Literatur. Alle Zeichen auf das gesprochene Wort: In der Essener Weststadthalle fochten acht junge Slammerinnen um den Titel der U-20-Poetry-Slam-Meisterin 2017. Die Dortmunderin Ella darf als Siegerin an den deutschsprachigen Meisterschaften teilnehmen.
Vorneweg: Um die literarische Zukunft in der Sparte Poetry Slam muss man sich keine Sorgen machen. Die acht Besten der gesamten Saison standen Sonntagabend auf der Essener Weststadthallenbühne und stritten um die U-20-Poetry-Slam-Meisterschaft NRW. Zuvor mussten sie in zwei Vorentscheiden am Abend im EMO Freizeit-Jugendzentrum und im Hüweg Essen um den Finaleinzug kämpfen. Ins Finale gewählt wurden schließlich acht Frauen. Diese zeigten in zwei Blöcke geteilt in jeweils sechs Minuten – akribisch gestoppt vom zweiten Moderator des Abends, Thomas Petruskova – inhaltlich facettenreiche Texte.
Jingles and more
Das thematische Spektrum rangierte von Tagebucheinträgen aus der Kindheit über Gesellschaftskritik und Menstruationsblutung. Dabei zeigten die Anwesenden, dass Texte von Slammerinnen nicht immer nur lyrisch-gehauchte Ergüsse über Gefühle und Selbstwertgefühl sein müssen. So berichtet Aylin von Sexismus am Arbeitsplatz und komponiert einen einprägsamen Jingle für die „Gruppe anonymer Sexisten“. Mit ihrer Kritik am westlichen Konsum und der gedankenlosen Wegwerfgesellschaft in Bezug auf Kleidung punktete Lea, die Erste von drei Finalistinnen, die ins Stechen kam.
Gerade die zweite Hälfte bestach durch ein hohes Niveau, was sich in den vergebenen Punkten widerspiegelte. In ihrem Beitrag thematisierte Ella das Frauenbild; aufgebaut als eine Antwort auf den Song „I am not a man“ von Morrissey. Darin kritisierte sie unter anderem die gesellschaftliche Tabuisierung der Menstruation: „Ah, ich habe meine Erdbeerwoche … Als ob weibliche Menschen keine Körperfunktionen haben, sondern Erntewochen! Menstruation, Menstruation! Meinen Sie Revolution?“ Ebenfalls ein großes Thema waren Geschlechterrollen in den Texten der Post-1997er-Geborenen: So sprach Marina, die als letzte des zweiten Blocks auf die Bühne kam, das Thema sexualisierte Gewalt an: „Auch Frauen können Vergewaltigerinnen sein“, kritisierte nebenher die festgefahrenen Rollenbilder wie den „starken Mann“.
Starkes Finale
Die neun ZuschauerInnen, die Punkte vergeben durften, wählten schließlich Lea, Marina und Ella in das Stechen, in dessen Rahmen jede noch einmal einen Text vortragen konnte: Allen drei Beiträgen gemein war neben dem hohen Niveau eine inhaltliche Auseinandersetzung mit aktuellen gesellschaftlichen Tendenzen. Letztendlich gewann die 20-jährige Ella knapp vor Marina und erhielt somit das Ticket für die Teilnahme an den diesjährigen deutschsprachigen U-20-Meisterschaften – und ein grünes Trikot in der „größten Größe die ich finden konnte“, so Moderator und Mitorganisator Jay Nightwind, selbst Slammer.
Dieser zeigt sich nach der Siegerinnen-Kürung zufrieden: „Es sind alle glücklich: Wir haben aus den Ressourcen eine gute Meisterschaft gegossen.“ Hindernisse waren vor allem eine schwierige SponsorInnensuche. Dennoch: „Es ist wichtig in jeder Kulturszene Nachwuchsarbeit zu machen, ich bin froh ein Teil gewesen sein zu dürfen. Und wer sich viel vornimmt, sollte sich viel Hilfe holen.“
Die Meisterschaften 2018 werden übrigens in Krefeld stattfinden. Wie die Veranstalter selbst sagen: „Endlich werden Touristen und Literatur nach Krefeld kommen.“
:Andrea Lorenz
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