Uni-Alltag. Wie lief der Universitätsbetrieb während der Corona-Pandemie? Wie wurde mit den unterschiedlichen Herausforderungen umgegangen, und wie gut haben Konzepte funktioniert? Ein kurzer Überblick über die Entwicklungen des Jahres.
Die Umstellung des Hochschulbetriebs auf eine Form, die mit den Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie konform ist, war im vergangenen Jahr eine Herausforderung, die auf immer neue Hindernisse stieß und in manchen Hinsichten erfolgreicher war als in anderen. Am 18. März 2020 stellte die Ruhr-Universität auf den Notfallbetrieb um, was für die meisten Studierenden gleichbedeutend mit einer Schließung war. Der Beginn des Sommersemesters 2020 wurde auf den 20. April verschoben, und bis es soweit war, wurde an Konzepten für eine Lehre unter den neuen Bedingungen gearbeitet. Digitale Lehre und, nach einem Beschluss der Landesregierung NRW, die Nicht-Anrechnung des Semesters auf die Regelstudienzeit sollten den Studierenden ermöglichen auch während der Pandemie ihr Studium fortzusetzen. Für das aktuelle Wintersemester fehlt einigen jedoch diese Kulanz, da es bisher größtenteils als normales Semester gewertet wird, obwohl sich die Situation für viele nur wenig verändert hat, und man kaum von einem normalen Wintersemester sprechen kann.
Eine Studie des Stifterverbands, die an deutschen Hochschulen durchgeführt wurde (:bsz 1264), zeigte auf, dass die Umstellung sehr unterschiedlich gut funktionierte. Praxisorientierte Veranstaltungen wie Übungen und Laborarbeit funktionierten dabei laut Studierenden und Lehrenden eher schlecht, die Umsetzung bei Seminaren wurde jedoch von beiden Seiten größtenteils positiv bewertet. Viele Studierende gaben ein mangelndes Sozialleben und Probleme mit Motivation und Konzentration als größte Nachteile an. Außerdem wurden sich sowohl von Studierenden als auch Lehrenden interaktivere Formate gewünscht. Der Cyber-Angriff auf die Systeme der Ruhr-Universität im Mai hatte glücklicherweise keine direkten Auswirkungen auf die digitale Lehre, da nur Verwaltungssysteme betroffen waren. Die Kommunikation wurde jedoch öfters auch durch Überlastung der Server gestört, die den Zugriff auf die Mailsysteme erschwerte oder unmöglich machte. Je näher das Ende des Sommersemesters rückte, desto mehr kam jedoch auch die Frage nach Konzepten für Klausuren auf. Wie bei anderen Aspekten der digitalen Lehre gab es hier zwar klare Vorgaben der Universität, die Umsetzung wurde jedoch den jeweiligen Fakultäten überlassen. Das sorgte zwar für die Möglichkeit die Konzepte flexibel an die unterschiedlichen Situationen anzupassen, hatte jedoch zur Folge, dass klare und eindeutige Informationen für die Studierenden teilweise schwer zu bekommen waren. Die Freiversuche waren dabei ein guter Ansatz, den sich viele, wie das Freisemester, auch für das aktuelle Semester wünschen, da die Situation kaum besser – in vielerlei Hinsicht eher schlechter – ist als im Sommersemester. Für mehr Normalität sollte die neue Betriebsform seit dem 1. August sorgen.
Der Präsenz-Anteil des als Hybridform geplanten Wintersemesters löste sich angesichts der steigenden Infektionszahlen jedoch immer mehr in Wohlgefallen auf. Die meisten Veranstaltungen werden mittlerweile wieder rein digital angeboten, und die Konzepte der Universität werden weiterhin an die strenger werdenden Maßnahmen angepasst. Bereits im bisherigen Semester waren die Bedingungen erschwert; Besonders das Lernen für Klausuren gestaltet sich schwierig. Die Universitätsbibliothek kann nur begrenzt genutzt werden. Verbundbibliotheken sind teilweise komplett geschlossen und bieten nur Scanservice an, der jedoch den Zugriff auf den Präsenzbestand nicht völlig ersetzen kann. Der Zugriff auf Verbundbibliotheken anderer Studienfächer ist größtenteils unmöglich. Unter diesen Voraussetzungen die gleiche Leistung von Studierenden zu erwarten, die auch in regulären Semestern erwartet wird, wirkt realitätsfern. Für viele bleibt nur die Hoffnung, dass die für das letzte Semester geltenden Regeln auf das Wintersemester ausgeweitet werden.
:Jan-Krischan Spohr
Karliczeks „Soforthilfen“
Die aufgrund der Covid19-Pandemie notwendigen Schließungen haben insbesondere diejenigen Branchen getroffen, in denen Studierende bevorzugt arbeiten: Gastronomie, Einzelhandel und Dienstleistungsbereiche wie Nachhilfe. Somit waren es auch Studis, die im vergangenen Frühjahr, neben Problemen im Studium selbst, in besonderer Weise von Jobverlust, fehlendem Einkommen und Existenzängsten betroffen waren. Hilfe wurde von der Regierung spät versprochen — und sie kam noch später: Erst im Juli waren die durchschnittlich 434 Euro pro Kopf bei denjenigen Studis, die erfolgreich die von Anja Karliczek (CDU) großspurig angekündigte Überbrückungshilfe im Gesamtumfang von 100 Millionen Euro beantragt hatten, auf dem Konto. Da waren die Maßnahmen allerdings längst wieder aufgehoben und viele der zuvor erwerbslosen Student:innen gingen wieder ihren Nebenjobs nach.
Das dürfte unter anderem erklären, weshalb die Antragszahlen nicht allzu hoch waren, obwohl laut verschiedenen Umfragen an einzelnen Universitäten, in Bundesländern und deutschlandweit ein nicht unbedeutender Anteil der Studis ihr Leben nicht mehr allein finanzieren konnte. Viele der Betroffenen dürften sich entsprechend anders durchgeschlagen haben: mit eigenen Ersparnissen, Unterstützung durch die Familie beziehungsweise indem sie wieder zu ihren Eltern gezogen sind — oder durch ein Darlehen. Denn laut Angaben der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) hat sich die Zahl der vergebenen KfW-Kredite allein im Sommer verdoppelt und damit auch die Gefahr der langfristigen Verschuldung unter Studierenden. Zeitgleich wurden 36 Prozent der insgesamt 244.000 Anträge abgelehnt, 150.000 weitere wurden wegen „fehlerhafter“ oder „unvollständiger“ Angaben gar nicht erst bearbeitet. Zudem waren auch nicht alle Studis in Not berechtigt, die Überbrückungshilfe in Anspruch zu nehmen, sondern nur die, die nachweislich und allein wegen Corona in Nöte geraten waren.Die Hilfen, die im September ausliefen, wurden im November neu aufgelegt. An den Rahmenbedingungen hat sich wenig geändert und auch diesmal verzögerte sich die Auszahlung der Nothilfen um Wochen. Darum ist auch die Kritik von Studierendenverbänden und Gewerkschaften letztlich dieselbe geblieben: Als vollkommen unzureichend hatte der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) die Hilfen bereits im Mai kritisiert. Von einem „Feigenblatt“ sprach Andreas Keller, stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) kürzlich in einer Stellungnahme. Die Aussage von Karliczek aus dem Sommer, wonach kein:e Studierende:r allein gelassen werde, bezeichnete Jonathan Dreusch vom freien zusammenschluss von student*innenschaften (fzs) in einer Erklärung als „reinen Hohn“. Als einzige Verbesserung ließe sich allenfalls bemerken, dass offenbar unter Druck des Deutschen Studentenwerks, welches für die Bewilligung und Vergabe der Gelder zuständig ist, zumindest eine bürokratische Hürde verringert wurde: Es müssen anders als im Frühjahr nur noch die Kontoauszüge des laufenden und des letzten Monats vorgelegt werden, womit das Aussieben derjenigen, die schon vor Corona in Existenznöten waren, entfallen dürfte.
:Leon Wystrychowski
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