Politik. Am 11. Juli fand im vollen HZO 10 eine Veranstaltung zum Thema „Zukunft der Hochschulen in NRW“ mit dem FDP-Vorsitzenden Christian Lindner statt. Überschattet wurde sie von Protestierenden, die versuchten Lindners Vortrag zu stören. Lindner reagierte souverän.
„Bildung für alle – und zwar umsonst!“ Sprechchöre hallen durch den Hörsaal, als Christian Lindner die Bühne betritt. Etwa zehn Personen stürmen auf die Bühne und halten Transparente hoch: „Freie Bildung für alle! No border, no nation, free education“, „Neoliberal = Asozial“ und „Nein zu Rassismus“. Lindner weht ein rauer Wind entgegen. Hintergrund der aufgebrachten Stimmung ist der Koalitionsvertrag der neuen schwarz-gelben Landesregierung, der vorsieht, dass Nicht-EU-AusländerInnen 1.500 Euro pro Semester bezahlen sollen.
Rhetorische Überlegenheit
Auf die Störungen reagiert Lindner gelassen: „Herzlich Willkommen bei der Partei der Meinungsfreiheit“, begrüßt er das Publikum. „Einer bekommt jetzt zwei Minuten und darf was sagen“. Ein Student ergreift die Gelegenheit: „Christian Lindner ist maßgeblich dafür verantwortlich, dass Nicht-EU-Ausländer jetzt wieder Studiengebühren zahlen müssen. Das finden wir scheiße!“ Er spricht von Solidarität und erntet dafür Applaus. Als Lindner wieder das Wort ergreifen will, wird er niedergebrüllt: Er wartet ab, bis es wieder ruhiger wird. „Jetzt hoff ich mal darauf, dass ihr Linken euch erinnert, an das Prinzip der Toleranz für andere Meinungen. Denn jetzt kommt meine Meinung“, so Lindner direkt an die Protestierenden. Doch immer wieder wird er unterbrochen. „Das Problem mit den Linken ist, dass nur sie glauben, Wahrheit zu besitzen“, erklärt er ins Publikum. Als eine junge Frau ihm erneut ins Wort fällt, weist er sie zurecht: „Jetzt aber still. Wir sind hier nicht in Hamburg.“ Lindner versucht, die StudiengebührengegnerInnen als homogene, linke Gruppe darzustellen und erweckt beim Publikum Assoziationen an die G20-Proteste. Das Publikum zeigt sich zusehends genervt von den Störungen.
Die Qualität ist entscheidend
Schließlich gelingt es Lindner doch noch, auf Sachthemen einzugehen. Seiner Meinung nach habe die Abschaffung der Studiengebühren im Jahr 2010 zu einer Verschlechterung der Studienbedingungen geführt. Um diese wieder zu verbessern, sei es nicht falsch, vom „Sohn eines chinesischen Millionärs“ Studiengebühren zu erheben. Es gebe zudem ausreichende Ausnahmen: Geflüchtete, BildungsinländerInnen Spitzentalente und Personen aus Entwicklungsländern seien von den Studiengebühren befreit. Grundsätzlich plädiert er jedoch dafür, dass Studierende die Kosten für ihr Studium selbst tragen sollen. Nach vielen Argumenten ertönt Applaus.
Gespräche mit der :bsz
Im Anschluss an die Veranstaltung gelingt es uns, mit Lindner und anderen Beteiligten zu sprechen. Nach einem kleinen Selfiemarathon schildert uns der Spitzenkandidat seine Eindrücke: „Es war Sport. Es hat Freude gemacht. Ich liebe ja Meinungsfreiheit. Ich bin Politiker, weil ich mich gerne leidenschaftlich mit Leuten austausche. Leider war heute mehr Lautstärke als Leidenschaft in manchen Phasen der Veranstaltung. Aber so ist das eben mal im Sport.“ Sein Fazit fiel positiv aus, schließlich habe er bei den „freundlichen Andersgläubigen einen Beitrag dazu leisten können, das Faktenwissen zu vertiefen“ Außerdem schien es ihm, „dass die Besucher sich unterhalten gefühlt haben“
Linus Stieldorf von den JuLis RUB, der die Veranstaltung mitorganisiert hatte, glaubt „es war eine gute Veranstaltung.“ Er ist erfreut, „dass dass ein Großteil der Leute sich der konstruktiven Diskussion gestellt haben. (…) Unser Hauptziel war es, in den Diskurs zu treten.“
Wir sprechen auch mit zwei Protestierenden, die auf der Bühne ihre Meinung vertreten haben. Boris ist Stipendiat an einer Privatuniversität in Köln, kämpft also nicht um seine eigenen Privilegien. Er findet es wichtig, „eine starke Gegenposition [zu] bieten“. Eine Aktivistin, die nicht namentlich genannt werden möchte und den Koalitionsvertrag gelesen hat, befürchtet, dass es dazu kommen wird, dass an den Unis „weniger Internationalität“ vorherrschen wird. Sie hält die FDP zwar nicht für eine rassistische Partei, ist aber der Meinung, dass diese eine Politik betreibe, die rassistische Auswirkungen hat.
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