Film. Christoph Schlingensief kehrt mit einer Dokumentation zurück in die Kinos. Das FFT Düsseldorf lud am 20. September zur Premiere.

Schlingensief ist vor allem eins: Erinnerung. Da ist der junge Querulant mit wildem Kurzhaarschnitt, der von der Polizei festgenommen wird, weil er bei der documenta X fordert: „Tötet Helmut Kohl!“ 

Da ist der Provokateur, der selbsternannte Talkmaster, der an der Durchführung seiner eigenen Show „Talk 2000“ scheiterte – und doch wieder nicht. 

Scheitern als Chance – so lautete die Devise, die unterschwellig bei allen Aktionen des Künstlers, Regisseurs, Filmemachers und Humanisten mitschwang. Die Chance 2000 war ein … ja, was eigentlich? Ein Verein, eine Partei, eine Performance und letztlich nichts und alles zugleich.

Wähle Dich selbst!

Chance 2000 sollte eine Alternative zu den etablierten Parteien zur Bundestagswahl 1998 sein und die aufklärerische Befreiung der Minderheiten aus der politischen Unmündigkeit ermöglichen. „Die Minderheiten, die eine Mehrheit sind“, wie Schlingensief zu sagen pflegte. 

Die Gründung – ganz im Sinne des clownesken Kritikers – fand im Zirkus Sperlich auf dem Prater vor der Volksbühne in Berlin statt. „Wir haben hier fünf Ziegen, die die GroKo symbolisieren und ein Pony, das die 5-Prozent-Hürde schaffen will“, witzelte Schlingensief auf die Frage, wie man dem Wahlkampfzirkus begegnen wolle.

Chance 2000? 1998? Nein, unsere Redaktion hat sich nicht im Kalender vertan. Am 7. September feierte die Dokumentation von Kathrin Krottenthaler und Frieder Schlaich bundesweite Premiere. Zur Spielzeiteröffnung konfrontiert sich das Forum Freies Theater mit der Obszönität (politischer) Selbstinszenierung in den Wahlkämpfen des 21. Jahrhunderts – denken wir nur an Trump und vermutlich schlimmer: Christian Lindner. Geschichte wiederholt sich – nach 16 Jahren Kohl stehen uns nun 16 Jahre Merkel bevor. Doch der Abend im FFT verkommt zu einer bedrückenden Zeitreise unter dem schwermütigen Mantel der Nostalgie. Wenn wir Trump und Co. nur eine zweitklassige Montage alter Archivaufnahmen und einen pathetischen Carl Hegemann, Dramaturg und Freund Schlingensiefs, dessen einziges Resümee des Filmes lautete „Seit Christophs Tod 2010 gibt es keine vergleichbare politische Kunst mehr“, entgegenstellen können, dann – ja dann. Dann wissen wir auch nicht weiter.                        

:Marcus Boxler

 

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