Aktivismus. Das Zentrum für Politische Schönheit (ZPS) hat mit einer neuen Aktion für Aufsehen gesorgt. Das Künstler*innenkollektiv erstellte ein Fahndungsportal und polarisierte damit stark.
Es ging ein Aufschrei durch die Teilnehmer*innen der Demonstrationen und Ausschreitungen in Chemnitz in diesem Sommer. Nicht etwa, weil die Ermittlungsbehörden ihrer Arbeit nachgehen, sondern weil das Künstler*innenkollektiv ZPS auf eigene Faust Ermittlungen aufgenommen hat. Unter der Homepage mit dem Titel SOKO Chemnitz veröffentlichte das ZPS Fotos von Demonstrant*innen. Neben bekannten AfD-Politiker*innen waren dort auch organisierte Neonazis und bisher nicht bekannte Personen zu sehen. Die Künstler*innen wollten laut eigener Aussage Arbeitgeber*innen, Nachbar*innen und die allgemeine Öffentlichkeit informieren. Personen, die Informationen über die vermutlichen Rechtsradikalen liefern konnten, wurden gebeten, diese per Mail an das Kollektiv zu schicken. Für diese Informationen sollte eine Belohnung gezahlt werden, zwischen 5 und 100 Euro.
Provokation und Polizeieinsatz
Die rechte Szene fühlte sich angegriffen und fuhr schwere Geschütze auf. Von Gestapo-Methoden und Terror war die Rede. Schnell drohte man den Künstler*innen mit Gewalt und die Namen und Anschriften der Mitglieder wurden im Internet verbreitet. Die sächsische Polizei wurde umgehend aktiv, allerdings nicht gegen die Drohungen, sondern gegen das ZPS. Am Nachmittag des Websitelaunchs standen mehrere Einsatzwagen vor einem angemieteten Ladenlokal in Chemnitz, um Plakate der Aktion sicherzustellen. Zum Zwecke der Gefahrenabwehr, wie man später mitteilte: „Da es überdies in sozialen Netzwerken Aufrufe dazu gab, unter anderen Sachbeschädigungen an den Büroräumen im Rosenhof zu verüben, wurde am frühen Nachmittag seitens der Polizei entschieden, die Plakate im Sinne der Gefahrenabwehr zu entfernen und sicherzustellen.“
Doch auch andere Akteur*innen sahen sich zur Kritik gezwungen, so etwa die sächsische Staatskanzlei, die durch die Nutzung ihres Logos das Urheberrecht verletzt sah. Auch das Jüdische Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus (JFDA) kritisierte die Aktion. „Durch die unerlaubte Verwendung unserer Bilder entsteht der Eindruck, dass wir der Veröffentlichung zugestimmt hätten, um die Aktion des #ZpS zu unterstützen. Ein Fahndungs- und Denunziationsportal, in dem Teilnehmer der rechtsextremen Demonstrationen als ‚AfD-Ratten‘ bezeichnet werden, unterminiert eine sachliche und fundierte Auseinandersetzung mit den Gefahren, die von rechtsextremen, rassistischen Mobilisierungen ausgehen“, kritisiert JFDA-Sprecher Levi Salomon.
Überraschung
Wenige Tage nach aller Aufregung wurde klar: Das Ganze war eine Falle. „Danke liebe Nazis! It was a ‚honeypot‘“, twitterte das Zentrum für politische Schönheit. Mittels Datenlogging, das auch eine Vielzahl von Suchmaschinen nutzt, wurden Datensätze gesammelt, um mehr über die Teilnehmer*innen zu erfahren. Mittels Netzwerkanalyse und Datenvisualisierung seien Freundeskreise, Knotenpunkte, Mitläufer*innen und Aufenthaltsorte relativ einfach auswertbar gewesen, teilt das ZPS mit. Die gesammelten Daten wollen die Künstler*innen den Ermittlungsbehörden weiterleiten, falls diese Interesse hätten.
:Justinian L. Mantoan
Den Kommentar zum Thema könnt ihr hier lesen.
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