Kommentar. Während die österreichische Regierung zerfällt und Neuwahlen angekündigt sind, huldigen FPÖ-Politiker*innen in Niederösterreich den christlichen Werten und wollen „Zehn Gebote der Zuwanderung“ erlassen.
Stell Dir vor, Du suchst gerade Zuflucht in einem anderen Land. Prompt wird dir ein Dokument in die Hand gedrückt, dass dir sagt, du sollst dankbar dafür sein, in diesem großartigen Land mit christlichen Werten und Gesetzestreue und Eigenverantwortung zu verweilen. Währenddessen herrscht in selbigem Land gerade eine Regierungskrise und Neuwahlen stehen an, da ein Vizekanzler dabei erwischt wurde, fast die eigenen Medien an russische Oligarch*innen zu verkaufen.
Werte mit Stacheldraht
So würde sich das bald im österreichischen Bundesland Niederösterreich anfühlen, wenn die Bestrebungen des für Asylfragen zuständigen Landesrats Gottfried Waldhäusl von der FPÖ durchgesetzt werden. Denn dann müssen Asylsuchende neben den üblichen Verwaltungsunterlagen künftig auch die „Zehn Gebote der Zuwanderung“ unterschreiben. Darunter befinden sich die Forderungen, Asylsuchende sollen Gesetze befolgen, Wertekurse belegen und sich dankbar fühlen. Die Anlehnung an die zehn Gebote des Alten Testatements sei, um deutlich zu machen, dass die Asylsuchenden nun christlichen Werten unterstehen. Dass Deutsch- und Wertekurse als Integrationsmaßnahme ohnehin verpflichtend sind und Asylsuchende selbstverständlich österreichische Gesetze befolgen müssen, spielt dabei keine Rolle. Schließlich geht es nicht um sinnvolle Maßnahmen, sondern darum, Menschen zu verdeutlichen, sie müssen sich unterordnen. Es sei „das Normalste, was der Hausverstand“ hergebe und es „muss ganz klar sein, dass jemand auch weiß, wo es lang geht“, so Waldhäusl. Wo es lang geht, ist in diesem Fall ein mit Stacheldraht umzäuntes Asylheim, denn dort hat Waldhäusl jüngst asylsuchende Jugendliche untergebracht, von denen er sagte, sie seien „notorische Unruhestifter“. Dafür kann man schon mal dankbar sein. Denn Asyl scheint im Niederösterreich der FPÖ kein Recht, sondern eine Billigung zu sein.
Scheinheiligkeit
Doch offensichtlich schaffen es die neonazistischen Regierungsvertreter*innen der FPÖ nicht einmal selbst, dem guten, christlichen Wertekanon zu folgen. Kein Wunder, dass FPÖ-Politiker*innen wie Vizekanzler Heinz-Christian Strache deshalb nach Ibiza flüchten müssen, wo der Schnee in Massen auf die Tischplatten nieder prasselt, während korrupte Absprachen mit pseudo-russischen Lockvögeln gehalten werden. Denn von der Berufung auf christliche Werte bleibt wenig übrig, wenn es darum geht, das Land immer weiter nach rechtsaußen zu drängen. Eigenverantwortung, nur so lange wie die Handkante reicht. „Christliche Werte“ dient der FPÖ lediglich als Schein, als Werkzeug zur Ausgrenzung, um klare Linien zwischen den weiß-österreichischen Bürger*innen und denen, die diesem rechten Idealtypus nicht entsprechen, zu ziehen. Bleibt nur zu hoffen, dass sich die Österreicher*innen bei den kommenden Neuwahlen auf ihre eigenen Werte beziehen, die kein überhöhter Scheinjubel auf christliche Referenzpunkte sind, sondern Freiheit und Weltoffenheit deutlich als Zeichen setzen. Dafür könnte man doch tatsächlich einmal dankbar sein.
:Stefan Moll
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