Der fünfte Teil der „Scream“-Reihe will die Ehre seines Franchises verteidigen und greift dafür zu ungewöhnlichen Mitteln.
Das Horror-Genre ist nicht wie jede andere Filmsparte, denn hier wurden über Jahrzehnte Genre-Traditionen und Regeln aufgestellt, mit denen sich jeder neue Beitrag beschäftigen muss. Kaum jemand verstand das so gut wie der US-amerikanische Regisseur Wes Craven, der bereits in den Siebzigern zahlreiche Slasher-Filme produzierte bis er 1984 mit „A Nightmare on Elm Street“ und seinem kultigen Bösewicht Freddy Krueger einen Überraschungserfolg landen konnte. Mitte der Neunziger wagte er dann mit „Scream“ einen Meta-Kommentar auf sein geliebtes Genre, dessen Erfolg ihn dazu veranlasste noch drei weitere Teile zu drehen. Der Killer mit der Ghostface-Maske ist noch immer an jedem Halloweenabend irgendwo zu sehen, doch 2015 verstarb Craven, womit „Scream 4“ von 2011 der Endpunkt seiner langen Filmografie bleiben sollte.
Nun nahm sich das recht unbekannte Regie-Duo Matt Bettinelli-Olpin und Tyler Gillett der Reihe an, um ihren fünften Teil zu schaffen, der sich aber nicht als einfache Fortsetzung, sondern als „Requel“ versteht. Es soll das Original wieder aufleben lassen und neu interpretieren, wie eine der Figuren im Film selbst erklärt. Dabei ist das Besondere, dass die Filmreihe auch in ihrer eigenen Welt unter dem Titel „Stab“ existiert, denn die Journalistin Gale Weathers, gespielt von Courteney Cox, hat die Geschehnisse aus dem ersten Teil für einen Roman genutzt, der daraufhin verfilmt wurde. Deshalb ist den Protagonist:innen auch permanent bewusst, dass sie sich innerhalb der Logik eines Horrorfilms bewegen. Dieses Prinzip ist essenziell für „Scream“, denn der Killer versteht sich stets als großer Horror-Fan und legt Wert darauf, seine Begeisterung mit seinen Opfern zu teilen. Ghostface liebt das Genre so sehr, dass er ihm auch die Realität widmen will, indem er seine Morde als besonders gut geeignetes Filmmaterial ausführt. Auf diese Weise spielt der Film elegant mit der Perversion des Genusses am Horror, ohne jemals seinen Zeigefinger zu erheben oder gar seine eigenen Regeln zu verletzen.
Eine große Stärke der Reihe ist dabei das Bewusstsein, dass niemand mehr einen „ganz normalen“ Horrorfilm sehen will, der schlicht den Konventionen folgt, um das Publikum wie nach dem Lehrbuch kurz zu schocken und danach sofort wieder aus den Köpfen zu verschwinden. Nicht ohne Grund sind derartig viele Filme aus diesem Genre so vergessenswert, denn eine gewaltige Menge ist nur für den Gruseleffekt während des Schauens ausgelegt, ohne dabei auch nur einen interessanten Gedanken von sich zu geben. Auch in „Scream“ wird angesprochen, dass es durchaus eine neue Welle an intelligenten Horrorfilmen gibt, wie „It Follows“, „Der Babadook“ oder „The Witch“, die ihr Gebiet weiterentwickeln konnten, doch will die Reihe das klassische Slasher-Erbe noch nicht aufgeben. Man steht hier weiter in der Tradition von „Halloween“ von John Carpenter, dessen Nachname in „Scream“ für die Hauptfigur geliehen wird, wenn auch die Gewalt mittlerweile um einiges expliziter gezeigt wird. Mit der Rückkehr der ehemaligen, mittlerweile gealterten, Hauptfiguren und den ständigen Eigenzitaten beruft man sich selbstbewusst auf das eigene Erbe, ohne dabei an Eigenständigkeit zu verlieren. Es empfiehlt sich für den Genuss dieses Films im Vorhinein zumindest den ersten Teil gesehen zu haben, was aber ohnehin eine sehr spaßige Hausaufgabe ist.
:Henry Klur
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