Rassismus. Die Initiative RUB bekennt Farbe wollte über Antisemitismus aufklären – und hat einen selbsterklärten Islamfeind als Referenten eingeladen.
„Für Vielfalt auf dem Campus“ will sich das von AStA und Rektorat getragene Projekt RUB bekennt Farbe (RbF) einsetzen. Das tat es bislang etwa mit Vorträgen über die NS-Zeit und rechtsradikale Aktivitäten oder Filmen wie Django Unchained. Vor zwei Wochen fand nun eine Veranstaltung unter dem Titel „Kritik des Antisemitismus“ statt, der sich speziell an Einsteiger:innen in das Thema richtete. Der Referent: Stephan Grigat, Politikwissenschaftler aus Österreich.
Wer erwartet hatte, am Ende mehr über die Geschichte jüdischer Verfolgung oder die Unterschiede zwischen und Wirkweise von Antijudaismus und modernem Antisemitismus zu wissen, wurde enttäuscht. Stattdessen stellte Grigat seine steile These vor, wonach Antisemitismus nicht „lediglich“ Rassismus sei, sondern etwas völlig anderes. Einziges Argument: Rassismus werte seine Opfer ab, Antisemitismus hebe Juden und Jüdinnen als Weltbeherrscher:innen auf ein Podest. Völlig ausgeblendet wird, dass jede Form von Rassismus spezifisch ist, dass auch Juden und Jüdinnen als „Untermenschen“ verfolgt wurden und umgekehrt etwa Muslim:innen unterstellt wird, sie würden aktuell Europa übernehmen. Darum gehört Grigat mit dieser Theorie auch einer winzigen Minderheit an. Das allein schon prädestiniert ihn wenig für eine Einführung in das Thema.
Vor allem aber ging es kaum um Deutschland. Sogar über Antisemitismus in der lateinamerikanischen Linken wurde diskutiert. Dafür fiel kein Wort über Neonazis, Reichsbürger oder den Anschlag von Halle. Stattdessen ging es permanent um den laut Grigat gefährlichsten Antisemitismus, nämlich den „islamischen“. Dabei kritisiert Grigat, der selbst kein Wort Arabisch beherrscht, wie man an seiner konsequent falschen Aussprache merkt, explizit nicht den „Islamismus“, sondern den „orthodox-konservativen Mehrheitsislam“, dem er neben Antisemitismus auch pauschal Homosexuellen- und Frauenfeindlichkeit unterstellt. Der Prophet Muhammad selbst habe, indem er angeblich alle jüdischen Stämme „massakrierte“, den Grundstein für die „klassisch-rassistische Tradition“ von Muslim:innen gegenüber Jüdinnen und Juden gelegt. Da ist nur logisch, dass aus seiner Sicht „Angst vor dem Islam“ durchaus berechtigt sei. Den Begriff „Islamophobie“ hält er allerdings für einen „islamistischen Kampfbegriff“, obwohl dieses Märchen schon vor fast 20 Jahren widerlegt wurde. Dafür bekennt er sich offen zur „Islamfeindschaft“: Als Religionskritiker:in müsse man schließlich islamfeindlich sein. Ob er sich auch als „judentumsfeindlich“ bezeichnen würde, bleibt offen.
Für einen bestimmten Muslim hat Grigat im Übrigen doch ein lobendes Wort übrig: nämlich für den saudischen Kronprinzen Muhammad bin Salman. Dessen Image sei zwar wegen des Mordes an dem Journalisten Khashuqji »angekratzt«, aber seine Feindschaft gegen Iran und und seine anvisierte Öffnung gegenüber Israel machen das in Grigats Augen wieder wett. In diesem Zusammenhang verliert er auch nicht nur ein Wort über Menschenrechtsverletzungen, die Unterdrückung von Frauen oder der schiitischen – und deshalb potenziell pro-iranischen – Minderheit, den saudisch geführten Krieg im Jemen oder den systematischen Export wahhabitischer Ideologie und die Finanzierung von Jihadisten aus Saudi Arabien in aller Welt. Folgt man Grigats obsessiver Fixierung auf das iranische Regime – hinter ihm ist ein anti-iranisches Plakat in Pose gebracht und er beendet seinen Vortrag mit einem Boykott-Appell – wirkt auch der IS fast wie ein Fliegenschiss. Insgesamt zeugen seine Ausführungen von einer höchst einseitigen Sicht auf die nahöstliche Region und einer völligen Ignoranz gegenüber den Auswirkungen „westlicher“ Kolonial- und Einmischungspolitik. Eine dies betreffende kritische Nachfrage aus dem Publikum wird mit der Antwort abgetan, dies sei nicht der Ort, über den Nahen Osten zu reden. Komisch, denn Grigat tut genau das die ganze Zeit.
:Leon Wystrychowski
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