Kommentar. Sportredaktionen bewegen sich bei politischen Themen auf fremden Terrain wieder, doch vor allem laufen sie oftmals gerne ins Abseits.
Nach 36 Jahren ist das passiert, was unsere Fußballnation sich nicht vorstellen konnte: Deutschland hat das Auftaktspiel bei einer Weltmeisterschaft verloren. Dabei waren sich einige Gazetten, vor allem die „Welt am Sonntag Kompakt“ schon ziemlich sicher, dass dieses Spiel als Weltmeister ein Selbstläufer sei. „Sorry, Mexiko. Heute bauen WIR die Mauer!“ stand in großen Lettern auf dem Titelblatt geschrieben. Natürlich sollte man heutzutage auch mal lachen können und einen guten Witz schätzen. Dennoch ist es nicht mal die Schlagzeile, die ein leichtes Geschmäckle hat, sondern das dazugehörige Bild. Manuel Neuer steht vor seinem Kasten, was durchaus nichts Ungewöhnliches ist, jedoch haben sich die RedakteurInnen von der Welt den Spaß gemacht diesen mit einer Mauer und einer Deutschland-Girlande aus Stacheldraht zu verzieren.
Nun gut, es waren ja nur circa 300 Mauertote in Deutschland und da kann man sich mal geschmacklos und unpassend verhalten, denn am Sonntagnachmittag spielte ja Schlaaaaaand! WIR sind Weltmeister, uns kann niemand was. Warum auch nur einmal ins Fettnäpfchen treten? Passenderweise publizierte die „Welt“ das gesamte Titelbild am 65. Jahrestag des Aufstandes der DDR-BürgerInnen gegen die sozialistische Staatsführung. Bei diesem historischen Ereignis starben am Spieltag 34 Menschen, aber nun gut. Das kann man ja nicht wissen, wenn man versucht, im Tetris-Style eine Mauer mit Photoshop in den Hintergrund zu basteln. Man könnte ja sagen: „Das liegt alles weit zurück und so wird das doch gar nicht gemeint sein“. Klar hätte man auf Unwissenheit der RedakteurInnen plädieren können, doch wenn der Möchtegern-Photoshop-Phillip noch einen Trump mit den Worten „What? Germany First?“ setzt, dann kann man nur noch mit dem Kopf schütteln.
Es ist allgemein bekannt, dass Trump Einwanderer, ob legal oder illegal, mit mittel- oder südamerikanischem Migrationshintergrund gerne mal als Kriminelle darstellt. Auf Platz eins seiner Hassliste sind die MexikanerInnen, denn die seien ja ausnahmslos „Drug dealers, criminals, rapists“.
Sport vs. Politik
Wenn man sieht, wie die Welt einen Aufhänger für einen acht-seitigen Vorbericht zu einem WM-Spiel anpreist, sollte man sich fragen, ob eine derartige Vermischung von Politik und Sport, so wie es die Welt mit der Mauermonatge gemacht hat, in Ordnung zu sein scheint.
Denn alle zwei Jahre (EM und WM) beginnt es aufs neue, die Gazetten jeglicher Art beschimpfen unsere gegnerischen Mannschaften mit stereotypischen Beleidigungen wie „die Baguettefresser fressen wir heute“ um Frankreich liebevoll zu beschreiben. Und ja, es gehört dazu – wir machen das, die machen das – aber eine derartige Verfehlung hat nichts mehr mit dem liebevollen Hochschaukeln vor einer Kabelei zu tun. Zumal solche Provokationen gerne auch mal nach hinten los gehen können, wie der von der Mexikanischen Nationalmannschaft verfrühte Mauerfall am Sonntag gezeigt hat.
:Abena Appiah
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