Der Weg zurück in die Freiheit führt durch Langendreer, jedenfalls für die Gefangenen der JVA Bochum-Langendreer, die hier im offenen Vollzug eine Ausbildung machen. Die Gefangenen Mo und Mr. Y teilen ihre Geschichte und erzählen von ihren Gefühlen im Gefängnis.
Mo sagt, er sei kein Verbrecher: „Ich kann keiner Fliege was tun. Ich hab was Falsches gemacht und jetzt muss ich dafür geradestehen.“ Mo ist Gefangener in der JVA Bochum-Langendreer. Neben Kleinkriminellen sitzen hier auch Sexualstraftäter und Mörder. Aber die Sonne scheint und im Hof zwitschern die Vögel, nichts erinnert an das typische angsteinflößende ‚Prison Break‘-Bild eines Gefängnisses.
Die JVA Langendreer ist besonders: Wer hier eine Ausbildung im offenen Vollzug machen will, muss sich bewerben. Das heißt, es besteht keine Fluchtgefahr und alle können das Gelände verlassen, wenn sie die Regeln befolgen.
Ohne seinen Aufenthalt in Langendreer hätte Mo keine Ausbildung gemacht: „Ich hab mir das immer gewünscht, hab‘s immer bereut, dass ich direkt angefangen habe zu jobben. Vielleicht war das Schicksal.“ Mittlerweile darf er fast jedes Wochenende seine Familie besuchen. Seiner kleinen Tochter und den Nachbarn sagt Mo, er sei auf Montage: „Man schämt sich schon.“
Andere Gefangene dürfen nur mit einem Beamten von ihren Angehörigen besucht werden. „Das geht auf Lasten der Familie und der Ehe, davor haben viele – glaube ich – Angst.“, erzählt Mo.
Ausweise und auch Handys müssen die Studierenden beim Hineingehen in ein Schleusenfach legen. Der Pressesprecher Alexander Auferkamp führt die Studierenden heute durch die Ausbildungsstätten der JVA. Er hat Spaß an seinem Job: „Man kommt morgens an und weiß nie, was einen erwartet.“
Los geht es in die Elektrowerkstatt. In einem Raum voller großer Fenster sitzen fünf Gefangene auf Drehstühlen an großen Schreibtischen. Die Tische sind voller Kabel, Schalter und Computer. Versteckt hinter einem Bildschirm sitzt auch Mo. Die Gefangenen tragen beigefarbene Hosen und einen tannengrünen Pullover, ihre Arbeitskleidung, und beachten die Besucher mal mehr, mal weniger.
Weiter geht es in einen kleinen Park voll mit Steinen und Erdhaufen, vorbei an Baggern und Gefangenen, die Schutt in Schubkarren durch die Gegend schieben, hinein in den Bereich Gartenbau. Es läuft Musik von Phil Collins und eine Gruppe Gefangener präsentiert ihr laufendes Projekt: Ein Outdoor-Klassenzimmer für den Sommer.
Wie ein Ort, vor dem viele Menschen Angst haben, sieht es hier nicht aus – bis jetzt. In einem Raum mit Milchglasfenstern, einer einfachen Matratze, einer Toilette und einem Waschbecken aus Metall lehnt sich Auferkamp ans Fenster und erklärt, dass in dieser Zelle Gefangene untergebracht werden, bei denen Fluchtgefahr besteht. Zum Beispiel, wenn ein neues Ermittlungsverfahren für einen Gefangenen eröffnet wird. „Für die Gefangenen ist es sehr schwer hier zu sein.“, erklärt der Pressesprecher: „Zum einen müssen sie sich komplett entkleiden und Anstaltskleidung anziehen, damit sie keine gefährlichen Gegenstände bei sich haben können, und zum anderen bricht für die Gefangenen eine Welt zusammen, wenn klar wird, dass sie vielleicht zurück in den geschlossenen Vollzug müssen.“
Vor seiner Ausbildung zum Fachlagerist in Langendreer war auch Mr. Y für 13 Monate im geschlossenen Vollzug und weiß: „Da sind Welten dazwischen. 23 Stunden eingesperrt. Hier kann man rumlaufen, Schlüssel hat man selber in der Hand, kann rausgehen. Würd ich jetzt nicht nochmal tauschen wollen.“
Mr. Y sitzt in einem Sessel in der Leselounge und erzählt, dass er während der Corona-Pandemie seinen Job verloren hat und dann wegen Internetbetrug aufgefordert wurde, sich selbst zu stellen. Durch das große Fenster hinter ihm scheint immer noch die Sonne. Seine Geschichte wollte er nicht der ganzen Gruppe erzählen, aber für ein Einzelgespräch ist er bereit.
Ein Moment war für Mr. Y besonders schlimm: „Einen Tag nachdem ich mich gestellt habe, wurde mir gesagt ‚Sie müssen in die Geschlossene‘. Als dann die Tür zuging, wo ich die Gitter gesehen habe, ist mein ganzes Leben an mir vorbei gezogen. Das Schlimmste, was ich je erlebt habe, muss ich echt sagen.“
Alexander Auferkamp glaubt, dass alle Gefangenen hier Angst haben – vor allem Zukunftsängste. Aber nicht gerne darüber reden.
Auch Mr. Y möchte sich nicht von seiner Angst leiten lassen. Er denkt: ‚Es soll ja nichts Schlimmes passieren‘ – denn wenn er sich zu sehr auf negative Gedanken konzentriert, könnten sie am Ende Wirklichkeit werden. Er konzentriert sich lieber auf das, was ihn motiviert und geht immer weiter seinen Weg zurück in die Freiheit.
Fußnote: Die Namen der Gefangenen wurden für diesen Beitrag geändert. Aus Datenschutzgründen können die echten Namen nicht genannt werden. Ein Kontakt ist über den Pressesprecher Alexander Auferkamp möglich.
:Gastartikel von Lena Dillenburg