Ihr Name lautet übersetzt: „Die Schöne ist gekommen“. Sie war eine der mächtigsten Frauen des alten Ägyptens, gilt bis heute als Ikone der Schönheit und der Umzug ihrer Büste innerhalb Berlins versetzte nicht nur die Kulturindustrie in helle Aufregung. Die Rede ist natürlich von Nofretete. Bis Dezember hat sie ein Gastspiel in Bochum. Der Eintritt lohnt sich – und zwar nicht nur, weil er umsonst ist.
Auf dem Weg in den Münzkeller der Kunstsammlungen werden die BesucherInnen stilecht von einer riesigen Pyramiden-Fotografie begrüßt. Betritt man dann die kleine Fläche, bekommt man erstaunlich viel Nofretete geboten. Konzipiert wurde die Ausstellung vom Freiburger Archäologen Lars Petersen zusammen mit Studierenden. Der Fokus der Ausstellung liegt, wie der Titel „Nofretete – 100 Jahre Entdeckung und Faszination“ bereits zu erkennen gibt, nicht so sehr auf der Figur der Königin und ihrer Geschichte, sondern auf ihrem Nachleben. Im 14. Jahrhundert v. Chr. herrschte Nofretete an der Seite ihres Mannes Echnaton. In ihre Regentschaft fallen bedeutende politische und religiöse Reformen. Ihr Ruf als ewige Schönheit wird dieser machtbewussten Königin also keinesfalls gerecht.
Vom Thron ins Museum: Geschichte eines Fundes
Die Palast- und Tempelanlage in der mittelägyptischen Stadt Achet-Aton, dem heutigen Tell el-Amarna, beheimatete nicht nur die Mächtige selbst, sondern auch ihr berühmtes Abbild. Dessen Fund ist ein eigenständiges Stück Geschichte: Am 6. Dezember 1912 konnte die Werkstatt des Bildhauers Thutmose freigelegt werden; in ihr befand sich die Büste. Es ist der wohl bekannteste Fund der dreijährigen Grabung (1911-1914) der Deutschen Orient-Gesellschaft (DOG) unter der Leitung des Architekten und Ägyptologen Ludwig Borschardt. Die DOG wurde 1898 gegründet, um den englischen und französischen Vorsprung auf dem Feld der Archäologie aufzuholen. 1901 übernahm kein geringerer als Kaiser Wilhelm II. das Protektorat über die DOG. Sein Faible für Archäologie ist ebenso legendär wie politisch – auch in der Archäologie sollte Deutschland einen „Platz an der Sonne“ erhalten. Zu den Gründungsvätern der DOG zählte der betuchte Berliner Tuchhändler James Simon. Er war es auch, der die Tell el-Amarna-Grabung finanzierte. Dass wir über sie so gut Bescheid wissen, verdanken wir Prinz Johann Georg von Sachsen, der das Ganze fotografisch festhielt. Seine Aufnahmen, die in einer kleinen Auswahl in der Ausstellung zu sehen sind, dokumentieren nicht nur den Fund selbst, sondern auch ein Stück Wissenschafts- und Gesellschafts-geschichte. Letztere zeigt sich dabei eher von der unfreiwillig komischen Seite: Während die Wüstenhitze einen aus den Fotografien geradezu anspringt, sind die Damen und Herren stilecht in Anzüge bzw. lange Röcke und Spitzenhandschuhe gekleidet. Adel verpflichtet eben. Neben den weitaus praktischer gekleideten ägyptischen Grabungshelfern wirkt das noch skurriler und stellt ein ganz eigenes Fundstück von Eurozentrismus dar. Die Rückgabeforderungen Ägyptens, die ebenfalls in einem Schaukasten zur Sprache kommen, reihen sich da ein.
Begehrte Büste
Mittelpunkt der Ausstellung bildet, wie könnte es auch anders sein, die Büste der Königin vom Nil. Allerdings handelt es sich hierbei nicht um das Original, sondern um eine Nachbildung aus dem Jahr 1924/25 – die erste Kopie überhaupt. Sie verhindert dank des zweiten Auges (im Original ist es nicht erhalten) auch, dass die einst so stolze Königin schielt. Außerdem sind zwei der ältesten Zeichnungen der beiden Büsten von Clara Siemens zu sehen.
Den Abschluss der Ausstellung bildet ein ganz besonderes Kuriositäten-Kabinett: Das Nachleben der Nofretete in Form eines USB-Sticks, Brettspielen, Briefmarken, Tabakwaren und anderen Devotionalien. Wahlweise als exotisierte Schönheit oder als frühe Feministin: 100 Jahre Nofretete-Begeisterung – und ein Ende ist nicht in Sicht.
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