Bild: Immer draufhalten: Im Sinne objektiver Berichterstattung würde man auch Hitlerreden zeigen, aber der polarisiert nicht mehr. , Kommentar: Heucheleien in Medien Symbolbild

 

Kommentar. Wolken ziehen zusammen, der Wind pfeift schrill. Hier stoßen Ideologien zusammen und lösen eine Welle aus, deren Höhe sich in der Währung medialen Interesses messen lässt: Aufmerksamkeit.

Es sollte eine Begegnung zweier Welten auf dem Platz des Europäischen Versprechens werden. Kein Gut und Böse, kein Schwarz und Weiß. Eine erste Berührung. Eine Vereinigung.

Was sich nach der Kulisse eines kitschigen Versöhnungsdramas anhört, ist die Idee eines WDR-Teams. Für ein Format der „Aktuellen Stunde“ (AKS) sollte am 29. März AfD-Spitzenkandidat Marcus Pretzell mit VertreterInnen der Jungen Europäischen Föderalisten (JEF) diskutieren. Ein medienbewanderter Spitzenpolitiker gegen ein paar Jugendliche, die zum ersten Mal im Fernsehen sind. Mit dieser entwaffnenden Strategie bereitete sich der WDR für DAS ENTTARNENDE INTERVIEW vor, ohne dabei die Aktivitäten der Antifa und des Recherchezentrums Correctiv.ruhr berücksichtigt zu haben. Das geplante Interview wurde durch eine regulär angemeldete Spontan-Kundgebung auf dem Vorplatz der Bochumer Christuskirche unterbunden. Nach dem gescheiterten, ersten Drehversuch vollzog das WDR-Team einen Ortswechsel und bot Pretzell vor dem Bergbaumuseum eine neue, noch epischere Kulisse. Als sich die DemonstrantInnen erneut dem Drehort näherten, verlor die Autorin des AKS-Beitrags ihre Geduld, lärmte, wurde handgreiflich und verteidigte manisch ihr geplantes Vorhaben: den AfD-Politiker zu „enttarnen“. 

Politisches Unwort des Jahres 2017

Dieses Verhalten ist ein Paradebeispiel für einen von innerer Zerrissenheit geplagten Journalismus. Unter dem Vorwand, objektive Berichterstattung und politische Diskurse auf Augenhöhe zu führen, lassen Fernseh- und Radiosender sowie Zeitungen PolitikerInnen aller Parteien zu Wort kommen. Super. Vorprogrammierte Parteifunktionäre bekommen die Möglichkeit, Werbung für ihre Parteien zu machen. Das ist Wahlkampf. Und sich dann als JournalistIn damit zu rechtfertigen, dass Presse- und Meinungsfreiheit diese Rechte verteidigen, ist nicht nur heuchlerisch, sondern dumm. Die Medienanstalten wissen, dass umstrittene PolitikerInnen wie Pretzell oder Petry die höchsten Einschaltquoten garantieren: AfD-SympathisantInnen gucken, weil sie es feiern; AfD-GegnerInnen gucken, um es kritisieren zu können. Und wer gewinnt? Pretzell ist nach so einer TV-Debatte immer noch Nationalist und in den Adern der Jung-FöderalistInnen schlägt immer noch der Pulse of Europe. Also nochmal: Wer gewinnt? Der WDR. Er bietet beiden „Meinungen“ eine Plattform, bleibt schön brav unparteiisch und streicht Quoten ein. Dass dabei Aufmerksamkeit für die gefährlichste Partei im Wahljahr 2017 generiert wird, ist zwar ein ungewollter Nebeneffekt, aber den bitteren Beigeschmack schluckt man in der AKS-Redaktion halt runter. 

Abschlussplädoyer

Man wird den „objektiven Medien“ (LÜGENPRESSE!!11!) nicht verbieten können, sich von politischen LobbyistInnen instrumentalisieren zu lassen, aber eine Bitte: Genug der Heuchelei. Steht doch zu eurer medialen Prostitution und gebt zu: Wir geilen auf die Quote, wir geilen auf das Geld. Politischer Diskurs? Sendezeit besser einteilen: Hier darf jedeR mal Werbung machen. 

:Marcus Boxler

 

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