Bild: Das Rotlichtviertel in Frankfurt am Main bei Nacht., Kommentar: Die Liberalisierung der Prostitution hat nicht geschadet Wikimedia / Arne Hückelheim (CC BY-SA 3.0 DE)
Das 2002 in Kraft getretene Prostitutionsgesetz (ProstG) hat die Prostitution in Deutschland liberalisiert und war ein richtiger – wenn auch zu kleiner und vor allem symbolischer – Schritt zur beruflichen Anerkennung der SexarbeiterInnen. KritikerInnen des Gesetzes – allen voran Alice Schwarzer – behaupten jedoch immer wieder, die mit dem ProstG verbundene Liberalisierung habe die Situation der Prostituierten nicht verbessert, sondern verschlechtert und das Gesetz habe nicht den Prostituierten, sondern nur den Bordellbetreibern, Zuhältern und Menschenhändlern genutzt. Durch das ProstG hätten Zwangsprostitution und Menschenhandel in Deutschland zugenommen. Solche Behauptungen werden von den Medien größtenteils unkritisch übernommen und oft reißerisch präsentiert. Die schwarz-gelbe Bundesregierung plant mit Verweis auf diese angeblichen negativen Folgen des ProstG noch in der laufenden Legislaturperiode eine Verschärfung desselben. Beweise oder auch nur tatsächliche Hinweise für eine solche negative Entwicklung infolge des ProstG gibt es jedoch nicht.

Im Gegenteil: so hat nach einer Statistik des Bundeskriminalamtes (BKA) die Zahl der mutmaßlichen Opfer des Menschenhandels im Prostitutionsgewerbe seit Inkrafttreten des Prostitutionsgesetzes deutlich abgenommen. Zudem hat sich nach Statistiken des BKA und des Statistischen Bundesamtes die Zahl der wegen Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung (§ 232 StGB), Ausbeutung von Prostituierten (§ 180a StGB) und Zuhälterei (§ 181a StGB) Tatverdächtigen und die Zahl der wegen dieser Straftaten verurteilten TäterInnen seither verringert. Das Bundesinnenministerium hat diese Entwicklungen in seiner Antwort auf eine Kleine Anfrage der grünen Bundestagsfraktion vom 06. Februar vor kurzem bestätigt. In Anbetracht der Zunahme der polizeilichen Aktivitäten und der ausufernden Razzien im Prostitutionsgewerbe während des gleichen Zeitraums ist somit die Behauptung widerlegt, die Liberalisierung der Prostitution habe zu mehr Zwangsprostitution und Menschenhandel geführt. Denn auch für die zweifelsfrei vorhandene Dunkelziffer gibt es bei so viel polizeilicher Kontrolle eine Obergrenze.

Noch mehr Kontrolle

Die im Frankfurter Rotlichtmilieu ansässige Prostituiertenorganisation Doña Carmen e.V. hat basierend auf Aussagen der Polizei errechnet, dass die Polizei in Deutschland zusätzlich zu ihren Razzien jedes Jahr etwa 11.500 Routinekontrollen von Prostitutionsstätten vornimmt und dabei etwa 44.000 Prostituierte kontrolliert. Die Gesamtzahl der Prostituierten hierzulande wird von der Organisation realistisch auf unter 200.000 geschätzt (andere Schätzungen nehmen etwa 400.000 Prostituierte an). Doña Carmen e.V. folgert: „Angesichts dessen ein großes, noch unentdecktes ‚Dunkelfeld‘ anzunehmen, ist schlicht Rosstäuscherei.“ Beim BKA und den Innenministerien besteht trotzdem schon seit langem der Wunsch nach weitergehenden Überwachungs- und Kontrollmöglichkeiten im Prostitutionsgewerbe; nach der Berechtigung für die Polizei, ohne richterliche Durchsuchungsbeschlüsse jederzeit anlassunabhängige Kontrollen von Prostitutionsstätten durchführen zu können. Ein Hintergrund hiervon ist auch, dass die Polizei seit den EU-Erweiterungen seltener Durchsuchungsbeschlüsse erhält, da ProstitutionsmigrantInnen aus den entsprechenden Ländern hierzulande seither nicht länger illegal arbeiten.
Der Polizei solch eine umfangreiche Kontrollberechtigung zu verschaffen, ist einer der Hauptgründe, warum die geplante Verschärfung des Prostitutionsgesetzes eine Erlaubnispflicht für Prostitutionsstätten beinhaltet. Die Erlaubnispflicht würde es nämlich ermöglichen, die in § 29 der Gewerbeordnung (GewO) geregelte und unter anderem für erlaubnispflichtige Gewerbe vorgesehene „Auskunft und Nachschau“ anzuwenden. Die nun einer Erlaubnis bedürfenden Prostitutionsstätten könnten dann ohne richterlichen Durchsuchungsbeschluss kontrolliert werden. Diese Absicht wird darin deutlich, dass geplant ist, die „Auskunft und Nachschau“ nicht wie in der GewO geregelt von der eigentlich zuständigen Gewerbeaufsicht, sondern von „Polizei- und Ordnungsbehörden“ ausführen zu lassen. Das Gewerberecht soll somit instrumentalisiert werden, um die Befugnisse der Polizei in einem bedenklichen Maße zu erweitern.

Willkür droht

Eine Erlaubnispflicht für Prostitutionsstätten würde zudem neben den Sperrgebietsverordnungen und dem Baurecht ein weiteres behördliches Mittel zur Verdrängung der Prostitution darstellen. Unerwünschten Prostitutionsstätten könnte wegen angeblicher „Unzuverlässigkeit“ der BetreiberInnen – beispielsweise wegen bestimmter Vorstrafen oder gehäufter Ordnungswidrigkeiten – oder wegen ihres „Betriebskonzepts“ die Erlaubnis versagt oder entzogen werden, was bei bereits existierenden Prostitutionsstätten die Schließung zur Folge hätte und die dort tätigen Prostituierten ihren Arbeitsplatz kosten würde. Doña Carmen e.V. weist darauf hin, dass eine solche „Unzuverlässigkeit“ nicht ausschließlich an dem Verhalten der BetreiberInnen selbst, sondern auch an dem Verhalten der in ihren Etablissements arbeitenden Prostituierten festgemacht werden könnte: „Die Grauzone wäre perfekt und die ebenso willkürliche Ahndung läge ganz in den Händen einer mit jederzeitigem Zutrittsrecht ausgestatteten Polizei.“
Alles in allem ist eine Erlaubnispflicht für Prostitutionsstätten nicht nur unnötig, sondern wäre unter den gegebenen rechtlichen und gesellschaftlichen Bedingungen sogar nachteilig und potentiell schädlich für die Prostituierten. Denn solange die rechtliche Sonderbehandlung der Prostitution fortbesteht und die volle berufliche und gesellschaftliche Anerkennung der Sexarbeit noch nicht erreicht ist, wäre eine Konzession für eine Prostitutionsstätte eben nicht mit einer Gaststättenkonzession vergleichbar. Dementsprechend sind sowohl die geplante Erlaubnispflicht wie auch andere im Zuge der Verschärfung des Prostitutionsgesetzes geplante Bevormundungen im Interesse der Prostituierten entschieden abzulehnen und politisch zu bekämpfen. Als ersten Schritt gilt es dabei Aufklärungsarbeit zu leisten und das medial verzerrte Bild der Prostitution gerader zu rücken.

Patrick Henkelmann

 

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