Bild: Einfach wie in den 50er Jahren für eine Arbeitszeitverkürzung kämpfen? So einfach ist es mit der neuen IG Metall-Kampagne nicht, aber sie ist ein richtiger Anstoß! Foto: kac, Arbeitszeitkampagne der IG Metall Foto: kac

KOMMENTAR. Eine 28-Stunden-Woche will die Industriegewerkschaft Metall (IG Metall) für ihre Beschäftigten. Klingt progressiv, ist es im Detail aber nicht. Trotzdem: Ein richtiger Debattenanstoß über die Work-Life-Balance im Niedriglohnsektorland.

Alarm hieß es sofort bei CDU und FDP. Konzernen und kleineren Unternehmen stünde eine Apokalypse bevor, wenn diese Forderungen erfüllt werden. Anlass war der aktuelle Vorstoß der IG Metall für eine 28-Stunden-Woche. 

Und die Gewerkschaft meint es ernst – wenn man den Worten des Vorsitzenden Jörg Hofmann Glauben schenkt: „Wir stellen uns auf einen konfliktreiche Tarifrunde ein.“ Ungewohnt scharfe Töne der  weltweit größten organisierten ArbeitnehmerInnenvertretung, die in den letzten Jahren nicht wirklich mit kämpferischen Aufrufen aufgefallen ist. Offensive Arbeitsniederlegungen gab es, ja. Von der kleinen Gewerkschaft der Lokomotivführer (GdL) im Jahr 2015 gegen den damaligen Angriff auf das Streikrecht. Von den ErzieherInnen und KrankenpflegerInnen für eine soziale Aufwertung ihrer Berufe sowie einer personellen Entlastung. Doch von der IG Metall? Die größte Einzelgewerkschaft Deutschlands ist in den letzten Jahren höchstens mit borniertem Standortpatriotismus oder korruptem Co-Management ins Rampenlicht getreten.

Nun die Arbeitszeitkampagne „Mein Leben, meine Zeit“. Und die  klingt zunächst progressiv: Eine 28-Stunden-Woche bei teilweisem Lohnausgleich. Ein genauerer Blick auf die Forderungen der IG Metall relativiert das jedoch. Denn es geht nicht um eine wirkliche Arbeitszeitverkürzung: ArbeitnehmerInnen sollen das Recht erhalten, auf eine 28-Stunden-Woche statt der aktuellen 35 bis 40 Stunden zu reduzieren. Nach zwei Jahren haben sie dann die Möglichkeit, wieder auf eine Vollzeitstelle zu wechseln. Bisher ging das oft nicht!

Weitere Gewerkschaften müssen nachziehen

Und auch die Forderung nach 6 Prozent mehr Lohn für die 3,9 Millionen Beschäftigten ist nicht wirklich offensiv. Denn sogar der Internationale Währungsfond (IWF) riet dazu, in Deutschland doch mal von ArbeitnehmerInnenseite mutiger in die Tarifrunden zu gehen. Der Grund: Die Exportorientierung Deutschlands sorgt schon seit Jahren für eine wirtschaftliche Schieflage in Europa, eine Lohnerhöhung und damit stärkere Kaufkraft in der BRD könnte dem entgegenwirken, so vermutlich die Hoffnung des IWF. Kann es ein vernichtenderes Urteil über eine Gewerkschaftsführung geben als die Tatsache, dass eine neoliberale Raubtierinstitution zu mehr Tarifauseinandersetzungen rät?

Trotzdem ist der Vorstoß der IG Metall richtig und gerechtfertigt. Auch wenn dieser einen Haken hat: Unternehmen werden höchstwahrscheinlich auf das Heer an TeilzeitarbeiterInnen und Befristeten zurückgreifen, um die Arbeitszeitverkürzung der Festangestellten auszugleichen. Dem muss die IGM aktiv und frühzeitig entgegenwirken.
Denn gerade für diese Prekarisierten im Niedriglohnsektor hat sich die Arbeitsmarktreform im Rahmen der Agenda2010 verheerend ausgewirkt: Die Work-Life-Balance ging in den letzten Jahren gerade bei diesen prekär und befristet Beschäftigten dramatisch auseinander.
Offensichtlich hat die IG-Metall-Führung diese nicht auf dem Radar, aber sie hat  – gezwungen oder nicht – eine mögliche Debatte über das Verhältnis von Freizeit und Arbeitsbelastung lanciert. Jetzt müssen auch andere Gewerkschaften nachziehen. Und es natürlich nicht bei Worten belassen.

:Benjamin Trilling

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