Kommentar. Mit Vizekanzler und Finanzminister Olaf Scholz hat die SPD ihren Kanzlerkandidaten für die nächste Wahl präsentiert. Die Entscheidung wirft die Frage auf, ob irgendjemand bei der SPD noch weiß, wohin es mit der Partei gehen soll.
Schon der Zeitpunkt der Bekanntgabe für Scholz‘ Kanzlerkandidatur hat einen Beigeschmack. Während andere Parteien noch gar nicht daran denken, für die Bundestagswahl im nächsten Jahr Wahlkampf zu machen, will sich die SPD schon jetzt ins Gespräch bringen. Mitten in der Corona-Pandemie gehen den Wähler:innen sicher andere Dinge durch den Kopf, als die Frage, welcher Kandidat der SPD als nächstes daran scheitern wird, die CDU herauszufordern. Anstatt mit Taten zu punkten, soll schon jetzt ein Name und Gesicht feststehen, mit dem sich die Wähler:innen im Laufe des Wahlkampfes identifizieren sollen. Nach den letzten Jahren kommen jedoch Zweifel auf, wenn man an die letzten Personalentscheidungen rund ums Willy-Brandt-Haus denkt.
Zwar ist Scholz keine überraschende, aber dennoch merkwürdige Wahl, die gemischte Signale aussendet. Während die Basis mit der Wahl von Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans eher das Signal sendete, ein weiter-so solle es bei den Sozialdemokrat:innen nicht geben, strahlt diese Entscheidung genau das Gegenteil aus. Scholz steht für die Agenda-SPD, für all das, was an der Parteibasis nicht gut ankommt. Nicht zu vergessen ist hierbei natürlich auch die pikante Tatsache, dass sich Esken und Walter-Borjans bei der Wahl zur Parteispitze gegen Scholz durchsetzten. Er konnte sich gegen zwei relativ Unbekannte Konkurrent:innen nicht durchsetzen, soll nun aber den Kanzler machen?
Ebenso unverständlich ist, dass die Doppelspitze der Partei kurz vor der Bekanntgabe von Scholz’ Kandidatur noch ein mögliches Bündnis mit Grünen und Linken auf Bundesebene in Aussicht stellte. Doch mit Scholz kann sich die Partei eigentlich von solchen Bündnisplänen verabschieden. Er als Kanzler einer rot-rot-grünen Koalition ist schwer vorstellbar. Doch mit wem zusammen soll überhaupt ein Kanzler Scholz Realität werden? In eine große Koalition mit der CDU passt er wie die Faust aufs Auge, doch in einer solchen wird die SPD in nächster Zeit sicher keine Mehrheiten stellen.
Was steckt also hinter dieser Entscheidung, einen Kandidaten aufzustellen, der in der Parteibasis keinen Rückhalt hat? Ist es nur ein weiteres Beispiel dafür, das die SPD planlos zwischen Rechts- und Linksruck hin und her pendelt? Oder glaubt die Partei gar nicht an Olaf#
Scholz und will ihn nur in ein aussichtsloses Rennen schicken, damit er für die Zukunft verbrannt wird?
Ich weiß es nicht. Doch diese Kanzlerkandidatur kann der SPD nur schaden. Anstatt sich mit einem frischen Gesicht als Gegenentwurf zur CDU zu präsentieren und die Machtstellung der Union anzugreifen, scheint die ehemalige Arbeiterpartei ihre Transformation zum Anhängsel der Christdemokraten zu vollenden. Anstatt mit linker Politik zu punkten, die in Zeiten der Krise gebraucht wird, stellt man einen erfahrenen Politiker an die Spitze, der jedoch genau für das Gegenteil steht, was die kriselnde SPD gerade benötigt. In Zeiten von Protesten gegen Polizeigewalt ist es nicht nachzuvollziehen, einen Politiker zu nominieren, der in seiner Zeit als Hamburger Innensenator den Einsatz von Brechmitteln bei der Befragung Verdächtiger erlaubte und somit 2001 für den Tod eines 19-Jährigen verantwortlich ist, der in Polizeigewahrsam nach Zugabe von diesen ums Leben kam.
:Philipp Kubu
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