Rezension. Der japanische Mangaka Jay hat eine Adaption der beliebten BBC-Serie „Sherlock“ zu Papier gebracht. Seit April ist der erste Band „Ein Fall von Pink“ im Carlsen-Verlag auch hierzulande erhältlich und bringt uns den Kult-Detektiv im Manga-Look.
Eine Reihe merkwürdiger Suizide bringt die Londoner Polizei ins Stutzen. Während Detective Inspector Lestrade zwar einen Zusammenhang vermutet, sieht er in den Vorkommnissen keinen Grund zur Beunruhigung. Indes versucht Dr. Watson, ein – vermeintlich – psychosomatisch versehrter Afghanistanrückkehrer, auf Anraten seiner Psychiaterin, einen Blog über sein Leben zu schreiben. Dies erscheint ihm allerdings nicht sonderlich nennenswert, sodass bisher kein Wort seinen Weg in den Blog gefunden hat. Hinzu kommt, dass er sich das Leben in London nicht leisten kann und auf der Suche nach einer Wohnung ist. Ein ehemaliger Kollege macht ihn auf Sherlock Holmes aufmerksam und stellt die beiden im Labor einander vor. Lesende bekommen das erste Mal Sherlocks abnormalen Verstand vor Augen geführt, der lediglich aufgrund von Watsons Auftreten dessen Leben und seine Familienverhältnisse rekonstruiert. Die beiden vereinbaren ein Treffen in der berühmten Baker Street 221B, wo eine Wohnung freistehen soll. Dort angekommen, ist Sherlock bereits eingezogen und während Watson noch hadert, taucht Lestrade auf, der von einer weiteren Leiche im Zusammenhang mit den Selbstmordfällen berichtet – allerdings sei nun eine Nachricht hinterlassen worden. Obwohl Watson sich selbst Ruhe verordnet hat, begleitet er Sherlock zum Tatort – und die Geschichte des Duos kann sich entfalten.
Nicht nur lose adaptiert
Kommt bekannt vor? Tatsächlich handelt es sich bei dem Manga um mehr als nur eine lose Adaption, es scheint eher, als durchlebe man die erste Folge der Kult-Serie noch einmal – nur in, größtenteils, schwarz-weiß und auf Papier. So wie ein bebildertes Drehbuch ohne Regieanweisung, dafür lautsprachlich, damit quietschende Reifen oder eine verschossene Pistolenkugel „visuell hörbar“ gemacht werden können.
Der Manga ist sehr klar und sauber gezeichnet, begnügt sich aber meist mit der Darstellung des Wichtigsten; Panoramen, Gebäudekomplexe oder Innenausstattungen werden nur stellenweise visualisiert. So akzentuiert der Mangaka vielmehr die Interaktion der Figuren und deren Emotionen, was gut gelingt. Dabei wurde besonders darauf geachtet, Benedict Cumberbatchs markantes Gesicht detailgetreu umzusetzen, welcher sich in Japan seit Sherlock größter Beliebtheit erfreut. Allerdings liegt genau darin die Crux: Die anderen ebenso charmanten sowie mittlerweile in der Erinnerung verankerten Charaktere wie der nicht minder brillante, aber zurückhaltendere Mycroft (Mark Gatiss), der in der Serie leicht dümmlich wirkende Lestrade (Sorry, Rupert Graves) oder gar Dr. Watson (Martin Freeman) erhalten nur eine leichte visuelle Anpassung an ihre eigentlich zugrundeliegenden Vorbilder. Dies verwirrt zunächst, kann aber vernachlässigt werden, da die Chemie dennoch stimmt und man sich voll auf die Person Sherlock konzentrieren kann, welche ohnehin im Fokus der Handlung steht.
:Tobias Möller
Buch:Empfehlung
Jay: „Sherlock“, Carlsen Verlag,
212 Seiten, 12,99 Euro (Taschenbuch-Ausgabe)
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