfeld auf- wächst, dass mentale „Probleme“ nicht anerkennt. Viele People of Colour (PoC) brauchen Jahre, um sich ihren psychischen Problemen zu stellen und diese anzuerkennen. Wagt man den Schritt und begibt sich in Therapie, merkt man schnell: die Therapie allein verspricht selbst- verständlich keine Lösung. Der richtige Therapeut oder die richtige Therapeutin macht es aus!

Warum Verständnis besonders für PoC eine große Rolle spielt Unterschiedliche Menschen haben unterschiedliche Probleme. Die Hautfarbe oder der kulturelle Background einer Therapeutin oder eines Therapeuten sprechen natürlich nicht für die Professionalität oder für den Wissenstand. Allerdings, um Marilyn Monroe zu zitieren „My God, doesn´t it help?“. Das Schlagwort ist hier Verständnis.

Sensible Themen, wie Rassismus- und Diskriminierungserfahrungen sind valide therapiebedürftige Gründe, denen sich leider nicht jede:r annehmen kann und leider auch nicht will. Viele Therapeut:innen sehen Rassismus nicht als Bestandteil ihrer Therapie. Möglicherweise liegt es auch daran, dass PoC bereits im Psychologiestudium übersehen werden. Denn obwohl wir in Deutschland ein immer größer werdendes Rassismus- und Diskriminierungsproblem haben, wird in der psychotherapeutischen Ausbildung bisweilen kein Zugang zu Rassismus kritischen Theorien gewährt.

Schlimmer als die Verweigerung der Behandlung von Therapie im Zusammenhang mit Rassismus, Diskriminierung und dem/der Therapeuten:in fremden sozialen Normen und Werten ist die Behandlung mit mangelndem Wissen und mit mangelnder Bereitschaft zum Verständnis. Leider erfahren viele PoC Verharmlosung und Bagatellisierung. Abgesehen von der Überwindung, die es kostet, über solche Erfahrungen zu sprechen, die Menschen in ihrem Selbstwertgefühl angreifen, verunsichert die Verharmlosung extrem. Besonders häufig sind Schwarze Menschen von solch einer Verharmlosung durch Therapeut:innen betroffen. Viele Betroffene berichten auf Social-Media-Plattformen, dass sie mit Aussagen, wie „steigern Sie sich nicht da rein“ und anderen rassistischen Mikroaggressionen innerhalb der Therapiepraxis konfrontiert wurden und werden. Viele beginnen an Geschehnissen und ihren Erfahrungen zu zweifeln, oftmals führt dies zu einer Retraumatisierung.

Dasselbe gilt auch für soziale Normen, Strukturen und Werte, die nicht PoC Therapeut:innen fremd sind. Der Rat „Abstand von der Familie nehmen“ oder sich „nicht von anderen etwas sagen lassen“ ist nicht hilfreich, wenn man in einer Kultur aufwächst, in der Familie und Res- pekt einen ganz anderen Stellenwert hat. Das Gefühl von Fremdheit, das jeden BIPoC ein Le- ben lang verfolgt, verfestigt sich oft in der Therapie, die eigentlich ein Safe Space sein sollte.

Selbstverständlich wird es auch weiße Therapeut:innen geben, die versuchen, PoC zu verstehen und die Erfahrungen in den richtigen Kontext zu setzen. Als nicht-PoC muss jedoch das Interesse, PoC, Rassismus, Diskriminierung, andere Kulturen und ihre Werte zu verstehen, vom Therapeuten oder von der Therapeutin selbst kommen. Voraussetzung dafür ist das In- teresse, sich weiterzubilden und die Anerkennung der Konsequenzen und den Einfluss, den Diskriminierung, Rassismus und kulturelle Strukturen auf Betroffene haben.

Als PoC richtig beraten werden:

Jeder Mensch, der sich für eine Therapie entscheidet weiß, dass es relativ schwer ist den passenden Therapeuten oder die passende Therapeutin zu finden. Besonders dann, wenn man nach PoC-Therapeut:innen sucht.Nachfolgend findet ihr einige Tipps, die Euch Eure Suche nach der richtigen Therapie vereinfachen können.

Die richtige Suche:

Der erste Schritt sind sogenannte Therapeut:innenverzeichnisse. In solchen Verzeichnissen könnt Ihr ganz einfach über eine Googlesuche Therapeut:innen in Eurer Umgebung finden, die bilingual, PoC, spezialisiert auf Rassismus und/oder Diskriminierung sind. Alle diese „Besonderheiten“ können Therapeut:innen selber angeben.

Die nachfolgenden Seiten eignen sich besonders gut für eine konkrete Suche:

https://www.therapie.de/therapeutensuche/

https://www.psychotherapiesuche.de/pid/search

https://www.antidiskriminierung.org/beratungsstelle-finden

Die Telefonseelsorge verfügt ebenfalls über Listen mit PoC Therapeut:innen. Dort könnt ihr telefonisch um Rat und Informationen bitten.

Beratungsstellen:

Möglicherweise ist es für den einen oder anderen leichter, sich zunächst an eine Beratungsstelle zu wenden. Dafür eignet sich besonders gut der VBRG (Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt e.V). Über deren Website könnt Ihr Beratungsstellen in eurem Bundesland finden. Die Angebote sind alle kostenlos, mehrsprachig und vertraulich. Betroffene finden dort Unterstützung hinsichtlich emotionaler Verarbeitung, aber auch finanzielle Unterstützung (Therapie ist leider teuer) und Hilfe zum weiteren Vorgehen (juristische Möglichkeiten, ärztliche Angebote, Begleitung zur Polizei etc.) 
Dazu die Website: https://verband-brg.de/beratung/

Bochumer:innen können sich gerne an die PLANB Ruhr e.V wenden. Schwerpunkt dieser Beratungsstelle ist Interkulturelle Kinder- und Jugendhilfe. Auch diese Beratungsstelle ist mehrsprachig. https://www.planb-ruhr.de/index.php/offene-angebote

In Dortmund findet Ihr die vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft geförderte Opferberatung „BackUp-Beratung für Opfer rechtsextremer und rassitischer Gewalt“. Bei BackUp gibt es nicht nur Beratung, sondern regelmäßig auch Lehrveranstaltungen, wie Podiumsdiskussionen. Ebenfalls eine mehrsprachige Beratung, die kostenlos ist. https://backup-nrw.org/unterstuetzen/

Außerdem könnt Ihr Euch bei Blackinmedicine.de schlau machen. Das ist ein Netzwerk Schwarzer Mediziner:innen, die für eine bessere Gesundheitsversorgung kämpfen. Regelmäßig könnt Ihr an Veranstaltungen teilnehmen oder auch online die Aufklärungsarbeit genießen.

Selbsthilfe:

Vielen Betroffenen fällt es schwer, zur Therapie zu gehen, weil sie sich noch nicht bereit fühlen – und das ist vollkommen in Ordnung! Ihr solltet immer versuchen, professionelle Hilfe zu suchen, wenn Ihr diese benötigt. Wer sich jedoch noch nicht bereit dafür fühlt und etwas mehr mit der Thematik beschäftigen möchte, kann das gerne über die nachfolgende Liter atur- und Podcast-Empfehlungen:

• Rassismuskritik und Widerstandsformen von Meral El & K arim Fereidooni

• Schwarze Weiblich*keiten Denise Bergold-Caldwell

• Afropod – Kompromisslos Schwarz

• Solidarität – Was können wir tun; #50 – Rassismus in der Psychotherapie (Spotify/deezer)

Bild: Psychotherapie: Siegmund Freud zeigt Daumen., Das System Therapie Bild: kiki

Psychologie. Lange Wartezeiten und doch genügend Plätze an kassenärztlichen Praxen in NRW. Es scheint große Diskrepanz zwischen der Realität und der sogenannten Bedarfsplanung kassenärztlicher Verbände zu geben.

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Bild: Mit Bunten Klötzchen gegen das Trauma: Forscher*innen entdecken die heilende Wirkung von Tetris. , mit Videospielklassiker gegen Traumata kämpfen Symbolbild

Psychologie. Posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS) können sehr einschränkend sein, vor allem Flashbacks sind ein Problem. Wie das Videospiel Tetris hier Abhilfe schaffen kann, haben Bochumer Forscher*innen herausgefunden.

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Bild: Tabletten statt Therapie: Auf psychologische Betreuung müssen Betroffene teilweise Monate warten – Pillen „helfen“ sofort. , PsychologInnen der RUB: Ohne Therapie keine Besserung Foto: ken

Medikamente sind keine dauerhafte und nachhaltige Lösung bei psychischen Erkrankungen. Zwei PsychologInnen der RUB fanden dies heraus, nachdem sie mehrere Studien untersucht hatten.

Antidepressiva oder Medikamente gegen das Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndrom (ADHS) wirken nur kurzfristig und mindern nur die Symptome der Erkrankung. Beim Absetzen der Tabletten kehren die Krankheitszeichen zurück. 

Eine langfristige Behandlungsmethode sehen die beiden PsychologInnen Prof. Jürgen Margraf und Prof. Silvia Schneider nur in Psychotherapien. Als Grund für die häufige Vergabe von pharmazeutischen Produkten geben sie die mangelnde Verfügbarkeit von Therapieplätzen an. Außerdem würde als Erklärung für die Erkrankung oftmals ein biologisches Problem angegeben. Eine Störung im Neurotransmittersystem sei Ursache für die psychischen Leiden. Die beiden RUB-ProfessorInnen fordern einen schnelleren Therapiezugang für Betroffene und einen weniger fokussierten Blick auf biologische Ursachen.

Lest dazu auch den passenden Kommentar

:Kendra Smielowski

Bild: Mit Pillen gepflastert: Der Weg zur Therapie Foto: ken

Psychopharmaka sind  keine nachhaltige Therapiemöglichkeit für psychisch Erkrankte.Eine  Erfahrung, die Betroffene schon seit Jahren in teilweise zahlreichen Selbstversuchen machen mussten. Eine ForscherInnengruppe an der RUB hat dies analysiert und nun empirisch belegen können. 

Symptome werden behandelt, die Ursachen aber dadurch nicht behoben. Ein bekanntes Phänomen. Teilweise tut man sich das auch selbst an. Nase zu, Augen schwer, der ganze Schädel fühlt sich an, als wäre er mit Blei gefüllt, aber zur Arbeit oder in die Uni muss man trotzdem. Einmal schnell Wick DayMed geschmissen und los geht’s. Und abends flaut die Wirkung ab. Haben wir nicht manchmal das Gefühl, dass es uns morgens aber nicht so schlecht ging?

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Bild: Psychisch kaputter Poet? Tatsächlich hatte Goethe lebenslang mit Depressionen und Ängsten zu kämpfen, die er allerdings erfolgreich selbst therapierte., Des Dichters Lebenskunst: Kommunikation, Konfrontation und Kreativität Kupferstich von 1791

Dichter, Politiker, Naturwissenschaftler – und zwar in allem einer der bedeutendsten seiner Zeit. Johann Wolfgang von Goethe war zweifelsohne ein vielseitiger Mensch. Doch auch er blieb nicht von Ängsten und seelischen Abgründen verschont. Wie seine autobiografischen Schriften und brieflichen Korrespondenzen zeigen, musste er sich sein ganzes Leben lang mit psychischen Problemen auseinandersetzen. Dies gelang ihm erstaunlich gut – ohne jegliches Fachwissen therapierte er sich nämlich selbst.

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Bild: Eines der tausend Symptome von MS: Die Lähmung. Foto: Jacq, Neue Hoffnung für MS-PatientInnen? Foto: Jacq

Prof. Dr. Ralf Gold, Direktor der Neurologischen Universitätsklinik am St. Josef-Hospital in Bochum, erreichte mit seiner europaweiten Zulassungsstudie zu einem neuen Medikament gegen Multiple Sklerose (MS) einen ersten Erfolg: Daclizumab, ein monoklonaler Antikörper, soll die Wahrscheinlichkeit eines MS-Schubes bei einem Patienten oder einer Patientin um 50 Prozent senken. 

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