Kommentar. Die langjährige Debatte um Sexarbeit gipfelt nun im vielumstrittenen Prostituiertenschutzgesetz (ProstSchG). Jedoch handelt es sich hierbei um eine Überwachungs- und Repressionsstrategie, die nicht schützt, sondern gefährdet.
Mit Inkrafttreten des Prostitutionsgesetzes (ProstG) am 1. Januar 2002 wurde Sexarbeit von der Sittenwidrigkeit befreit und als Arbeit anerkannt. Parallel dazu entwickelte sich ein bundesweites Netzwerk von ProstitutionsgegnerInnen und konservativen FeministInnen, die Sexarbeit generell als Gewalt an Frauen* definieren und ein pauschalisierendes Verbot fordern. Während der gesellschaftliche Stellenwert durchaus diskutabel ist, bleibt der wirtschaftliche Aspekt außer Frage: Niemand hat das Recht, SexarbeiterInnen die Sicherung ihrer Lebensgrundlage zu entziehen.
Federführend in der öffentlichen Diskussion war nicht zuletzt Steinzeit-Feministin Alice Schwarzer, die die Bezeichnung „White Slavery“ auf gegenwärtige Prostitution in Deutschland übertrug. Ohne hier den cultural-appropriation-Zeigefinger zu erheben, verknüpfte dieser Vergleich außerdem prostitutions- und migrationsfeindliche Positionen, die letztlich in ein Gesetz münden, das sich George Orwell oder Juli Zeh nicht repressiver vorstellen könnten.
Der durchsichtige Mensch
Während die Auflage, sich bei einer örtlichen Behörde melden zu müssen, durch die Kampagne „Gib Repression keine Chance!“ umgangen werden soll, reagiert die Bundesregierung prompt. Der vorgelegte Entwurf einer „Anmelde-Verordnung“ (oder auch Zwangsouting) verlautet: „Die Bescheinigung kann nicht so gestaltet werden, dass alle Länder und alle Kommunen in die Bescheinigung aufgenommen werden können.“ Der geplante Hurenpass soll so maximal 480 Zeichen Platz bieten, um Angaben zu Tätigkeitsorten festzuhalten. Gemäß §27 Abs. 2 ProstSchG dürfen BetreiberInnen eines Prostitutionsgewerbes SexarbeiterInnen ohne entsprechenden Orts-Eintrag nicht bei sich arbeiten lassen. Das hat zur Folge, dass Mobilität und Berufsfreiheit massiv eingegrenzt und zahlreiche SexarbeiterInnen in die Illegalität gedrängt werden.
Übrigens: Zuletzt wurde eine staatlich betriebene Zwangsregistrierung von SexarbeiterInnen in Deutschland von Reichsinnenminister Frick veranlasst. Diese trat am 9. September 1939 mit der Unterschrift von SS-Obergruppenführer Reinhard Heydrich in Kraft.
Mehr Druck, mehr Zwang
Weiterhin müssen alle bordellartigen Betriebe – auch kleine Wohnungen mit nur zwei SexarbeiterInnen – die gleichen baulichen und organisatorischen Auflagen erfüllen. Diese Richtlinie zwingt Kleinbetriebe in den finanziellen Ruin und sichert die Monopolstellung von Großbordellen. Könnte ein FDP-Vorschlag gewesen sein.
Nicht zuletzt darf die Polizei im Rahmen des ProstSchG ohne Anlass (oder Ankündigung) Prostitutionsstätten kontrollieren. Damit wird das Grundrecht auf die Unverletzlichkeit der Wohnung – insbesondere für Privatwohnungen, in denen angeschafft wird – aufgehoben.
Man muss keinE VerfechterIn von Sexarbeit sein, um einzusehen, dass hier nicht nur Arbeits- sondern auch Grundrechte abgesprochen werden. Daher: Zeigt Solidarität mit SexarbeiterInnen und unterstützt Kampagnen und Initiativen – einklagbare Rechte statt eingeschränkter Grundrechte!
:Marcus Boxler
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