Ausstellung. Vergangene Woche eröffnete im Haus der Archäologien eine neue Ausstellung, die die Vergangenheit der Stadt Gaza in den Mittelpunkt rückt.
Mit Gaza verbinden viele Menschen nur die heutigen Bilder aus den Medien: umkämpfte Gebiete, Terror und der Konflikt zwischen den Israelis und Palästinensern. Doch dass die Stadt noch viel mehr ist beziehungsweise war, zeigt die Ausstellung „Gaza 1900 – Eine Stadt des östlichen Mittelmeers im Umbruch“. Diese nimmt das Leben und die Situation der Stadt Gaza um 1900 in den Blick.
Entstanden ist die Begehung dank einer Kooperation zwischen dem Zentrum für Mittelmeerstudien der RUB, dem RUB-Seminar für Orientalistik und Islamwissenschaft sowie dem Department of Middle Eastern and Islamic Studies der Universität Haifa. An mehreren Stationen werden verschiedene Perspektiven der Stadt mit unterschiedlichen Methoden beleuchtet. Historische Fotos, Karten und Texte verdeutlichen die Themen wie Stadtentwicklung, Arbeitsleben und Lokalpolitik auf anschauliche Art und Weise. Wichtig für diese Forschung war eine Datenbank, die etwa 20.000 Bewohner*innen und deren Umland umfasst und auf eine osmanische Volkszählung aus dem Jahr 1905 zurückzuführen ist. Auch Besucher*innen, die sich nicht mit der Kultur auskennen, können viel Neues erfahren, kennenlernen und die Zusammenhänge verstehen. Zum Beispiel wird mit dem Klischee von den orientalischen Familien aufgeräumt. So erfährt man an einer Station, wie sich die Haushalte zusammensetzten. Diese konnten mehr als vierzig Leute umfassen, wobei nicht alle miteinander verwandt sein mussten. So gab es in einem Haushalt auch noch Diener*innen und mehrere Kernfamilien, die aus Vater, Mutter, Kind(er) bestanden. Es war selten und eher in reichen Familien üblich, dass in einem Haushalt mehr als zehn Mitglieder lebten.
Bereits seit fast vier Jahrhunderten gehörte Gaza um 1900 zum Osmanischen Reich. Etwa 25.000 Einwohner*innen zählte damals die Stadt. Die Region des östlichen Mittelmeers war von einem großen wirtschaftlichen und sozialen Wandel ergriffen. Dennoch blicken heute viele in Gaza nostalgisch auf diese Jahre zurück, in denen die europäische Hegemonie auf die osmanische Reformpolitik traf. Die Zeit um die Jahrhundertwende war für die Stadt eine Zeit des Aufbruchs. Daher wurde für das östliche Mittelmeer zwischen 1880 und 1914 der Begriff „levantinische Moment“ etabliert. Dieser bezeichnet, wie die traditionsreiche Stadt auf die Globalisierung mit ihrem technischen Fortschritt, Bildung und einer weitgehenden Reisefreiheit traf. Man versuchte sich an die Gegebenheiten anzupassen, indem zum Beispiel die Region zu den bevorzugten Getreidelieferanten für britische Brauereien wurde.
Eine große Veränderung brachte ebenfalls der Erste Weltkrieg, der das Ende des levantinischen Moments herbeiführte. Nachdem Deutschland und das Osmanische Reich den Krieg verloren, änderten sich einige Werte und Traditionen. „Vieles, was um 1900 als positiv gegolten hatte, wie offene Märkte und Grenzen, Mehrsprachigkeit und kulturelle Vielfalt, wurde nun als Zeichen eines Kulturverfalls gedeutet. Die Toleranz gegenüber Minderheiten aller Art nahm ab und wich dem Ideal einer homogenen Nationalgemeinschaft und Nationalkultur“, erklärt eine Infotafel. Gaza verlor die Stellung als Verkehrs- und Handelsknoten. Eine spannende Ausstellung über eine traditionsreiche Stadt, die durch verschiedene Umbrüche gehen musste.
:Maike Grabow
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Die Ausstellung ist bis zum 31. Oktober 2019 im Haus der Archäologien, Am Bergbaumuseum 31, Bochum, zu sehen. Die Öffnungszeiten sind montags bis freitags von 9 bis 16 Uhr. Der Eintritt ist frei.
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