Theater. Das Schauspielhaus Bochum startet in die neue Spielzeit unter der Intendanz von Johan Simons. In „ Die Jüdin von Toledo“ wird dabei das Aufeinandertreffen der abrahamitischen Religionen mit einer durchgehenden Unruhe verhandelt.
Mit „Die Jüdin von Toledo“ inszenierte der neue Intendant des Schauspielhaus Bochum, Johan Simons, sein erstes Stück auf der Bühne an der Königsallee. Das Schauspiel, das eine von Koen Tachelets bearbeitete Bühnenfassung von Lion Feuchtwangers Roman aus dem Jahr 1955 ist, handelt von der Konfrontation zwischen den drei abrahamitischen Religionen. Im Spanien des 12. Jahrhunderts sieht sich der unerfahrene kastilianische König Alfonso VIII. (Ulvi Erkin Teke) von katholischen Fürsten dazu gedrängt, gegen die islamischen Regionen der iberischen Halbinsel zu marschieren. Der vom Islam in das Judentum konvertierte Händler Jehuda Ibn Esra (Pierre Bokma), der den christlichen König Alfonso berät, bringt seine Tochter Raquel, gespielt von Hanna Hilsdorf, aus der alten Heimat Sevilla in das kastilianische Toledo. Raquel betritt die Bühne mit einer kindlichen Naivität. Gefangen zwischen ihrer muslimischen Erziehung, ihrem nun jüdischen Vater und der sich entwickelnden Beziehung zu Alfonso, fragt sie, wer sie ist. Als sie Alfonso kennenlernt und sich auf eine Liebesbeziehung mit ihm einlässt, kann auch sie sich in Folge der zunehmenden Frömmigkeit ihres Liebhabers nicht mehr vor dem Zerren der Religionen bewahren. Die Momente, in denen die Spiegelungen zwischen Raquel und Alfonso sdeutlich werden, sind mitunter die interessantesten der Inszenierung. Beide betreten die Bühne mit einer naiven Unerfahrenheit. Doch während Alfonso zunehmend vom Katholizismus in Besitz genommen wird, versucht Raquel durch das Zerren der Glaubensrichtungen nicht zu Grunde zu gehen. Auf dem Spiel steht das „Gleichgewicht deines Wesens“, wie der Vater seiner Tochter versucht, zu zeigen.
Plakativität und Subtilität
Die Thematik des Textes entbehrt sich keiner Bezüge auf aktuelle Geschehnisse. Doch gerade die Punkte, an denen das Gesagte auf der Bühne unverkennbare Parallelitäten zur Gegenwart beschwören – beispielsweise wenn davon gesprochen wird, dass die Kultur von Geflüchteten, in diesem Fall jüdischen, nicht mit der eigenen vereinbar sei, erscheint der Text in Hinblick auf dessen sonstige Subtilität platt. An anderen Stellen, an denen der Jetzt-Bezug im Subtext verborgen bleibt, gelingt dieser jedoch wesentlich besser. Beispielsweise, wenn die Katholiken sich in der himmlischen Bestimmung ihrer Glaubenskriege verlieren. Darin wird auf gelungene Weise eine menschliche Konstante dargestellt, die die Grenzen von Glaubenszugehörigkeiten überwindet.
Keine Ruhe
Simons Inszenierung punktet durch die konstante Unruhe der Charaktere. Ständig befinden sich die Darsteller*innen in Bewegung, nie kommt es zu einem Stillstand. Es wird gegenseitig aneinander gezogen, miteinander gekämpft, sich liebestrunken umhergewälzt. Auch wenn der Krieg schlussendlich einbricht, kosten die Darsteller*innen diesen Moment aus und verlieren sich in der Zerstörung des Bühnenbilds, das ab dann eine wilde Bruchlandschaft darstellt, welches fortan in seiner Stückelung in kleine Teile als Requisiten dient, um weiter das Blutvergießen im Namen der Religion fortzusetzen.
Die nächsten Vorstellungen finden am 7. und 16. November statt. RUB-Studis haben dank der Theater-Flatrate freien Eintritt.
:Stefan Moll
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