Bild: Symbolbild, Neues Gesetz würde Freiheit stark einschränken Bild: Archiv

Die Überarbeitung des Versammlungsgesetzes für NRW ist vielen nicht genug, und es werden weiterhin starke Einschnitte in die Versammlungsfreiheit befürchtet. 

Seit einer Reform im Jahre 2006 ist das Versammlungsrecht nicht mehr auf Bundesebene geregelt, sondern Sache der Länder. Nach und nach ersetzten manche Bundesländer daraufhin das zunächst weiterhin gültige Versammlungsgesetz des Bundes durch ein eigenes. So war es nun auch länger in NRW geplant, und seit Januar 2021 gibt es einen Gesetzentwurf der schwarz-gelben Landesregierung. Bereits vorher gab es Aussagen des Innenministers Herbert Reul: So sollte zunächst, ungeachtet der Pandemielage, das Tragen von Mund-Nasen-Schutz als Vermummung gelten, und die Versammlungsfreiheit als verfassungsrechtliches Privileg auf den Prüfstand gestellt werden, wie das Innenministerium in verschiedenen Erlassen und Briefen äußerte. Außerdem gab es einen Gesetzentwurf der SPD-Fraktion, dessen Ziel es war, Naziaufmärsche an Gedenktagen für die Opfer des Nationalsozialismus einfacher untersagen zu können.  
Der Gesetzesentwurf, den die Landesregierung vorlegte, war gegenüber dem Bundesgesetz eine starke Einschränkung der Versammlungsfreiheit. Bisher übliche, sogenannte „Gegendemonstrationen“ – meist gegen rechtsradikale Demos – sollten demnach in Zukunft untersagt werden. Auch eine unklare Definition von „Uniformierung“, welche verboten werden sollte, führte zu Unmut, da unter diesen Begriff selbst Pfleger:innen, die in Arbeitskleidung demonstrieren, oder Fußballfans kriminalisiert würden. Seitdem der Entwurf vorgelegt wurde, gibt es immer wieder NRW-weite Proteste mit hunderten bis tausenden Teilnehmenden gegen das Gesetz, auf die oft mit massive Härte und Gewalt seitens der Polizei, gegen Teilnehmende aber auch Journalist:innen, reagiert wurde. Auch andere Parteien, Nichtregierungs-Organisationen und Gewerkschaften übten harte Kritik an dem Entwurf. Nach einer Demonstration im Juni distanzierten sich Teile der NRW-FDP vom Entwurf, und eine Überarbeitung wurde angekündigt. Der Änderungsantrag wurde nun am 6. Dezember gestellt, nachdem die Abstimmung über das Gesetz bereits in die Zeit nach der vergangenen Bundestagswahl gelegt wurde. 
Gegendemonstrationen werden im neuen Entwurf vom „Störungsverbot“ nach §7 explizit ausgenommen. Das „Militanzverbot“, was auch Uniformen verbot, wurde ganz gestrichen und durch ein „Gewalt- und Einschüchterungsverbot“ ersetzt. Auch bei Anmeldefristen, Spontandemos, dem Filmen und Fotografieren von Demos durch die Polizei, und vielen anderen Themen, wurde das Gesetz geändert. Demonstrationen auf Autobahnen wurden wiederum pauschal verboten. SPD und Grüne bezeichneten viele der Änderungen als „kosmetisch“ und lehnten den Entwurf weiterhin ab. Auch andere Organisationen üben weiter Kritik: Das Komitee für Grundrechte und Demokratie bezeichnete auch den neuen Entwurf als „undemokratisch“, und das Bündnis „Versammlungsgesetz NRW stoppen“, welches viele der Proteste gegen das Gesetz mitorganisierte, bleibt bei seiner Ablehnung des Gesetzes. Grob heruntergebrochen wird das Gesetz oft als „Versammlungsverhinderungs-Gesetz“ bezeichnet, welches eine enorme, abschreckende Wirkung haben soll, und gleichzeitig polizeiliche Befugnisse stark ausweitet und schlussendlich die Versammlungsfreiheit – auch durch den Wortlaut des Gesetzes, nicht nur durch die Paragrafen selbst – eher als eine Gefahr für die Gesellschaft, statt als Grundrecht darstellt, auch durch Vergleiche von aktuellen Protesten mit „Weimarer Verhältnissen“. Ein Vergleich, der durchaus als Gleichsetzung von Klimaprotesten mit der  Gewalt der faschistischen SA/SS gelesen werden kann, so auch die Meinung von Verena Schäffler, Vorsitzende der Grünen-Fraktion im Landtag. Auch deshalb gab es am vergangenen Mittwoch, dem 8. Dezember, auch wieder eine Demonstration vor dem Landtag, nachdem am vorherigen Wochenende dezentrale Aktionen in verschiedenen Städten in NRW stattfanden. Bereits am 15. Dezember könnte das Gesetz erlassen werden, und das Protestbündnis hat angekündigt weiterhin Druck zu machen und auch juristische Schritte einzuleiten. Mit dem Versammlungsgesetz hätte NRW eine der striktesten, wenn nicht die strikteste Regulierungen der Versammlungsfreiheit in ganz Deutschland.           :Jan-Krischan Spohr

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