Weltraumtourismus als Empowerment zu verkaufen, das ist nicht nur abgehoben, sondern wird augenscheinlich immer mehr zur beliebten Marketing-Strategie. Darauf deuten zumindest die jüngsten Ereignisse rund um die Weltraummission von Bezos. Das Narrativ ist hierbei vor allem eines: unterirdisch.
Der blaue Anzug reflektiert die Strahlen der Sonne als sie aus der weißen Kapsel hinein ins Tageslicht tritt. Ihre Beine sind noch wackelig von dem Kurztrip ins All. Die bedeutende und weltverändernde Reise bis knapp über die Kármán-Linie, welche die Abgrenzung der Erdatmosphäre zum Weltraum kennzeichnet, hat gerade einmal elf Minuten gedauert. Ehrfürchtig fällt sie auf die Knie und drückt einen dankbaren Kuss auf den staubigen Boden der texanischen Wüste. In ihrer Hand hält sie ein einzelnes Gänseblümchen. Sie und fünf weitere Frauen hatten am Montag, den 14. April, Geschichte geschrieben. Eben vermeintliche „Astronautinnen“ wie sie im PR-Buche stehen.
Was sich hier nach einem misslungenen Romananfang anhört, ist ziemlich real und die Protagonistin in dieser Erzählung keine Unbekannte: Katy Perry. Die Raumfahrt sollte dabei die Gelegenheit sein, ein Zeichen für „Female Empowerment“ zu setzen und die Überwindung von Geschlechterbarrieren zu fördern – so zumindest die theatralische Darbietung der Medien. An sich auch nicht ganz verkehrt, denn die Raumfahrt ist eine männerdominierte Sphäre. Doch die Umsetzung – ich weiß ja nicht.
Katy Perry inszeniert sich währenddessen als Gesicht einer neuen Ära. Doch was bleibt von ihrem Empowerment, wenn es nur wenigen vorbehalten ist daran teilzuhaben? Statt echte strukturelle Ungleichheiten anzusprechen – Zugang zu Bildung, Gesundheitsversorgung oder faire Arbeitsbedingungen weltweit – wird Feminismus hier zum Hochglanzprodukt. Perry verkauft Female Empowerment wie ihre letzten Alben: Mit viel Glitzer, aber wenig Substanz für die, die es wirklich brauchen. Und die Besatzung der Blechbüchse? „A capsule full of narcissism“, kritisiert ein Internet-User.
Nach der Ankunft ist vor allem das Gerede von einem großen, grenzübergreifenden Gemeinschaftsgefühl und dem Wert von Mutter Erde präsent. Witzig, denn gerade durch diesen Ausflug wird erneut die gesellschaftliche Kluft aufgezeigt. Die Erfahrungsberichte wirken in dem Kontext schon fast melodramatisch. Statt auf etwas wichtiges Aufmerksam zu machen, wird die Touri-Reise ins All zu einem Ausdruck von Wohlstand und eines privilegierten Lebensstandards – wortwörtlich ein Blick von oben herab. Dekadenz at its finest.
Und wie es in Komödien nun mal so ist, steckt hinter der glamourösen Fassade ein Geschäftsmodell, das kalkulierter nicht sein könnte. Das Raumfahrtunternehmen „Blue Origin“ des Multimilliardärs und Amazon-Gründers Jeff Bezos organisiert den Flug und stellt gnädigerweise alle benötigten Mittel zur Verfügung. Völlig selbstlos und natürlich alles im Namen des Feminismus. Ein kurzer Background-Check reicht aus, um hinter den Vorhang zu blicken. Für kleines Geld könnt Ihr Euch hier einen Platz in einem echten Raumschiff einkaufen, um mit einem Flug zum/zur Mitverursacher:in von 93 Tonnen CO² zu werden. Um deutlicher zu werden: Eine Studie aus dem Jahr 2024 zeigt, dass der durchschnittliche CO²-Verbrauch pro Kopf in Deutschland bei ca. 10,3 Tonnen pro Jahr liegt. Ironischerweise soll dieser CO²-intensive Ausflug dann auch noch das Bewusstsein für unseren Planeten stärken. Vielleicht wäre es wirksamer, einfach mal nicht zu fliegen. Besser geht’s doch nicht.
Wenn Ihr nun Teil dieses coolen Unterfangens werden wollt, müsst Ihr lediglich eine Anzahlung in Höhe von 150.000 US-Dollar leisten – ja, so hab’ ich auch geguckt. Das ist ja fast geschenkt! Man kann nur erahnen, in welche Millionenhöhe sich der tatsächliche Preis aufschwingt, aber ich schätze mal, er schwebt jenseits der Stratosphäre.
Und die Doppelmoral? Startklar. Doch den sechs Space-Cowgirls dürfte das reichlich egal sein, denn sie werden kaum was dafür bezahlt haben. Werbegesicht spielen ist schließlich kein Ehrenamt. Generell wird der Weltraumflug zu einem riesigen Spektakel aufgebauscht; Live-Übertragungen, emotionale Interviews und ein tobender Applaus als hätte man den Durchbruch des Jahrhunderts erzielt, der in Wirklichkeit weniger ist, als er vorgibt zu sein. Die Aufzeichnungen wirken dabei wie eine Dauerwerbesendung für Bezos Raumfahrtunternehmen und den Weltraum-Tourismus im Allgemeinen.
Female Empowerment wird damit zu einer kapitalistischen Anlage und plötzlich steht nicht mehr die Frage nach dem wie im Raum, sondern nach dem wie viel. Also eine Sache des Geldes, die aus dem Blickwinkel von Superreichen und durch PR geförderten Stars nur nebensächlich ist. Ganz im Gegensatz zu den Normalsterblichen. Weltraumtourismus wird als unverzichtbare Erfahrung stilisiert, durch die Exklusivität jedoch für viele zu einer utopischen Wunschvorstellung. Während Millionen Menschen sich nicht mal einen Flug in den Sommerurlaub leisten können, erleben andere den Weltraum als Freizeitpark. Dass ausgerechnet eine Multimillionärin wie Katy Perry an dieser Stelle symbolisch für Gleichberechtigung stehen soll, zeigt besonders eines: Dass reale Probleme sich offensichtlich besser verdrängen lassen, wenn man sie in eine Raumkapsel packt und in den Himmel schießt. Fortschritt? Ja, aber eben nur bei genug schwarzen Zahlen auf dem Konto.
:Alina Nougmanov
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