Bild: Äußerliche Trostlosigkeit im Vergnügungsviertel: Die Straße Im Winkel in Bochum., Kommentar: Die wiederkehrende Debatte um die Verschärfung des Prostitutionsgesetzes Foto: Wikimedia Commons / Vulkanhorn (CC0 1.0)

Am 16. Januar diesen Jahres lief im Ersten zur besten Sendezeit der Spielfilm „Operation Zucker“. Dieser erzählt die fiktive Geschichte eines zehnjährigen Mädchens aus Rumänien, das in Deutschland in die Fänge von Kinderhändlern gerät und in einem nach außen als Single-Club getarnten „Kinderbordell“ in Berlin landet. Im Film kämpfen eine Polizistin und eine Staatsanwältin einen aussichtslosen Kampf gegen das Netzwerk der Menschenhändler und Pädosexuellen. In der Realität sind Fälle von Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung bei Kindern, also bei Minderjährigen unter 14 Jahren, glücklicherweise sehr selten. So gab es nach einer Statistik des Bundes­kriminalamtes (BKA) in den letzten 18 Jahren im Schnitt pro Jahr fünf polizeilich ermittelte mutmaßliche Opfer in dieser Altersgruppe und 66 in der Altersgruppe der 14 bis 17-Jährigen – wobei die Zahl der gerichtlich bestätigten Opfer noch deutlich darunter liegen dürfte.

Natürlich ist jedes einzelne Opfer eines solchen Verbrechens eines zu viel und es muss wie bei anderen Verbrechen auch von einer vielfach höheren Dunkelziffer ausgegangen werden. In der medialen Berichterstattung im Kontext des Films „Operation Zucker“ wird dieses Thema allerdings für politische Ziele missbraucht und die Realität in Bezug auf das generelle Ausmaß des Kinder- und Frauenhandels stark verzerrt. Von den Medien unkritisch übernommene, unbelegte und exorbitant hohe Schätzungen von Opferzahlen seitens des UN-Kinderhilfswerks UNICEF sowie Darstellungen und Forderungen des Bundeskriminalamtes haben die Debatte um eine Verschärfung des Prostitutionsgesetzes (ProstG) endgültig wieder aufflammen lassen. So schrieb beispielsweise die Frankfurter Rundschau (FR) am 10. Januar diesen Jahres in einem Artikel mit dem Titel „Immer mehr minderjährige Zwangsprostituierte“: „In Ländern, in denen Prostitution erlaubt ist, blüht der Menschenhandel.“ Am 16.01. hieß es in der FR in einem Artikel zu dem Film, dass es „in den reichen Ländern eine wachsende Nachfrage nach minderjährigen Prostituierten“ gebe. Eine Verschärfung des Prostitutionsgesetzes im Sinne des BKA und bestimmter CDU/CSU-Politiker­Innen wird nun als zur Bekämpfung von Menschenhandel und Zwangsprostitution notwendig dargestellt.

Eine wiederkehrende Debatte

Schon 2007 äußerte die damalige Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU), dass das 2002 inkraftgetretene Prostitutionsgesetz überarbeitet werden müsse, dass Prostitution „kein Beruf wie jeder andere“ sei und dass „der Ausstieg aus der Prostitution“ das wichtigste Ziel darstelle. Von der Leyen forderte vor allem eine Erlaubnispflicht für Bordelle und bordellartige Betriebe sowie mehr Kontrollmöglichkeiten derselben für die Behörden. Ihre Nachfolgerin Kris­tina Schröder (CDU) griff diese Forderungen 2011 auf. Bei Schröder war allerdings bezüglich Erlaubnispflicht und Kontrollmöglichkeiten schon von allen Prostitutionsstätten die Rede – und der Begriff „Prostitutionsstätten“ beinhaltet auch Wohnungen von Prostituierten, in denen diese ihrem Gewerbe nachgehen. Nachdem auch Schröders Initiative versandete, hat Ende 2012 Hans-Peter Uhl (CSU), der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, das Thema erneut aufgegriffen.

Am 10. Januar 2013 gab nun UNICEF Deutschland anlässlich der Ausstrahlung von „Operation Zucker“ eine Pressekonferenz, auf der BKA-Präsident Jörg Ziercke erklärte: „Aus polizeifachlicher Sicht könnte die Einführung verbesserter Aufsichts-, Kontroll- und Überwachungsbefugnisse, wie sie die Innenministerkonferenz im November 2010 einstimmig gefordert hat, einen entscheidenden Beitrag zur Bekämpfung des Menschenhandels und zur Verbesserung des Schutzes von Frauen, die in der Prostitution arbeiten, leisten.“ An den von der Innenministerkonferenz seinerzeit beschlossenen Forderungen orientierte sich bereits Schröder und aktuell tut dies Uhl in noch stärkerem Maße.

Ein Katalog der Bevormundungen

Zu besagten Forderungen, die der Bundesrat im Februar 2011 mehrheitlich in einer Entschließung übernommen hat, gehören neben den weiterreichenden Kontrollmöglichkeiten von Prostitutionsstätten unter anderem eine Erlaubnispflicht für Prostitutionsstätten, eine Meldepflicht für Prostituierte, eine bundesweite Kondompflicht bei sexuellen Dienstleistungen, die Wiedereinführung der 2001 abgeschafften Zwangsuntersuchungen von Prostituierten sowie die Einführung eines Mindestalters („Schutzalters“) für Prostituierte von 21 Jahren. In der schwarz-gelben Bundesregierung laufen aktuell die Gespräche, um eine entsprechende Verschärfung des Prostitutionsgesetzes noch in der laufenden Legislaturperiode zu beschließen. Warum diese geplanten Bevormundungen der falsche Weg und nicht im Interesse der Prostituierten sind, wird in der nächsten Ausgabe der :bsz thematisiert werden.

Patrick Henkelmann

 

0 comments

You must be logged in to post a comment.