Bertolt Brecht hat es mal frech in seinen „Flüchtlingsgesprächen“ auf den Punkt gebracht: „Der Paß ist der edelste Teil von einem Menschen. Er kommt auch nicht auf so einfache Weise zustande wie ein Mensch. Ein Mensch kann überall zustandekommen, auf die leichtsinnigste Art und ohne gescheiten Grund, aber ein Paß niemals.“ Wie aktuell der unter dem Eindruck seiner Exil-Zeit in den 1940er-Jahren geschriebene Satz ist, zeigte die Lesung am 15. Februar im Bahnhof Langendreer.
Als die ersten Flüchtlinge im beschaulichen, bayrischen Städtchen Ochsenfurt ankamen, packten die beiden AktivistInnen Simone Barrientos und Leander Sukov (Bild) mit an.
Beide organisierten Versammlungen, Hilfe bei alltäglichen Dingen oder gemeinsame Karaoke-Abende. Trotz der Willkommenskultur in ihrer Stadt kippte die Stimmung: „Jetzt taucht das Problem auf, dass die Jungs ihre Bescheide kriegen“, erzählt Barrientos.
Aus den bürokratischen Bescheiden, Abschiedsbriefen und zornigen Gedichten stellten sie eine Lesung zusammen. Eine aufrüttelnde, literarische Anklage an die Dublin-Doktrin. Menschen statt AntragstellerInnen.
„Existenzminimum zumutbar“
Geschildert wird etwa der Fall eines jungen Afghanen, der Zuhause zu Arbeit gezwungen und von seinem Vater geschlagen wird. Mit gebrochenem Kiefer flieht er über verschiedene Stationen nach Deutschland. Nach der OP beantragt er in Deutschland Asyl. Irgendwann – nach einer langwierigen bürokratischen Befragung – kommt der Bescheid. Darin heißt es schließlich: „Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft war somit abzuerkennen.“ Die Begründung besteht immer aus den gleichen Satzbausteinen: „Ein Leben am Rand des Existenzminimums ist zumutbar.“ Eine Lesung, die wütend macht, die aufrüttelt. Und doch nur präsentiert, was für Millionen Geflüchtete alltäglich ist: dokumentierte Menschenverachtung.
:Benjamin Trilling
0 comments