Deutschland feiert am 23. April den 500. Geburtstag des Reinheitsgebots. Aber warum heißt es eigentlich Reinheitsgebot und wie ist es entstanden? In Zeiten von Internationalisierung, Globalisierung und Craft-Beer-Brauereien fragen sich auch die Studis: Brauchen wir diesen Protektionismus und den Dreiklang der Zutaten überhaupt noch oder ist es ein Relikt aus einer schon längst vergangenen Zeit?
500 Jahre Reinheitsgebot. 500 Jahre deutsche, zertifizierte Bierbraukunst. Und ausgerechnet jetzt wird es infrage gestellt. Neben den aktuellen Diskussionen um Glyphosat bezeichnen viele das Gebot als reine Illusion. Was macht das Reinheitsgebot so besonders und wieso war es zugleich für viele Menschen absolut lebenswichtig?
Um dieser Frage nachzugehen, bedarf es einer kleinen Einführung in die Biergeschichte. Zwar brauten schon die ÄgypterInnen vor 10.000 Jahren Bier, doch reicht ein Rückblick ins gefährliche Mittelalter. Fast jedeR braute Bier, vor allem Frauen und waren im Haushalt die HausbrauerInnen. Bis zu fünf Liter täglich konsumierten die BürgerInnen damals. Nicht, um sich im dauerhaften Rauschzustand zu befinden, sondern weil es gesünder und sicherer als das zumeist verseuchte Grundwasser war. Viele Biere waren gepanscht, mit Tollkirschen vergiftet und jenseits des heutigen Reinheitsgebots. Craft Beer der ersten Generation quasi.
Von der Hanse bis nach Bayern
Klare Regeln sollten geschaffen werden und beschränkten die Zutatenliste auf ein Minimum. Auch wenn die Bayern sich gerne als die ErfinderInnen des Bierbrauens beschreiben, haben sie diese Kunst eigentlich nur aus der norddeutschen Hansestadt Einbeck eingekauft – fast so wie in der Fußball-Bundesliga ihre Nationalspieler. Tatsächlich half im 14. und 15. Jahrhundert die Expertise der Mönche aus Weihenstephan und ein Streit zwischen den bayrischen Herzögen Wilhelm IV. und Ludwig IX, um am 23. April 1516 in Ingolstadt das Reinheitsgebot zu formulieren. Dieses war zugleich Teil einer Landordnung, um die Verwaltung der beiden Teilherzogtümer zu harmonisieren.
Bier im Revier
Im Ruhrgebiet ist die Geschichte des Bieres eng mit der Stadt Dortmund verbunden. Zwar hatte die Reviermetropole schon 1293 das Braurecht erhalten – sie wurde aber erst mit der industriellen Herstellung des Exportbieres der Kronenbrauerei ab 1843 mehr und mehr zum Bierzentrum der Republik. Als wichtiger Teil des Wirtschaftswunders in den 1950er bis 1970er Jahren und eng verbunden mit der Kohle- und Stahlindustrie wurde die Stadt mit bis zu 7,5 Millionen Hektolitern nach Milwaukee zeitweise der zweitgrößte Brauereistandort der Welt. Heute existieren von den ehemals acht Großbrauereien nur noch die Actien-Brauerei; die auch unter Studis bekannte Marken wie Kronen oder Stift werden noch heute verkauft.
Back to the Roots
In den vergangenen Jahren hat sich das „Homebrewing“ wieder in private Haushalte ausgebreitet und zu einem Craft-Beer-Trend geführt. Wie im Mittelalter schlossen sich Haushalte zusammen und gründeten kleine Brauereien. Im Zuge dessen wurde auch die ehemalige Bergmann-Brauerei 2010 von Dr. Thomas Raphael wiedereröffnet. Er findet das Reinheitsgebot „ok“, auch wenn es zu dessen vermeintlichem Geburtstag „etwas überstrapaziert wurde.“
Max Zellmer verkauft in seinem Laden, dem Biermuda, viele Craft-Beer-Spezialitäten und hat eine geteilte Meinung zum Reinheitsgebot: "Heute ist das Reinheitsgebot (korrekt: Vorläufiges Biergesetz (VorlBierG)) nicht viel mehr als Marketing zum Schutz vor ausländischem Bier. Dennoch können auch innerhalb des Reinheitsgebotes sehr ausgefallene Geschmacksrichtungen erreicht werden."
Wer selbst Craft Beer brauen möchte, hat bei der monatlichen „Bierakademie“ in der Trinkhalle die Möglichkeit, mit namhaften Craft Beer BrauerInnen Ideen und Wissen auszutauschen. Doch auch für Craft Beer BrauerInnen gilt der Dreiklang der Zutaten. An Hopfen, Gerste und Malz kommen sie – zumindest in Deutschland – nicht vorbei.
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