Stell dir vor: Du wachst auf; und bist auf einem ungewollten LSD-Trip im in Schwarzlicht getauchten Gruselkabinett eines leerstehenden Vergnügungsparks umzingelt von PolizistInnen, die dich festnehmen. Klingt nach Good Time. Was der Titel verspricht, wirft der gleichnamige Film unter der Regie von Ben und Josh Safdie schonungslos über den Haufen. Im Prinzip ist die vermeintliche Good Time eine Härteprobe für jedeN KinobesucherIn: Über die Spiellänge wirkt es, als liege ein trüber Filter über dem Film, die Farben sind aggressiv leuchtend, trompetende Bässe und fiepende Sinustöne vertonen den Trip. 

Die Figuren sind keine AkteurInnen, sondern tragen ihr düster-determiniertes Schicksal aus. Alle wirken heruntergekommen und labern. Und warum ist der Film trotzdem genial? An den Kamerafahrten und technischen Feinheiten, den durchgehenden Close-Ups und einem in seiner Rolle schillernden Robert Pattinson erkennt man die wahre Größe von Good Time: eine qualvolle Hommage an die Qualitäten des Films als Medium – die herangezoomte Schönheit der einzelnen Figuren gegenüber ihrer willenlosen Auslieferung.           

:box

Bild: Premiere bei der Berlinale: "Der junge Karl Marx" setzt im Jahr 1843 an und erzählt die Geschichte der entstehenden Freundschaft von Marx und Engels., Filmrezension zu "Der junge Karl Marx" (2017) Filmplakat: Neue Visionen Filmverleih

Film: Konventioneller Kostümschinken: „Der junge Karl Marx“ mit August Diehl in der Hauptrolle zeigt die frühen Jahre des Revolutionärs als konservatives Biopic

weiterlesen
Bild: Teil des Kulturguts: 50 Jahre nach der Erstaufführung kehrt Marketa Lazarová zurück. , Tschechiens bester Film im endstation.kino Bild: BILDSTÖRUNG

Kino: Erstmals wurde am 11. Januar „Marketa Lazarová“ im endstation.kino im Rahmen der Filmreihe Déjà-Vu gezeigt. 

weiterlesen
Bild: Das Leben trotz Behinderungen meistern: Das zeigt auch der Film „Die Blindgänger“. , Bedingungslos – das inklusive Filmfestival im Haus der Begegnung und endstation.kino Fotos: mfa-Film

endstation.kino und das Haus der Begegnung zeigen vom 9. bis zum 14. November fünf Filme über die Lebensrealität von Menschen mit Behinderungen. Für die VeranstalterInnen war es allerdings schwierig, überhaupt barrierefreie Filme zu finden.

Der Einstieg ist für beide alles andere als einfach: Steffi und Paul sind neu in der Klasse. Steffi sitzt im Rollstuhl, Paul ist geistig behindert. Regisseur Marc-Andreas Bochert zeigt in „Inklusion – Gemeinsam Anders“, wie sich die beiden in der neuen Umgebung zurecht finden, wie das Verhältnis zu den MitschülerInnen ist oder wie die LehrerInnen mit dem gemeinsamen Unterricht umgehen. Der Dokumentarfilm läuft zur Eröffnung des fünftägigen inklusiven Filmfestivals „Bedingungslos“.

Bis zum 14. November zeigen das endstation.kino und das Haus der Begegnung auf der Leinwand Szenen, die die Lebensrealität der Betroffenen beleuchten sollen. Nach den Aufführungen wird es Gespräche mit DarstellerInnen sowie ExpertInnen geben.

So wird am Samstag die Hauptdarstellerin Ricarda Ramünke zu Gast sein, um über die Dreharbeiten zum Film „Die Blindgänger“ zu erzählen. In der Coming-of-Age-Story zieht es die 13-Jährige Marie, die blind ist, nach draußen, um Spaß zu haben und Menschen zu treffen.

Kaum barrierefreie Filme

Kuratiert wird das Filmfestival von Nina Selig vom endstation.kino und Thorsten Haag vom Haus der Begegnung. Dass es am Ende überhaupt fünf Streifen ins Programm geschafft haben, ist alles anderes als verständlich: „Es gibt unglaublich viele Filme über Behinderung, aber wenige, die barrierefrei sind“, erzählt Nina Selig. So fehlen entweder Untertitel oder Audiodeskriptionen. „Es ist fast unmöglich, Filme zu finden, die man gleichzeitig Menschen mit einer Seh- und Hörbehinderung zeigen kann.“

Auch der Zugang zu den Kinosälen wird komplett barrierefrei sein.

Alle Termine und das gesamte Programm findet Ihr unter: endstation-kino.de/bedigungslos.html

:Benjamin Trilling

Bild: Volksverhetzung im Rechtsrock: Filmfaktum deckt im Film Fatales auf. , „Blut muss fließen“: Antifaschistischer Regisseur im KuCaf Screenshot: kac; Quelle: Youtube

In „Blut muss fließen – Undercover unter Nazis“ hat Regisseur Peter Ohlendorf die Resultate eines verdeckten Journalisten, der sich in die Naziszene eingeschleust hat, zusammengefasst. Am 19. April stellte er seinen Film mit anschließendem Publikumsgespräch im KulturCafé  vor.

 
weiterlesen
Bild: In der Depression hat die Einsamkeit Konjunktur: So erlebt die Hauptfigur in Bastian Günthers Film „California City“ die Zeit nach dem Immobilien-Crash. , Ab 20. August im Kino: Das Endzeitdrama „California City“ Foto: Bastian Günther / INDI FILM

Lost in Capitalism: Bastian Günthers Endzeit-Elegie ist eine Dystopie des Immobilienbooms, die den Zusammenbruch des Systems als seelische Post-Apokalypse seines Helden inszeniert.

weiterlesen
Bild: Gesichter, die Medien selten zeigen: Der Film „Asyland“ porträtiert Geflüchtete als Menschen wie wir. , In Zeiten von Tröglitz, Pegida & Co.: Junge FilmemacherInnen setzen sich für Zufluchtsuchende ein Foto: COCKTAILfilms, Cagdas Yüksel

Neo-Nazis zünden Geflüchtetenheime an, im Mittelmeer kentern Schiffe voller Schutzsuchender – obwohl wir täglich von solchen Schreckensmeldungen umgeben sind, bleiben die Betroffenen meist gesichtslos. Eine Gruppe junger FilmemacherInnen will das ändern und Geflüchtete im Film „Asyland“  zu Wort kommen.

weiterlesen
Bild: Beengt im Elternhaus: Daheim ist es für Protagonistin Noa auch nicht wirklich besser. , Studentische Sinnkrise: Der Film „Anderswo“ im Kino Foto: J. Praus

Deutsch-Israelische Befindlichkeiten: Heimatlosigkeit und federleichte Sinnsuche einer Berliner Studentin in „Anderswo“, dem Regie-Debüt der israelischen Filmemacherin Ester Amrami.

Anderswo, das müsste sich auch die junge Israelin Noa (Neta Riskin) denken, ist es auch nicht besser. Zwar sitzt sie gemeinsam mit ihrer Familie beengt im Auto, aber ihr deutsch-stereotyper Freund wirkt wie ein Fremdkörper – und verteidigt sich dezent, als sein Name falsch ausgesprochen wird: „Mein Name ist Jörg, nicht Jorg.“ „Wo ist der Unterschied“, erwidert Noas Schwester. Die Antwort: „Es ist ein O mit Umlaut, mit zwei Punkten drauf. Wie: Ö!“ Mutter wie Schwester artikulieren munter und provokant: „Öööö, Ööööh …“ – deutsch-israelische Befremdlichkeiten, die später deutlicher zutage treten, wenn Noas Großmutter (die den Holocaust überlebte) im Sterben liegt. Vor allem zwischen Noa und ihrer Mutter: „Das Letzte, was Oma jetzt noch braucht, ist ein Deutscher an ihrem Bett.“

Leicht und absurd trotz aller Tragik

Zumindest sprachlich ist Noa Expertin für das Fremde: In Berlin sammelt die Studentin für ihre Abschlussarbeit unübersetzbare Wörter verschiedener Sprachen und befragt ExpertInnen (darunter der Schriftsteller Wladimir Kaminer mit einem Gastauftritt) dazu. Als sie erfährt, dass ihr Forschungsprojekt nicht weiter gefördert wird, schleppt sie sich mit ihrer Sinnkrise zu ihrer Familie nach Israel – ihr Freund reist überraschend nach. Doch auch in ihrer Heimat fühlt sie sich fremd.

Neben den amüsant-leicht präsentierten Kulturunterschieden öffnet Ester Amrami auch einen Blick für die Spannungen im Land: Militarismus, Nationalismus und Proteste auf den Straßen. Absurd scheint es, wenn sich die Ängste und Konflikte in den familiären Szenen widerspiegeln, etwa wenn Noas Vater seinen neuen Bombenkeller präsentiert: eine Besenkammer aus Beton. Amrami bewahrt trotz tragischer Momente durchgehend eine gewisse Leichtigkeit. Genauso heiter wie pointiert ist auch das Ende: Eins von Noas Videointerviews, ein unbekümmertes Lachen auf die Frage: „In welcher Sprache fühlst Du dich zuhause?“

:Benjamin Trilling

Läuft im Kino Sweet Sixteen, Dortmund

Bild: Gelebte Opel-Nostalgie: Hilmar erzählt von seinem eigenen Opel-Museum., Lange Opel-Nacht im Schauspielhaus: „Wir Kinder von Opel“ und Film-Feature Foto: bent

Heimat und Maloche: Die Arbeitsschichten werden allmählich ins Schauspielhaus verlegt: Denn mit dem Revue-Stück „Wir Kinder von Opel“ sowie den anschließenden Filmvorführungen „Ein Werk verschwindet“ und „Arbeit.Heimat.Opel“ lud man zur über dreistündigen Reflexionsarbeit darüber ein, was das Opel-Werk eigentlich für die Stadt bedeutet.

weiterlesen