Campus. Bestimmte Frauendarstellungen auf Plakaten von Fachschaftspartys oder Diskotheken werden von StudentInnen als sexistisch kritisiert. Ein Arbeitskreis der FSVK hat sich daher möglichen Leitlinien für die Werbung an der RUB gewidmet.
Sexistische Werbung war 2016 und 2017 häufiger ein Thema in den Medien, da es in Deutschland und Großbritannien verschiedene Vorstöße zu deren Verbot gab, so auch von Innenminister Heiko Maas. In der medialen Darstellung wurden diese feministisch-beeinflussten Initiativen zum Teil allerdings verzerrt dargestellt, als ginge es um ein von Prüderie motiviertes, pauschales Abbildungsverbot von leichtbekleideten oder nackten Frauen. Als sexistisch gelten entsprechende Frauenbilder tatsächlich jedoch erst dann, wenn sie beispielsweise die Frauen ohne sachlichen Bezug zum Produkt rein als sexualisierte Dekorationsobjekte gebrauchen.
Pornographische Assoziation
Auch auf dem RUB-Campus finden sich immer wieder Plakate, die in den Bereich der sexistischen Werbung oder zumindest einer umstrittenen Grauzone fallen. Zum einen sind dies Frauendarstellungen, die für Veranstaltungen in Diskos wie der Matrix werben. Zum anderen betrifft dies ein paar der Plakate, die für Fachschaftspartys werben. Insbesondere ein Motiv der „Get Reacted“-Party des FSR Chemie und Biochemie, welches die Schattenriss-Darstellung von Frauen zeigt, denen aus Reagenzgläsern Flüßigkeit in den Mund tropft (:bsz-Titelbild), hat sich dabei als Stein des Anstoßes erwiesen.
In der FachschaftsvertreterInnenkonferenz (FSVK) war Party-Werbung von Fachschaftsräten „schon des Öfteren“ Gegenstand der Kritik anderer Fachschaftsräte, wie die FSVK-SprecherInnen berichten. Schließlich kam bei einer FSVK-Sitzung die Idee für einen Arbeitskreis auf, der Leitlinien gegen sexistische und anderweitig diskriminierende Werbung erarbeiten sollte.
Der Arbeitskreis traf sich das erste Mal im August und wurde vor allem von VertreterInnen des FSR Chemie und Biochemie sowie des FSR Gender Studies besucht. Der Fokus der Gruppendiskussion lag bei mehreren Treffen auf besagtem Plakat mit den Reagenzgläsern, das von KritikerInnen als pornographische Cumshot-Anspielung interpretiert worden war, während die ChemikerInnen von dieser geschilderten, von ihnen unbeabsichtigten Assoziation überrascht waren. Sie hätten dieses Element des Plakatdesigns lediglich wegen dem bei der Party praktizierten Alkoholtrinken aus Reagenzgläsern gewählt sowie im Zuge ihres Gesamtkonzepts des optischen Anspielens an chemische Gefahrensymbole. Daniel Eggerichs erklärt im Nachhinein für den FSR der ChemikerInnen: „Zu den Missverständnissen zur Symbolik von gewissen Plakaten sehen wir manche Dinge inzwischen klarer und uns wurden Perspektiven aufgezeigt, die wir zuvor nicht betrachtet hatten.“
Rape Culture
Doch auch nach der Klärung der Missverständnisse ging die Diskussion zum Plakat weiter, vor allem wegen der Frauensilhouette an sich, welche Jan Nastke vom FSR Gender Studies als charakteristische Darstellung einer Stripperin analysierte – und dementsprechend als für eine Party unpassendes Suggerieren sexueller weiblicher Verfügbarkeit. Jan war es in diesem Zusammenhang zudem ein Anliegen, den Begriff Rape Culture in den Arbeitskreis einzuführen, da solche Objektifizierung weiblicher Körper eben auch das System der Rape Culture reproduziere. Es bestehe hier ein Zusammenhang zwischen der Frauen objektifizierenden Bewerbung einer Feier und einer möglichen Objektifizierung von Besucherinnen, deren Nein dann von männlicher Seite in sexuell-übergriffigem Verhalten ignoriert werde.
Dieser Bogen erschien für die VertreterInnen des FSR Chemie und Biochemie jedoch offenkundig als zu weit gespannt, zu abstrakt und für die Ziele des Arbeitskreises nicht dienlich. Daniel beschreibt, dass die langen Debatten um komplexe gesellschaftliche Theorien bei seinen KollegInnen zeitweilig zu Frustration über den langsamen Fortschritt bei der Findung der Werbe-Leitlinien geführt hätten. Für manche Mitglieder seines FSR hätte diese ausführliche Auseinandersetzung mit fundamental unterschiedlichen Sichtweisen andererseits jedoch „in gewisser Hinsicht zur menschlichen Entwicklung“ beigetragen.
Umgekehrt empfand auch Vivian Sper vom FSR Gender Studies die Debatten mitunter als frustrierend – doch zugleich als persönlichen Lernprozess: „Mir wurde klar, dass gewisse Dinge, die mir selbstverständlich sind, für andere völlig fremd, unverständlich oder gar absurd sind. Sexismus, Rape Culture, die Bedeutung von Medien wie Werbung und die allgegenwärtige, pornographische Darstellung von Frauen sind für mich als Gender Studies Studierende nicht nur Forschungsgegenstände, sondern die (konstruierte!) Realität, in der ich lebe.“ Die unterschiedlichen Perspektiven auf solche Themen sollten jedoch nicht zum Gesprächsabbruch führen, denn nur durch Offenheit und Wissensaustausch könne eine geistige Annäherung gelingen.
Was lange währt …
In den insgesamt fünf Treffen bis Mitte Oktober wurde – nach viel zäher Diskussion – schließlich gemeinsam ein Entwurf für Werbe-Leitlinien entwickelt. Dieser orientiert sich sowohl an denen des Deutschen Werberates, als auch an den weitergehenden Ausführungen des Vereins Pinkstinks, der sich seit Jahren besonders gegen sexistische Werbung engagiert. Die Leitlinien werden in der FSVK zur Diskussion und Abstimmung stehen. Zuvor wird es als Informationsgrundlage zu Sexismus in der Werbung jedoch einen Vortrag der feministischen Publizistin Anna Schiff geben, als öffentliche Veranstaltung am 24. Oktober um 16 Uhr im AZ.
Im Nachhinein blicken alle TeilnehmerInnen des Arbeitskreises zufrieden auf das von ihnen Erarbeitete – und optimistisch auf dessen Rezeption in der FSVK. Die FSVK-SprecherInnen hoffen, dass bereits die Vorstellung der Leitlinien bei allen Fachschaftsräten zu einer Sensibilisierung für sexistische und diskriminierende Werbung führe, auf die in unserer Gesellschaft viel zu oft mit abgestumpfter Gleichgültigkeit reagiert werde. Und über die RUB hinaus sei bei solch einem Thema stets auch die Gesellschaftsebene zu betrachten: „Wenn man einen kleinen Impuls gibt, sei es auch zuerst nur auf dem Campus und andere Menschen dann auch sehen, dass das nicht gut ist, kann es irgendwann durchaus einen Umdenkprozess innerhalb der Gesellschaft geben.“
:Gastautor Patrick Henkelmann
0 comments