Kommentar. Unser Umgang damit, was ein Studium bedeutet und wofür es nützlich ist, muss sich verändern.
Die alte Mär des Taxifahrers Dr. phil. Es ist der ewige bemitleidende und herabschätzende Blick auf die Geisteswissenschaften. Doch dabei handelt es sich um einen Mythos. Zwar stimmt es, dass Geisteswissenschaftler*innen seltener ein Spitzengehalt verdienen. Sicherlich ist es eine Ungerechtigkeit, dass Berufe, die häufig in sozialen und bildenden Bereichen liegen, im Vergleich zu solchen im Ingenieurs- oder Finanzwesen finanziell herabgewürdigt werden. Für eine funktionierende Gesellschaft sind sie mindestens genauso wichtig. Doch wer nur die ökonomische Dimension betrachtet, macht einen entscheidenden Fehler. Denn die Quintessenz ist deutlich: Geisteswissenschaftler*innen haben eine sichere Zukunft. Aber mindestens genauso wichtig wie der berufsbildende Aspekt eines Studiums ist der persönlichkeitsformende.
Das ist selbst den Aussagen der Unternehmen zu entnehmen. Über die einzelnen Fächergrenzen hinweg zählen wichtige Fähigkeiten, die nicht nur in der Arbeitswelt, sondern auch für den privaten und persönlichen Umgang mit anderen Menschen wichtig sind. Von geringerer Bedeutung ist die genaue Ausrichtung und das theoretische Wissen, das man innerhalb des Studiums erlangt – ob Literaturwissenschaft, Philosophie, Ethnologie – stattdessen zählen praktische und persönliche Fähigkeiten wie kritisches Denken, der verständnisvolle und kommunikative Umgang mit anderen Menschen und die Fähigkeit, schnell neue Dinge zu erlernen. Das wird häufig beiseitegeschoben, doch ist ein mindestens ebenso wichtiger Teil eines Studiums. Wer die Zeit an der Uni nur als Raffinierungswerkzeug für ein höheres Humankapital versteht, erkennt nicht, weshalb viele ihr Studium wählen. Denn dieses ist für häufig der Einstieg in das Erwachsenenalter. Eine Zeit, in der man den eigenen Charakter und den Umgang mit der Gesellschaft formt. Entgegen den Bestrebungen von Politik und Leistungsfetischist*innen ist das wirtschaftliche Verwertungspotential nicht die Ultima ratio. Daher an die Geisteswissenschaftler*innen: Lasst Euch nicht entmutigen, denn Ihr seid unverzichtbar.
:Stefan Moll
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