Kommentar. Der Fußballklub aus Gelsenkirchen hat eine absolute Horrorsaison hinter sich. Nach dem sportlichen Absturz und dem Skandal um den Aufsichtsratsvorsitzenden Clemens Tönnies soll nun das Land NRW zur Hilfe kommen.
Ja, ich gebe es zu, ich bin Schalker. Im Moment muss man sich ja ein wenig schämen, diese Worte auszusprechen. Gehörte mein Klub vor ein paar Jahren noch zu den Top Drei im deutschen Fußball, ist in letzter Zeit fast alles schiefgelaufen, was schieflaufen kann. Mit der Liebe ist es oft nicht einfach. Zwei Tattoos mit Bezug zum S04 zieren meinen Körper, es ist nun mal auf Lebenszeit mit uns beiden, eine Ehe. In guten wie in schlechten Zeiten. Ich bleibe Schalke treu, doch mein Vertrauen muss erst wieder erarbeitet werden, denn diese Saison war eine Achterbahn der Gefühle: Auf eine tolle Hinrunde, in der endlich mal wieder Fußball in Blau und Weiß gespielt wurde, folgte eine Rückrunde des Grauens. Nur ein Sieg in siebzehn Spielen. Ein sportlicher Offenbarungseid, auf den der Trainer keine Antworten fand und dennoch weiter bleiben darf.
Dazu kommt auch noch die immer stärkere Entfremdung zwischen den Vereinsverantwortlichen und den Fans. Während immer wieder der Kumpel- und Malocherklub beschworen – oder sollte ich besser sagen auf Shirts und Kappen vermarktet wird – tut der Verein wenig, um dies den Menschen in der Kurve auch zu beweisen. Viel zu häufig sieht man leider das Gegenteil. Beim Härtefallantrag für Fans, die doch gerne das Geld für Tickets der Corona-Geisterspiele zurück haben wollten, ist man bereits zurückgerudert, die Entlassung der Busfahrer:innen der Jugendabteilung und künftige Ersetzung durch ein externes Unternehmen hingegen lässt Zweifel aufkommen, ob die Funktionäre überhaupt wissen, in welchem Verein sie tätig sind. Wir Fans wissen, dass der Verein finanziell angeschlagen ist, doch das darf nicht bedeuten, dass man dies an Menschen auslässt, deren Konto aktuell klamm ist. In einer Stadt wie Gelsenkirchen muss Schalke wieder bewusst werden, welche soziale Verantwortung dieser Verein für die Menschen dort trägt.
Dass der S04 nun angeblich um eine Bürgschaft von 40 Millionen Euro beim Land NRW bittet, um einen Bankkredit abzusichern, ist nur eine weitere der Peinlichkeiten, die sich in den letzten Monaten angehäuft haben. Die Misswirtschaft des gut bezahlten Vorstands soll jetzt durch Steuergelder ausgebeult werden. Klar, ich will keine Insolvenz meines Herzensklubs, aber ich will mich auch nicht für solche Dreistigkeiten schämen müssen.
Wenigstens einen schönen Moment gab es in den letzten Wochen dann doch für viele Schalker: Clemens Tönnies, der Aufsichtsratsvorsitzende von Schalke, ist endlich zurückgetreten. Trainer und Manager wurden am Fließband ausgetauscht, nur einer durfte seit Jahren im Verein Schalten und Walten, ohne zur Verantwortung für die Talfahrt gezogen zu werden. Natürlich brauchte es erst den Skandal in seiner Fleischfabrik, um einen solchen Mann loszuwerden, der im ganzen Verein Unterstützer:innen und Ja-Sager:innen installiert hatte. Seine rassistischen Äußerungen hätten eigentlich bereits für seinen Abschied sorgen müssen, doch Ehrenrat wie Vorstand fanden es dann doch gar nicht so schlimm oder verteidigten ihn, denn der Clemens sei ja ein so netter Kerl. Viele Missstände im Verein haben mit ihm zu tun und ich bin froh, endlich einmal aufatmen zu können. Auch die Ziele für die kommenden Jahre wurden zurückgeschraubt, es sieht so aus als hätten so einige Personen ihre Lehren aus der verkorksten Saison gezogen. Mal sehen wohin es geht, doch auf schlechte Zeiten folgen irgendwann auch wieder gute.
:Philipp Kubu
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