Bild: Milo Raus Wunsch: Die Realität auf die Bühne bringen. , Der Vertreter des Realismus, Milo Rau, erhält Peter-Weiss-Preis der Stadt Bochum Bild: IIPM/Thomas Müller

Porträt. Der Schweizer Theater- und Filmemacher Milo Rau gehört zu den wichtigsten VertreterInnen des globalen Realismus der heutigen Zeit. Er engagiert sich globalhumanistisch und rüttelt die ZuschauerInnen mit seinen politischen Inszenierungen auf.

Der Regisseur und Autor Milo Rau gründete 2007 die Theater- und Filmproduktionsgesellschaft International Institute of Political Murder (IIPM). Das Institut mit Sitz in Deutschland und der Schweiz stellt politische und soziale Konflikte in den Mittelpunkt. Durch das Institut sollen die Arbeiten verbreitet und verwertet werden. Rau inszeniert in über 30 Ländern und ist regelmäßig zu den wichtigsten nationalen und internationalen Festivals eingeladen. Die Projekte des IIPM stehen für eine Form der politischen Kunst mit einer neuen dokumentarischen Ästhetik. Die Darstellungen politischer und gesellschaftlicher Ereignisse werden in verschiedenen Formen behandelt. Zum Beispiel versetzt das Stück „Hate-Radio“ (2011) die ZuschauerInnen in eine propagandistische Sendeanstalt in Ruanda zur Zeit des Völkermords. Das Reenactment einer Sendung des ruandischen Völkermordradios „RTLM“ (Radio-Télévision Libre des Mille Collines) ist realitätsnah und schockierend. In der Performance „Empire“ (2016) wird der Blick auf Geflüchtete gelenkt, die nach Europa kamen und auf die Menschen, die am Rande von Europa leben. Es geht um die künstlerische und wahre Tragik ihrer Geschichten und Erlebnisse. Ein weiteres Projekt ist der Film „Das Kongo Tribunal“ (2017), ein fiktiver Prozess gegen Konzerne und andere Machthabende. In diesem Jahr organisierte Milo Rau mit dem IIPM das erste Weltparlament „General Assembly“, das vom 3. bis zum 5. November in Berlin stattfand. Dafür versammelten sich 60 Abgeordnete aus der ganzen Welt. Sie setzten sich für eine angemessene politische Repräsentation und die Weltgemeinschaft ein.

Globaler Realismus

Der Regisseur wird oft als Vertreter des dokumentarischen Theaters bezeichnet. „Der Begriff des dokumentarischen Theaters scheint mir sinnlos, gemäß dem Zitat: ,Realismus meint nicht, dass etwas Reales dargestellt wird, sondern dass die Darstellung selbst real ist‘“, erklärt Rau. Das Publikum wird nicht in Sicherheit gewogen, sondern mit wechselhaften Dispositionen schockiert. Die politisch motivierten Inszenierungen zeigen realistische Gewaltverbrechen und Prozesse. Dafür reist er zu den Schauplätzen wie zum Beispiel Ruanda, um das Leben und die Verhältnisse einzufangen und möglichst genau darzustellen. Daher werden seine Arbeiten auch dem „Theater des Realen“ zugeordnet. „Am wichtigsten bei den Projekten sind die Projektbeteiligten wie die Schauspieler“, sagt Milo Rau. Diese Zusammenarbeit und die genaue Präzision machen seine Projekte so erschreckend. 

Peter-Weiss-Preisträger

Es ist nicht verwunderlich, dass der Realist mit zahlreichen Preisen wie dem Schweizer Theaterpreis (2014) geehrt wird. Milo Rau wurde am 4. Dezember 2017 der Peter-Weiss-Preis der Stadt Bochum verliehen. Zuvor konnten sich die BochumerInnen als Gastspiel seine Performance „Empire“ ansehen. Der städtische Kulturpreis ist dotiert mit 15.000 Euro. Er wird seit 1990 alle zwei Jahre von einer 14-köpfigen Jury verliehen.          

:Maike Grabow

 

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