Propaganda. Drei Jahre nach der Machtübernahme der NSDAP ist Berlin Austragungsstätte der 11. Olympischen Sommerspiele. Im Bewusstsein der medialen Macht des Fernsehens und des Kinos wurde die deutsche Regisseurin Leni Riefenstahl damit beauftragt, dieses Sportevent zu dokumentieren. Die Bilder, die dabei entstanden, begleiten die Olympischen Spiele bis heute.
Ein Werbefilm der 32. Olympischen Sommerspiele in Tokio schwelgt in den Erinnerungen der 10-fachen Olympiasiegerin Ágnes Keleti, welche mit ihren stolzen 100 Jahren Lebensalter die älteste noch lebende Olympia-Teilnehmerin ist. „100 Jahre, ein Leben, eine Olympionikin” so beginnt der kurze Film, „Ágnes sah ein Licht, dass die ganze Welt erleuchtete; sie sah einen Enkel von Sklaven die Freiheit neu definieren” heißt es dann anschließend. Gemeint ist hier der aus Alabama stammende James Cleveland „Jesse” Owens, der bei den Olympischen Spielen 1936 in Berlin, Nazi-Deutschland, vier Goldmedaillen gewann und mehrere Weltrekorde der Leichtathletik brach.
Der Werbefilm wird von Ausschnitten aus Leni Riefenstahls Propagandafilmreihe „Olympia” begleitet und zeigt Bilder in der sowohl Owens als auch Keleti eindrucksvoll inszeniert sind. Riefenstahls zweiteilige Filmreihe zu den Olympischen Spielen 1936 Fest der Völker und Fest der Schönheit wurde im Auftrag des Reichsministeriums für Volksaufklärung und
Propaganda und dem Internationalen Olympischen Komitee produziert. Es ist nicht abwegig, dass die Filme auch einen Propaganda-Charakter innehaben, der sich unter anderem in der Inszenierung der nationalsozialistischen Staatsoberhäupter und der allgegenwärtigen Präsenz des Hitlergrußes bemerkbar macht. Man vermeidet, Sportler:innen der Nationen der Achsenmächte in unästhetischen Situationen, etwa bei Fehlstarts oder dem Verlust von Kontrolle, zu zeigen. Nach Aussagen Riefenstahls wurde versucht, alle Athleten in selber Weise darzustellen, sie zeigt auch Niederlagen deutscher Athlet:innen und die glorreichen Momente anderer Nationen. Rekordbrecher Owens zog natürlich viele Augen und Kameras auf sich und wird mehrmals bei seinen Siegen von Riefenstahl aufgenommen. Naheliegend ist daher der Diskurs, ob es sich bei einer Inszenierung dieser Art auch wirklich um Propaganda handeln könne.
Das Olympische Feuer wurde erstmals von Griechenland aus nach Berlin getragen und entzündete letztendlich das Kohlebecken am Berliner Lichtdom. Derselbe Lichtdom, in dem sich schon Adolf Hitler in fast gottgleichem Licht für seine Propagandareden der Reichsparteitage inszenieren lassen hat. Szenen dieses Fackellaufes sind elementarer Bestandteil des Prologs zu Fest der Völker. Während der Olympiade wurde nur deutschen Kameraleuten der Zutritt gewährt. Riefenstahl war mit insgesamt 34 Kameraleuten für die Produktion der Filme rund um die Uhr und im ganzen Stadion vertreten und ließ spezielle Vorrichtungen bauen, um besonders eindrucksvolle Bilder aufzuzeichnen. Das Propagandaministerium scheute keine Kosten, um die Berliner Olympiade in vollem Maße für Riefenstahls Produktion einzufangen. Außer Frage steht das filmische Talent Riefenstahls, die mit den Olympia Filmen revolutionäre und wegweisende Produktionstechniken für das Filmgeschäft hervorbrachte. Schienenwagen für Kamerafahrten, Kameras für Unterwasseraufnahmen und der Einsatz von Zeitlupe zur Inszenierung von bewegenden Körpern sind bis heute noch Filmtechniken, die zum Einsatz kommen. Bei all der hoch geschätzten Arbeit Riefenstahls ist jedoch das Produktionsumfeld dieser Filme nicht zu verdrängen. Finanziert durch Gelder des Propagandaministeriums findet eine Instrumentalisierung eines Sportschauspiels für politische Propaganda statt, um Nazi-Deutschland für das Ausland positiv darzustellen. Das Zusammenkommen von Sport und Politik, was immer wieder aufs Neue diskutiert wird, ist hier deutlicher denn je zu spüren.
:Artur Airich
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