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Ballett existiert schon seit dem 15./16. Jahrhundert und hat seitdem immer mehr an Beliebtheit dazugewonnen. Besonders zur Weihnachtszeit finden vermehrt Aufführungen wie „Der Nussknacker“ oder „Schwanensee“ statt. Auch kleinere Ballettschulen proben für ihren großen Auftritt…

Als ich noch ein kleines Kind war, gingen die meisten Mädchen in meinem Alter zum Ballett. Auch ich oder besser gesagt meine Eltern folgten diesem Beispiel und schickten mich in eine Ballettschule bei uns in der Gegend. Unsere Lehrerin war eine ehemalige Ballettmeisterin der Ballett-Akademie St. Petersburg und der strengste Mensch, dem ich bis zu diesem Zeitpunkt begegnet bin. Ich muss gestehen, wirklich lange bin ich nicht geblieben und auch meine Erinnerungen an die Zeit im Tanzstudio sind eher schwammig als rosig, schließlich ist das schon 20 Jahre her. Ballett hat mir damals außerdem einfach keinen Spaß gemacht und sobald mein Fuß das Parkett berührte, hätte ich am liebsten auf der Stelle kehrt gemacht – und damit meine ich nicht auf die Art und Weise einer Ballerina. Meine niemals-begonnene Karriere als professionelle Balletttänzerin endete schließlich, als meine Eltern sich (zurecht) weigerten, mir ein Tutu zu kaufen. Noch lange danach war mir Ballett zuwider und als ich vor ein paar Jahren mehr oder weniger unfreiwillig bei einer Aufführung von Schwanensee dabei war, schlief ich sogar kurzzeitig ein.
Heutzutage werde ich zwar nicht mehr selbst mit dem Tanzen anfangen, allerdings gebe ich dem ganzen nochmal eine Chance. „Zeiten ändern sich, Zeiten ändern dich“, würde Shirin David jetzt wohl an meiner Stelle sagen. Und wie es der Zufall will, tanzt mittlerweile eine enge Freundin von mir in derselben Ballettschule, in deren Umkleide ich vor zwei Jahrzehnten bittere Krokodilstränen geweint hatte.
Jedes Jahr zur Weihnachtszeit gibt die Tanzschule eine Ballettaufführung und so beschließe ich, mir ein Ticket für ihren Auftritt zu kaufen. Ein paar Tage später finde ich mich im Ruhrfestspielhaus Recklinghausen ein und bin gespannt, was mich hier erwartet. Der Saal ist gefüllt mit Familien und einigen anderen Gleichaltrigen, die sich in freudiger Aufregung miteinander unterhalten. Irgendwo quengeln die ersten Kinder. Hinter der Bühne herrscht viel Bewegung und die letzten Vorbereitungen werden getroffen, bevor das Spektakel endlich losgehen kann. Das ein oder andere bunte Tutu blitzt hinter dem Vorhang hervor und lässt eine vage Vermutung entstehen, welche Kostüme uns erwarten könnten.
Ich lasse mich in einen der roten Sitze sinken und blicke in die Broschüre, die mir am Eingang in die Hände gedrückt wurde. Das kleine Heftchen beinhaltet das Programm für diesen Abend sowie Informationen zu der Ballettschule und ihren Tänzer:innen. Die Ballerinas werden nach der Waganova-Methode ausgebildet, eine Lernmethode des Klassischen Balletts, welche Mitte des 20. Jahrhunderts von Agrippina Waganova entwickelt und gelehrt wurde. Sie vereint sowohl die Besonderheiten der französischen und der italienischen Schule als auch Einflüsse aus Russland. Das Programm verspricht ein Ballett in zwei Akten; „Der Nussknacker“ nach dem Märchen von Ernst Theodor Amadeus Hoffmann und mit der Musik von Peter Iljitsch Tschaikowski unterlegt, die er für sein Stück komponierte.
Die Beleuchtung wird gedimmt und lässt die vielen Stimmen im Saal langsam verstummen. Während die Zuschauerplätze im Dunkeln versinken, erstrahlt allein die Bühne in einem warmen Licht. Gespannt lauschen wir der Stille und ich lasse meine Augen über die Bühne wandern. Aus den Boxen ertönt „Marsch“ und die Tänzerinnen laufen in Masukakleidern gekleidet ein. Von klein bis groß ist alles dabei und besonders die jüngsten Tänzerinnen sehen in ihren Kostümen richtig niedlich aus. Was mir auch auffällt, ist, dass man ganz genau erkennt, wer was darstellt. So wirbeln zum Beispiel einige Ballerinas in ihren weißen Tutus als Schneeflöckchen über die Bühne, während andere wiederum als Schmetterlinge verkleidet sind und eine Art Cape in Form von Flügeln tragen, die an ihren Handgelenken befestigt sind.
Nicht immer wird synchron getanzt und es schleichen sich ein paar kleine Patzer in die Tänze ein, worüber man jedoch ein Auge zudrücken kann. Es ist auch so schon spannend zu sehen, welche Kunststücke auf der Bühne vollbracht werden. Besonders das Tanzen auf Spitzen versetzt mich in Erstaunen und ich kann nicht anders, als diese Körperbeherrschung zu bewundern.
Die Aufführung wird von einer kurzen Pause unterbrochen und das Stück steigt danach mit dem zweiten Akt ein. Nachdem die Hauptfigur Clara im ersten Akt davon geträumt hat, wie der Nussknacker lebendig wird und in einer Schlacht um Leben und Tod gegen den Mäusekönig sein Leben lässt, erwacht er nach der Pause von den Toten. Der Nussknacker verwandelt sich in einen Prinzen und heiratet schließlich Clara bei einem Fest in seinem Schloss. Mit dem Ende des Festes erwacht Clara aus ihrem Traum und der Vorhang fällt.
Ich schließe mich dem Applaus der Menge an und sehe den stolzen Tänzerinnen dabei zu, wie sie sich verbeugen und für die Blumen bedanken, die ihnen geschenkt werden.
Tatsächlich hat mir die Aufführung nicht nur Lust auf „echtes“ Klassisches Ballett gemacht, sondern auch meine vorherige Meinung verändert. Hinter den verschiedenen Tänzen steckt unglaublich viel Arbeit, Kraft und Durchhaltevermögen. Doch vor allem die Tatsache, dass es bei den Tänzerinnen so leicht und natürlich aussieht, geistert mir noch Tage danach durch den Kopf und weckt meinen Respekt für diese Leistung.

:Alina Nougmanov

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