Rezension. ELEX polarisiert. Einerseits begeistert KritikerInnen die hohe Immersion, andererseits kritisieren sie die Animationen und das fummelige Kampfsystem. Aber hebt gerade das ELEX nicht von anderen Spielen ab?
Rezension. ELEX polarisiert. Einerseits begeistert KritikerInnen die hohe Immersion, andererseits kritisieren sie die Animationen und das fummelige Kampfsystem. Aber hebt gerade das ELEX nicht von anderen Spielen ab?
Giftmüll, Staub, Elektroschrott und Schnabeltiere: Zugegeben, die Welt von „Deponia“ ist alles andere als einladend. Aber es ist eine der charmantesten (wenn man Derbheit und Schmutzigkeit Charme abgewinnen kann) und lebendigsten Spielewelten, die in den letzten Jahren die Computerbildschirme erobert haben. Das Hamburger EntwicklerInnenstudio Daedalic Entertainment hat mit den nunmehr vier Point&Click-Adventures RätselfreundInnen zum Lachen und Menschen mit Sinn für Humor zum Grübeln gebracht. Die Schnittmenge dieser beiden Bevölkerungsgruppen mit einer dritten, der der RollenspielerInnen, dürfte nicht gering sein. Beste Voraussetzungen für ein Spin-Off der besonderen Art, eins, das „Deponia“ gerecht wird: „Deponia – Das Rollenspiel“.
In einem fernen Sternencluster kämpfen die Nachkommen der einstigen menschlichen SiedlerInnen und VertreterInnen fremder Spezies ums Überleben, und das alles unter den Argusaugen einer allmächtigen künstlichen Intelligenz namens MUTTER. Das Rollenspiel „ULTIMA RATIO – Im Schatten von MUTTER“ beschreibt ein dystopisches Zukunftssetting, das zwar hier und da Ähnlichkeiten mit anderen RPGs aufweist, aber ohne großen Regelballast und Würfelorgien auskommt und einen stärkeren Fokus aufs Erzählerische legt.
Ob als Weltraum-SchurkInnen illegale Waren zu schmuggeln, in den Reihen des Widerstands gegen das totalitäre Regime der gottgleichen KI MUTTER zu kämpfen oder umgekehrt als deren finstere SchergInnen zu agieren – „ULTIMA RATIO“ lässt viele Charakterideen zu und gibt nicht eine bestimmte Spielweise vor.
„Man könnte auch eine Gruppe von Steuerfahndern spielen, nur sind das hier dann eine Spezialeinheit mit dicken Wummen“, wie Autor Nikolas Tsamourtzis mir erklärte, als ich das System auf der SPIEL in Essen kennenlernte. Es ist ein über mehrere Jahre hinweg von Nikolas Spielgruppe entwickeltes Regel- und Hintergrundwerk, aus dem schließlich die erste eigene Rollenspielveröffentlichung wurde. In den letzten zwei Jahren wurden bisher vier Regel- und Quellenhefte veröffentlicht – alles selbst und nicht vom Schwarm finanziert – herausgebracht, im zweiten Quartal 2016 folgt noch ein Band mit Erweiterungsregeln.
Das Setting hat Elemente aus Science Fiction und Cyberpunk – in den Trümmern des vom Bürgerkrieg verwüsteten Planeten Auda vielleicht auch aus dem Steampunk –, welche SpielerInnen aus Filmen und Serien, Romanen und auch anderen Rollenspielen wiedererkennen und sich so schnell hineinversetzen können. Das hochwertige Cover-Artwork und die Illustrationen helfen ebenfalls dabei, sich die BewohnerInnen des Lukeanischen Reichs und der anderen Staaten im Themis-Rho-Cluster vorzustellen. Da wären zum Beispiel die telepathischen Alrhoone, die blauhäutigen Anamarianer oder die Insektenspezies der Riszxlik zu nennen.
So schwer auszusprechen Namen wie der letztgenannter Spezies sein mögen, so vertraut klingen die durchweg in deutsch gehaltenen Bezeichnungen und Abkürzungen, die viele Dinge in „ULTIMA RATIO“ tragen. Zwar bleibt es offen, ob und wofür eigentlich MUTTER ein Akronym ist, doch die Bevölkerung wird von ihr mittels des implantierten Kredit-Identifikations-Nano-Datenspeichers überwacht; ergo werden sie KINDer genannt. Ein weiteres Highlight in Sachen Akronyme bildet wohl die Sondereinheit PALADIN (Permanent Aktive Loyale Agenten des internen Nachrichtendienstes). Wer so etwas albern findet, sollte vielleicht mal den USA PATRIOT ACT googeln. Meiner Meinung nach nimmt es die bürokratische Abkürzungs- und Sprachregelungswut nicht nur totalitärer Hierarchien gekonnt auf die Schippe.
Solche Details setzen sich fest und machen für mich den Charme dieses Systems aus, das sich an anderer Stelle nicht scheut, in seinem Universum viele weiße Flecken zu lassen. Auf der einen Seite Beschreibungen auf das Notwendige beschränken und zugleich die Fantasie anzuregen, und nur an einzelnen Stellen ins Detail zu gehen, gelingt bis auf wenige Ausnahmen gut. Das Kastensystem im Band „Das Lukeanische Reich“ wäre sicher mit weniger Abstufungen ausgekommen als das griechische Alphabet Buchstaben hat. Umgekehrt hätte das „Raumerhandbuch“ noch einige Schiffstypen mehr aufführen können.
Letztlich zeigt sich darin ein Mut zur Lücke, welche die SpielerInnen mit ihren eigenen Erzählungen füllen sollen. Das Basisregelwerk beschreibt „ULTIMA RATIO“ selbst als ein Erzählspiel, wohl auch um es von stark regellastigen Systemen abzugrenzen, deren Regel- und Hintergrundbände Brockhaus-Ausmaße annehmen. Nicht so hier, alle vier bisher erschienen Bände sind je zwischen 40 und 52 Seiten stark, auch Dank des Verzichts auf für RPG-Neulinge abschreckenden Regelwust. Zwar gibt es auch hier hinter allem ein Regelsystem, doch dieses ist schlank und überschaubar gehalten Gleiches gilt für die Ausrüstungslisten, deren Knappheit auch als Einladung verstanden werden kann, Fehlendes dazu zu erfinden, was auch für „ULTIMA RATIO“ insgesamt gilt. Der/die SpielleiterIn wird bewusst als ErzählerIn bezeichnet, um deutlich zu machen, dass die Fantasie im Vordergrund steht. Was die SpielerInnen gemeinsam mit dem/der ErzählerIn erleben, wird schematisch als Szenen, Akte und Kapitel bezeichnet, was den Story-Aspekt zusätzlich betont.
Wenn doch einmal Würfel zum Einsatz kommen, sind es die in anderen Systemen eher selten benutzten Tetraeder-Würfel oder W4. Auch hier ist Kreativität gefragt, denn auf die Fertigkeiten (z.B. Schusswaffen, Einschüchtern, Elektronik) oder Attribute (z.B. Intelligenz oder Stärke) können nicht nur einzeln Proben abgelegt werden, sondern diese auch je nach Situation unterschiedlich kombiniert werden, um eine Herausforderung zu meistern.
:Johannes Opfermann
„ULTIMA RATIO – Im Schatten von MUTTER“
Basisregelwerk
Heinrich Tüffers Verlag, 40 Seiten
12,95 Euro
Mehr unter www.ultima-ratio-rpg.de
Ob lovecraftscher Horror, viktorianisch angehauchter Steampunk und dystopischer Cyberpunk oder doch die Klassiker Fantasy und Science Fiction – Rollenspiele gibt es in unzähligen Varianten. Dank des Internets gibt es immer mehr von ihnen, weil auch kleine Projekte per Schwarmfinanzierung realisiert werden können. Und immer mehr SpielerInnen entdecken durch das Vorbild gestreamter Spielrunden das Hobby für sich.
Dass Rollenspiel nicht immer etwas mit dem Rollen eines Würfels zu tun haben muss, beweist „Faith: The Sci Fi RPG“ (Role Playing Game). Statt Würfelpech gilt Kartenglück.
Wären die Internationalen Spieltage selbst ein Spiel, käme die diesjährige Edition – bereits Nummer 33 – in einer noch größeren Box daher als letztes Jahr, denn sie braucht ja Platz für ein gewachsenes Spielbrett, mehr Figuren, Würfel, Kärtchen und sonstiges Zubehör, damit auch die vielen zusätzlichen MitspielerInnen am Spaß teilhaben können. Alles natürlich liebevoll gestaltet, hochwertig produziert, aber eben auch mit entsprechendem Preisschildchen versehen. Das gilt im Großen und Ganzen auch für die über tausend Spieleneuheiten, die bis Sonntag in den Essener Messehallen vorgestellt werden. Die 910 AusstellerInnen aus 41 Nationen – mehr als je zuvor – und nicht zuletzt die erwarteten 160.000 Spielebegeisterten, die auf den Spieltagen zusammenkommen, machen diese zu einem Event der Superlative.
Chewbacca ist ein zwei Meter großer Wookie. Trotzdem lebt er auf dem Planeten Erde mit lauter kleinen Menschen. Ergibt keinen Sinn? Wenn in Köln Wookies auf Ents treffen, mittelalterliche Hellebardiere an der Endzeit teilhaben und Erzengel mit Piraten eine Zigarette rauchen, dann kann es dafür nur eine Erklärung geben: Europas größte Rollenspielmesse, die Role Play Convention, kurz RPC, hat wieder ihre Pforten geöffnet. Am 10. und am 11. Mai strömten über 40.000 Menschen in die Koelnmesse, um zu erleben, was es Neues in gleich Dutzenden von Welten gibt.