Politik. Die Debatte, ob der Islam zu Deutschland gehöre, erlebt zurzeit mediale Beachtung. Den Anstoß gaben im Wesentlichen Horst Seehofer und Alexander Dobrindt (CSU). Zu dem Beitrag vom Letzterem schrieben vier ProfessorInnen der Islamwissenschaft eine wissenschaftliche Antwort.
Vor der Osterzeit äußerte der frisch ernannte Innenminister Horst Seehofer: „Der Islam gehört nicht zu Deutschland“. Parteikollege und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt bekräftigt die Meinung des CSU-Vorsitzenden und erweitert Seehofers Aussage um: „Der Islam gehört, egal in welcher Form, nicht zu Deutschland“. Am 11. April sagte Dobrindt gegenüber den Zeitungen und der Funke Mediengruppe, der Islam sei für Deutschland „kulturell nicht prägend, und er soll es auch nicht werden.“ Demokratie, Toleranz und Nächstenliebe spricht er dem Islam zusätzlich ab: „Kein islamisches Land auf der ganzen Welt hat eine vergleichbare demokratische Kultur entwickelt, wie wir dies in christlichen Ländern kennen.“ Er sagte weiter: „Unsere Vorstellungen von Toleranz und Nächstenliebe, von Freiheit, von Leistungs- und Chancengerechtigkeit finden sich so in der islamischen Welt nicht wieder.“ Dobrindt führt an, dass „der Islam keine kulturellen Wurzeln in Deutschland“ und, dass die „Scharia als Rechtsordnung nichts gemeinsam mit unserem christlich-jüdischen Erbe“ habe. Vermehrte Äußerungen wie diese veranlassten vier ProfessorInnen der Islamwissenschaft, Prof. Ulrike Freitag (Freie Uni Berlin), Prof. Irene Schneider (Georg-August-Uni Göttingen), Prof. Anja Pistor-Hatam (Christian-Albrechts-Uni Kiel) und Prof. Stefan Reichmuth (RUB), dazu, die Debatte um eine Antwort zu bereichern, da es „von fachlicher Seite dazu bisher keine öffentlichen Reaktionen gab“, so Reichmuth. Die fünfseitige Antwort erschien unter „Islam im Abseits? Eine Antwort auf Alexander Dobrindt aus islamwissenschaftlicher Perspektive“, zuerst am 17. Mai als Pressemeldung auf der Webseite der Universität Kiel.
Fachliche Reaktiom
In der Antwort der ProfessorInnen werden die Aussagen Dobrindts aufgeschlüsselt und auf ihren Gehalt geprüft. Beispielsweise spricht Dobrindt von einem gemeinsamen christlich-jüdischem Erbe. Durch die Betonung soll nach den VerfasserInnen des fachlichen Bescheids „eine gemeinsame christlich-jüdische Tradition in Deutschland beschworen werden, welche sich gegen islamische Einflüsse abzugrenzen hat.“ Außerdem blenden solche Aussagen aus, dass vor etwa 70 Jahren Juden und Jüdinnen verfolgt wurden. So zeigen die ProfessorInnen auf, dass die ehemals „jahrhundertealten ‚Feinde im Innern‘, die durch das NS-Regime […] in Europa vertrieben und fast vollständig ausgelöscht wurden, auf einmal zu Trägern einer gemeinsamen Tradition und eines gemeinsamen Erbes werden, um sie angesichts eines neuen ‚Feindes im Innern‘ zu vereinnahmen.“ Dabei sprechen die IslamwissenschaftlerInnen davon, dass die Gemeinsamkeiten zwischen dem jüdischen Recht, der Halacha, und dem islamischen Recht, der Scharia, zu erkennen sind. Beide seien nicht in allen Teilen mit dem heutigen Grundgesetz vereinbar. Doch erkennen beide Rechtsschriften an, dass die Anwendbarkeit in der Diaspora beschränkt sei und passen sich an. Einen Rat geben die VerfasserInnen zum Ende: „Eine grundsätzliche Weigerung, die Religion der Muslime in Deutschland als zugehörig anzuerkennen, wie sie die aktuellen Stellungnahmen Dobrindts und anderer PolitikerInnen zum Ausdruck bringen, ist dabei in einem pluralistischen Gemeinwesen kein gangbarer Weg in die Zukunft.“
Die vollständige Antwort gibt es unter: tinyurl.com/islaminDeutschland.
:Sarah Tsah
0 comments