Bild: Ist Poetry Slam zum Einschlafen? Beim „Best of“-Event im Schauspielhaus fühlte sich ein Großteil des vollen Saals angesprochen. , Eine Schreibszene für jede*n? Bild: mafa

Poetry Slam. Im Ruhrgebiet hat sich über 25 Jahre eine große Poetry Slam-Szene etabliert. Aus ihrer Offenheit generieren sich nicht nur Schwächen, sondern vielleicht auch Chancen.

„Mein Beileid“, war die Reaktion eines Kommilitonen auf meine Ankündigung, mir „Best of Poetry Slam“ im Schauspielhaus anschauen zu wollen; „armselig“ kommentiert ein Freund meiner Mutter das Vorhaben. Steht es derart schlecht um die urbane Schreib- und Vortragszene? Beim jährlich von WortLautRuhr organisierten Event gibt es keine offene Liste, sondern reisen besonders erfolgreiche Slammer*innen aus dem deutschsprachigen Raum an. So traten am Samstag mit Friedrich Herrmann, Caroline Benz und Jan Cönig drei Landesmeister*innen und mit Pauline Behrendt die aktuelle U20-Meisterin an. Die Moderation übernahm wieder Slam – „Altmeister“ Sebastian 23, welcher sich bereits seit ihren Anfängen vor 25 Jahren in der Poetry Slam- Szene bewegt.

Von mangelndem Interesse konnte keine Rede sein: Der Große Saal war gefüllt mit Gäst*innen allen Alters, die die Slammer*innen, welche jeweils zwei Texte a maximal sechs Minuten vortrugen, mit Lachern und Jubel belohnten. Die Jury, die sich aus fünf Zuschauer*innen zusammensetzte, vergab überwiegend hohe Punktzahlen zwischen sieben und neun von zehn möglichen Punkten – wobei der Text des Gesamtgewinners Friedrich Herrmann über „fragile Männlichkeit“, die sich im Coachingprogramm „Alpha Mentoring“ des Rappers Kollegah ausdrücke, mit 27 Punkten die beste Wertung erhielt. Die Slammer*innen deckten verschiedenste Themen ab, die Ausgestaltung blieb oft vorhersehbar: Carolines Text „Niemals aufhören zu essen“ über Deutsche im Pauschalurlaub war humoristisch ein Highlight, während Jans Erzählungen über Kindergartenkinder sich in ihrer Situationskomik an Klischees orientierten. Paulines wortgewaltiger „Mutausbruch“ über die Notwendigkeit, Gefühle und Gedanken auszusprechen, wenn man wütend, traurig oder verliebt sei, ging ihrem etwas pathetischen Text „Der Wunsch“ über den Klimawandel voraus.

Für Sebastian hat sich die Szene positiv entwickelt; sie sei größer, für die Poet*innen einträglicher und diverser geworden; der Frauenanteil von etwa zehn auf fünfzig Prozent gestiegen. Auch die zunehmende Beschäftigung mit politischen Themen begrüßt Sebastian. „Ich weiß, dass Poetry Slam belächelt wird und das hat eine gewisse Berechtigung; im Vergleich sind die Texte oft durch Einfachheit geprägt“, sagt er im Gespräch über das Standing der Szene in der Literaturlandschaft: „Das ist aber Absicht: Es handelt sich um ein Format, das Texte für das Publikum zugänglich erfahrbar macht“ – anders als Lyrik-Lesungen, die oft schlecht besucht seien. Im Gegenteil zu Caroline und Friedrich – letzterer merkt selbstironisch an: „Die Literaturszene hat die besseren Texte, wir die besseren Leute“ – nimmt Sebastian die Kluft zwischen Comedy, Literatur und Slam weniger wahr. Es gäbe ausbaufähige Schnittmengen und einige renommierte Künstler*innen hätten als Slammer*innen gelernt vor Publikum zu sprechen, darunter Felix Lobrecht, Hazel Brugger, Sophie Passmann, Nora Gomringer und Saša Stanišić.

Auf einer Bühne zu performen sei sicherlich nicht für jede*n etwas, die Szene biete aber die Möglichkeit, sich ganz ohne elitäre Jury einfach einmal auszuprobieren und sie nach eigenen Vorstellungen mit zu gestalten. Ganz nach Paulines Motto: „Wer mutig ist, der spricht […] Wo Sätze keinen Ausspruch finden, bleibt was leer“. WortLautRuhr veranstaltet offene Events, wie den New Generation Slam im I AM LOVE (nächstes Mal: 19.November.); den monatlichen Slam „Unendlich viele Affen“ im Riff (17. November) und den „Schreibtisch Bochum“, der als Austausch -und Workshopangebot für Einsteiger*innen fungiert (1. Dezember.). Am 10. Dezember veranstaltet der AStA einen Campus-Slam im KulturCafé (Anmeldeschluss: 25. November).  

                                  :Marlen Farina

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