Ein insgesamt positives Fazit zieht der Bahnhof Langendreer nach der Aktionskonferenz Welcome to Stay. Am vergangenen Samstag kamen dort rund 100 Aktive aus der Flüchtlingshilfe sowie Geflüchtete zusammen. „Es hat viele positive Rückmeldungen gegeben“, so Kristin Schwierz vom Bahnhof. Es seien viele neue Kontakte entstanden, aus denen hoffentlich auch über die Konferenz hinaus etwas entstehe. Doch beim Erfahrungsaustausch offenbarten sich auch deutlich unterschiedliche Perspektiven.
Die Fähigkeit, schnell und flexibel zu reagieren und da einzuspringen, wo Hilfe benötigt wird, demonstrieren die KonferenzteilnehmerInnen gleich zu Beginn: Für einen ausgefallenen Arabisch-Übersetzer fand sich spontan Ersatz. Auch für die Geflüchteten, die eine Übersetzung auf Albanisch und Kurdisch benötigten, meldeten sich zwei weitere Freiwillige als Laien-DolmetscherInnen.
Flüchtlingsarbeit literarisch verpackt
Leider eignete sich gerade der erste Vortrag, eine literarische Lesung, schlecht zur Übersetzung. Das sorgte teils für etwas Unverständnis und Enttäuschung. Zur Übersetzung für die Geflüchteten fasste Marina Naprushkina die vorgetragenen Passagen aus ihrem Buch „Neue Heimat? Wie Flüchtlinge uns zu besseren Nachbarn machen“ erneut zusammen. Sie erzählte dann von ihrem Netzwerk Neue Nachbarschaft Moabit, von Sprachkursen, Problemen mit Heimträgern und Behörden sowie vom gemeinsamen Essen mit neuen und alten NachbarInnen in der „Integrationsküche“; auch die harte Realität von Abschiebungen gehörte dazu, die sich manchmal nur durch ein rettendes Telefonat abwenden ließen.
In diesen Schilderungen fanden sich viele in der Flüchtlingsarbeit Aktive wieder; die These von den besseren Nachbarn erntete Zustimmung. „Wir Bochumer Bürger profitieren davon“, sagte etwa Bernd Vössing vom Netzwerk Wohlfahrtstraße in einer Wortmeldung: „Es wird viel wieder aktiviert an politischem Engagement. Es lebt wieder auf.“
Die Manöverkritik und Optimierung der eigenen Unterstützungsarbeit standen auch in dem am stärksten besuchten Workshop im Zentrum, wobei sich erneut der Gegensatz zwischen den Interessen der Geflüchteten und AktivistInnen auftat.
„Residenzpflicht? Ha!“
Workshops zu Flüchtlingsrechten, menschenwürdiger Unterbringung oder Möglichkeiten der Selbstorganisation waren da für die Geflüchteten praxisnäher. Viel Zuspruch gab es ihrerseits auch für Musa Bala Darboe von Jugendliche ohne Grenzen, dessen eigene Erfahrung – er kam als unbegleiteter Minderjähriger aus Gambia nach Deutschland – seinen Vortrag sehr authentisch machte. „Wir sind Asylanten, wir sind Menschen, wir können für uns selbst sprechen“, stellte er fest und verwies auf das Wissen und die Erfahrung, welche nur die Geflüchteten selbst hätten: „Wir brauchen keine Stellvertreter-Politik.“
Die Widersprüche deutscher Asylpolitik brachte Musa Bala Darboe prägnant auf den Punkt: „Residenzpflicht? Ha! Das ist gegen Bewegungsfreiheit!“ Mit Humor und einer Prise Zynismus fasste er zusammen, was es für Geflüchtete bedeutet, perspektivlos und untätig in Heimen „chillen“ zu müssen. „Ihr Flüchtlinge, Ihr sitzt nur zuhause, traumatisiert Euch, denkt an Eure Probleme und tut nichts. Schade!“, sagte er anklagend, prangerte damit jedoch nicht das Nichtstun der Geflüchteten an, sondern die Gesetze, die sie dazu verdammen. Deutschland entgingen so die Potenziale, die die Geflüchteten zu bieten hätten, sagte er: „Das ist schade.“
:Johannes Opfermann
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