Bild: Das eigenwillige lesbische Jahrbuch für 2014 Foto: konkursbuch Verlag

Bereits seit 1998 erscheint die interessante Buchreihe „Mein lesbisches Auge“. Diese bietet – seit 2007 im jährlichen Rhythmus – eine Sammlung von sehr verschiedenartigen Texten und Bildern, die sich mit lesbischen Frauen und ihren Beziehungen sowie mit ihrer Sexualität und gesellschaftlichen Situation auseinandersetzen. Dabei überwiegen zwar Beiträge romantischer oder erotischer Art, doch geht es inhaltlich in gesellschaftskritischer Stoßrichtung bewusst darüber hinaus. Ein ungewöhnliches Werk, dessen Lektüre und Betrachtung nicht nur für Lesben lohnt.

Der verantwortliche „konkursbuch Verlag“ von Claudia Gehrke – welcher 1978 aus einem literarischen Salon von Studierenden entstand – widmet sich ambitioniert dem Brückenbau zwischen Kulturen und zwischen sexuellen Orientierungen. Der Themenschwerpunkt des Verlagsprogramms liegt neben Werken mit Bezug zu Japan, Korea und den Kanarischen Inseln hauptsächlich im Bereich der anspruchsvollen und ausgefallenen Erotik. Dazu gehören die bekanntere ‚allgemeine‘ erotische Jahrbuch-Reihe „Mein heimliches Auge“; sowie eben die speziell homosexuellen Pendants „Mein schwules Auge“ und „Mein lesbisches Auge“.

Herausgegeben wird die lesbische Reihe von der vielseitig engagierten sex-positiven Feministin Laura Méritt, welche sich in Bezug auf die Hurenbewegung und die feministische Pornographie besonders verdient gemacht hat. Sowohl Méritt als auch die Verlegerin Gehrke sitzen in der Jury, die in Berlin zweijährlich (zuletzt 2013) den „PorYes“-Pornofilmpreis vergibt. Und so finden sich im Jahrbuch für 2014 auch gleich mehrere diesbezügliche Texte. Darunter ist die lesenswerte Laudatio für die Künstlerin Cléo Uebelmann, die im vergangenen Jahr für ihren legendären lesbischen BDSM-Kunstfilm „Mano Destra“ (von 1985) mit dem PorYes-Award ausgezeichnet worden ist.

Informationen und Unterhaltung

Bei den nicht-belletristischen Texten fallen zwei gesellschaftskritische Essays positiv auf: Zum einen die persönliche Auseinandersetzung mit der Frage: „Ist Psychoanalyse etwas Gutes für uns FrauenLesben?“ Dort werden verbreitete Irrtümer über Sigmund Freud und die Psychoanalyse aufgezeigt, ebenso wie Fehlentwicklungen in diesem Bereich. Als zweites ein Text über das gesellschaftliche Problem des Klassismus (Vorurteile oder Diskriminierung wegen jemandes sozialer Herkunft), über die lesbisch-feministische Herkunft dieses Begriffs sowie über klassistische Denkweisen bei Lesben.

Was die belletristischen Texte betrifft – welche überwiegend von Liebe, Romantik oder Erotik handeln – so werden sie naturgemäß manche Gemüter stark ansprechen und andere überhaupt nicht. Aus Sicht des Rezensenten reicht das Spektrum der abwechslungsreichen Geschichten von eher mäßigen bis hin zu sehr gut geschriebenen. Die beiden klaren Höhepunkte bilden eine sehr erotische Geschichte, die von einer Vampirin und ihrer Discobekanntschaft handelt, sowie eine völlig asexuelle Geschichte, die auf verstörende Weise einen tragischen Rachefeldzug und das ihm vorausgegangene Unglück schildert.

Eine vielfältige Komposition

Zu den weiteren Inhalten des Jahrbuchs gehören acht anonyme Interviews mit lesbischen Frauen, in welchen diese über ihre Beziehungen und ihr Leben sprechen, was interessante Einblicke gewährt und Stereotype infrage stellt. Außerdem beinhaltet das Buch neben all den Texten noch reichlich Bilder ­– vor allem Aktfotografien, aber auch andere Fotos sowie verschiedenste Kunstwerke. Bei der Bewertung dieser Bilder wird es jedoch erst recht auf den persönlichen Geschmack ankommen, im Künstlerischen wie im Erotischen. Auf jeden Fall finden sich bei den Fotografien viele sehr ästhetische Darstellungen von Frauen – von denen einige dem Rezensenten in besonderem Maße zusagen.

Alles in allem ist „Mein lesbisches Auge 14“ für offen eingestellte Nicht-Lesben eine gute Gelegenheit, die heteronormative Gesellschaft mal aus einer anderen Perspektive zu betrachten und bietet in jedem Fall geistig bereichernde Texte. In welchem Maße das Buch darüber hinaus Vergnügen bereitet, hängt dagegen erheblich von den jeweiligen Vorlieben ab. Lesbische Frauen werden damit im Durchschnitt mehr anfangen können – doch auch bei ihnen gehen die Meinungen zu dieser Buchreihe weit auseinander.

:Gastautor Patrick Henkelmann

 

:bsz-Buchinfo

Laura Méritt (Hrsg.):
„Mein lesbisches Auge 14. Das lesbische Jahrbuch der Erotik 2014“
konkursbuch Verlag
256 Seiten, 15,50 Euro

 

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