Bild: Die Zeit spielt verrückt: in „Tenet“ verläuft nichts linear. , Man legt sich mit der Zeit an Bild:hakl

Rezension. Mit Christopher Nolans „Tenet“ startete nun der erste große Blockbuster seit den zwischenzeitlichen Kinoschließungen. Eine mutige Entscheidung, die Bilder zeigt, die man so noch nicht gesehen hat.  

Monat um Monat wurde dieser Film aus

finanziellen Bedenken verschoben. Doch Nolan steht wie kaum ein:e andere:r Regisseur:in in Hollywood für das Kinoerlebnis und dessen Schutz vor den immer bedrohlicher erstarkenden Heimkinostarts. Für Viele wird dieser Film der erste Kinobesuch seit Beginn der Pandemie sein und man spürt förmlich, wie alles im Saal schreit: „Wir sind wieder da!“ Der dröhnende Sound scheint extra noch eine Spur lauter aus den Boxen zu tönen, um dem Publikum zu zeigen, was es in den letzten Monaten eigentlich verpasst hat. „Tenet“ versucht die Zuschauenden von der ersten Sekunde an mit aller Gewalt in seinen Bann zu reißen. In medias res wird man in ein Agenten-Spektakel geworfen und erst nach einigen Minuten von der ersten Erklärungsszene erlöst, während der man noch so sehr mit der Erholung von den ersten bombastischen Eindrücken beschäftigt ist, dass man gar nicht dazu kommt, sich auf die komplizierten Erläuterungen zu konzentrieren. Sofort stellt sich ein Gefühl ein, das sich durch die gesamten 150 Minuten des Films zieht: Verwirrung. 

Nolan beschäftigt sich in seinem neuesten Werk wieder einmal mit seinem Lieblingsthema Zeit, die er schon in Dunkirk, Interstellar oder Memento hat verrückt spielen lassen. Diesmal läuft sie sogar rückwärts, was schwindelerregende Bilder erzeugt. Der namenlose Protagonist, gespielt von John Washington, muss an der Seite seines Kumpanen (Robert Pattinson) nichts Geringeres als einen möglichen dritten Weltkrieg verhindern. Oder so etwas Ähnliches, denn die konkrete Bedrohung bleibt ungewiss, da sie erst in der Zukunft stattfinden soll. Ja, die Zukunft selbst ist sogar der Feind, denn sie greift durch die Manipulation der Zeit in die Gegenwart ein. Zusammen mit dem narzisstischen Oligarchen Sator mit Gottkomplex (Kenneth Branagh) wollen die Menschen der Zukunft anscheinend ihre eigenen Vorfahren auslöschen, um Rache für deren rücksichtslose Lebensweise zu üben. Die Paradoxa sind endlos und wer versucht, die gesamte Logik des Films zu verstehen, wird bei der ersten Sichtung kaum noch dazu kommen, die Bilder zu genießen. 

Während sich die Protagonisten von MacGuffin zu MacGuffin durch Schauplätze, die auf dem ganzen Globus verstreut sind, hangeln, fällt auf, dass alle Beteiligten durchgehend extrem schick gekleidet an extrem schicken Orten extrem gewichtige Gespräche führen. Nur um bei geheimen Missionen nicht aufzufallen, verkleidet man sich mit Arbeitsuniformen oder Warnwesten als normale Bürger. „Tenet“ bildet keineswegs das Publikum ab, das ihn sich ansieht. Immer wieder werden joviale Bemerkungen darüber gemacht, ob man denn angesichts der vielen Fachausdrücke schon Schädelbrummen bekäme. Elizabeth Debicki antwortet auf die Frage, ob sie irgendetwas verstanden habe, stellvertretend für die Zuschauenden: „Nein, aber es hörte sich sehr wichtig an.“ Man bewegt sich durch eine Welt voller Wohlstand und Intellekt und soll darüber, genau wie über die rückwärtslaufenden Bilder, mit offenem Mund staunen. Wagt es mal ein Arbeiter, sich an dem grotesken Reichtum seiner Vorgesetzten zu bedienen, wird ihm zur Strafe für seine Gier mit einem Goldbarren der Schädel eingeschlagen. Gekämpft wird, wie üblich bei Nolan, für den Erhalt des Status Quo. Dass die Zukunft mit ihrer Schuldzuweisung an die Gegenwart vielleicht sogar Recht haben könnte, wird durch den Wahnsinn des russischen Bösewichts abgetan.                   

  :Henry Klur

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