G’schichten aus’m … Hafen des Wissens?
Uns kennt Ihr mittlerweile ja. Woche für Woche versorgen wir Euch mit Neuigkeiten sehr unterschiedlicher Aktualität, Gemecker und Reportagen. Die volle :bsz-Experience also. Doch so gern wir das auch tun, wollten wir dieses Mal besonders einige von Euch zu Wort kommen, und erzählen lassen, wie das denn damals so war, als Ersti. Wie war es den Campus kennenzulernen, in den ersten Veranstaltungen zu sitzen und zu pendeln? Oder Zoom kennenzulernen, in Zoom-Konferenzen zu sitzen und zu pennen? Hier haben wir vier Geschichten… aus dem ersten Semester!
Nastasias erstes Semester
Mein erstes Semester war anders, als ich es mir vorgestellt hatte. Das soll nicht heißen, dass es schlecht, scheiße oder unglaublich gut und atemberaubend war. Nur eben anders. Und ich glaube auch nicht, dass es an der Uni oder an den Kursen oder an sonst was gelegen hat; ich war anders. In den Vorstellungen vom Studium driftet man ab, man träumt richtig von diesem neuen Leben, von mehr Menschen und der Eigenständigkeit. Aber es ist dann doch nicht so einfach, wenn man merkt, dass man, anders als in seinen Vorstellungen, in der Situation reagiert. Man geht dann doch nicht auf diese eine Gruppe von Studis zu, die eigentlich nett aussehen; man lässt den Seminarbeitrag in seinem Mund stecken, weil man das Gefühl hat, dass es sowieso niemanden interessieren wird.
Man sitzt im Hörsaal und versucht sich kleiner zu machen, weil man überzeugt, davon ist, dass man den Reihen hinter einem mit seinem Wasserkopf die Sicht versperrt.
Ich will keinem damit Angst machen. Ich will auch keine unterdrückte Wut auf mein erstes Semester hier rauslassen, um endlich nachts durchschlafen zu können, so nach dem Motto: Alle sind doof und ich bin einfach zu besonders; keiner kann mich verstehen, blabla. Das ist dämlich. Was ich aber sagen will, ist: man kann nicht darauf warten, dass man plötzlich dieser oder diese Textbuch-Student:in wird, dass man sich ganz plötzlich in AGs oder in Clubs wiederfindet, ohne den Weg dorthin mitbekommen zu haben. Man muss sich selbst in seine eigenen Träume integrieren, seine Veränderungen und seine Ängste. Man muss sich aus eigener Kraft zu einem Teil dieser Masse machen, weil man es darf. Weil man es verdient. Ich weiß nicht, ob besonders viele (Neu-)Studenten:innen damit Probleme haben: neue Freund:innen finden, in Veranstaltungen seine Meinung äußern, in Gruppenarbeiten mehr als nur „bin mir nicht sicher“ und „ja, finde ich gut“ beizutragen. Und der Grund dafür, dass ich es nicht weiß, ist, weil ich mich nicht um dieses Wissen gekümmert habe. Weil ich davon ausgegangen bin, dass das sich alles irgendwie legen wird, dass ich plötzlich diese neue Person werde. Natürlich nicht.
Das klingt alles sehr theoretisch und vielleicht auch banal. Aber gerade durch die letzten zwei Corona-Jahre im Studium ist es deutlich geworden: egal, als wie schüchtern man sich abstempelt oder wie ungern man sich in den Vordergrund stellt, man sucht diese Aufmerksamkeit dennoch. Und das meine ich ganz positiv. Man möchte sich ja verändern; man hat endlich die Chance, die Sachen auszuprobieren, die man zur Schulzeit manchmal im Hinterkopf schweben hatte. Man kann endlich entscheiden, was man lernen will, warum man sich damit befassen will und wie lange. Und mit dieser Freiheit kommt die Aufgabe, sich selbst endlich wirklich kennenzulernen. Ich hätte mir in meinen letzten Schuljahren niemals vorstellen können, dass ich gerne über Themen diskutiere, dass ich mich glücklich schätze, mir so viel Neues aneignen zu können und dass ich es bereue mich nicht schon viel früher gefragt zu haben, was ICH denn eigentlich im Leben möchte.
Was für mich deutlich und klar wird, besonders beim Schreiben dieser Zeilen, ist, dass das erste Semester mehr als nur ein neuer Lebensabschnitt ist. Mehr als nur die Angst vor dem Neuen, der Druck von der Außenwelt und die Vorfreude auf Macht über sich selbst. Man steht vor einer fundamentalen Frage: Will man sein altes Ich, seine ganzen angelernten Denkweisen und den Entwurf, den einen die Eltern mitgegeben haben, neu entwerfen? Für manche ist das vielleicht die offensichtlichste Frage, die es gibt; manche haben ganz automatisch damit gerechnet und wahrscheinlich hat Studieren an sich damit gar nichts zu tun. Aber wenn man es mal ausspricht, den Gedanken durch den Kopf fließen lässt und er einem immer wieder begegnet, dann ändert sich etwas im Körper. Es ist ein bisschen wie Fallen, nur nicht in ein schwarzes Loch. Man fällt nach oben, durch die Decke und obwohl man es nicht besonders angenehm findet und man sich immer wieder die Haare aus dem Gesicht halten muss und die Augen einem brennen, die Tränen bis ans Kinn fließen, weiß man doch: wenn ich aufkomme, ist da etwas Weiches, das mich auffängt. Sei es ein Seminar, das ich, obwohl ich keine Ahnung von dem Thema habe, gewählt habe, weil ich wissen will. Sei es das stolze Gefühl, dass mich durchflutet, wenn ich mich endlich traue, mit der Person zu reden, die auch jedes Mal 20 Minuten zu früh am Raum ist. Oder es sind noch größere, krassere Sachen: das Aufführen eines Theaterstücks, das Auslandsjahr in Australien oder das Einschreiben in den Fachschaftsrat, weil man erkannt hat, dass man etwas für Andere verändern will. Oder aber es sind die ganz kleinen, fast lächerlich alltäglichen Sachen, die uns am Leben halten im ersten Semester: seinen Kaffee in der Mensa trinken ohne rot zu werden, da mehr als zwei Menschen im selben Raum sind; sich in die UB trauen und es nicht schlimm finden, ein Buch länger als zwei Sekunden suchen zu müssen. Oder irgendetwas anderes, das einem zeigt: man hat sich entwickelt. Man darf sich trauen, man darf es versuchen. Man ist endlich auf dem ersehnten Weg sich selbst spüren zu wollen, sich reden hören zu wollen und man ist stolz auf sich. Und diesen Stolz so lange wie möglich erleben, auskosten und immer wieder vor Augen führen. Warum also nicht im ersten Semester damit anfangen, wenn man die Chance hat?
Gastautorin :Nastasia Kummer
Charleenas erstes Semester
Es war einmal vor langer, langer Zeit — vor vielen Regel- und Nicht-Regelsemestern —, als ich als Ersti an die RUB kam. Die meisten Erinnerungen sind schön: endlich raus aus der Kleinstadt, sich mit interessanten Themen beschäftigen, neue Leute kennenlernen und überenthusiastisch zu jeder zweiten Erstiparty laufen.
Aber ich erinnere mich auch an die Schattenseiten: die Suche nach dem mysteriösen GBCF, typische Unsicherheiten und vor allem volle Züge. Stinkende Züge. Laute Züge. Das Schicksal, mindestens einmal am Tag neben lauten Fußballfans/Kindern/Sekttreffen pensionierter Damen zu sitzen. Und das alles über vier Stunden am Tag, mit mehreren Umstiegen aus dem tiefsten Rheinland nach Bochum. Da ich noch nie ein Morgenmensch war, hieß das für mich, nächtelang Essays zu schreiben, morgens früh immer wieder in der Bahn einzuschlafen und — hallo, Studiklischee — nur mit ganz viel Kaffee den Tag zu überstehen.
Heute ist Bochum meine Wahlheimat und ich lebe nur ein paar Minuten von der U35 entfernt. Wenn ich nun an mein erstes Semester zurückdenke und es mit späteren Semestern vergleiche, merke ich: So schön die Zeit damals war, muss ich auch einsehen, dass ich mir unnötigen Stress gemacht habe. Stelle ich mir nun vor, ich wäre in den Zeiten, in denen ich noch mehreren Nebenjobs oder auch Ehrenämtern und Praktika in Bochum nachgegangen bin, wird mir klar, dass ich mit meinem Umzug gerade noch rechtzeitig war.
Das Gute für mich: Wenn man mit den Mietpreisen in Düsseldorf/Köln/Bonn aufwächst, wirkt Bochum doch beinahe günstig.
Gastautorin :Charleena Schweda
Luisas erstes Semester
Jede:r an der RUB kennt sie: die Geräusche der wackelnden Bodenplatten auf dem Campus, die schwitzenden Körper in der U35 oder die Nudeltheke in der Mensa. Viele verrückte Dinge gehören zum Studium in Bochum einfach dazu und als Student:in ist man zum Glück noch sehr anpassungsfähig. An die meisten Dinge gewöhnt man sich also einfach. Nur manchmal, wenn ich nicht einschlafen kann und vor meinem inneren Auge alle unangenehmen Situationen meines Lebens vorbeiziehen sehe, dann bin ich wieder im ersten Semester und erlebe meine peinlichsten Momente wieder und wieder.
Als ich beim Ersti-Frühstück meiner Fakultät war, gesellte sich ein deutlich älterer Mann dazu, den ich in meinem jugendlichen Leichtsinn für einen dieser Dauerstudenten gehalten habe. Ich bin froh, dass er nicht gehört hat, wie ich „was will der denn hier?“ geraunt habe, denn zwei Minuten später hat er sich als Dekan der Fakultät vorgestellt und mir in den vergangenen Jahren das eine ums andere Mal gewaltig aus der Patsche geholfen.
Ein anderes Mal bin ich etwas zu spät zu meiner Einführungsvorlesung erschienen. Einführungsvorlesung bedeutet: alle sind noch hochmotiviert, der Hörsaal ist voll, es herrscht gebannte Stille. Zumindest in den ersten Wochen. Die Stille war schlagartig vorbei, als ich mich auf den nächstbesten Platz gesetzt habe. Liebe Erstis: Wenn die Sitze im Hörsaal schief aussehen, dann setzt euch lieber wo anders hin und erspart euch die Blicke von knapp 300 Studierenden, die live dabei waren, wie der Sitz unter euch soeben nachgegeben habt und ihr elegant auf dem Boden gelandet seid. Ich bin dann übrigens einfach aufgestanden und nach Hause gegangen. Und ein paar Wochen nicht mehr zurückgekommen.
Gastautorin:Luisa Grote
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:kjan
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