Bild: Rückbesinnung auf das Elementare: Jana Schulz und Klauss Weiss lasen aus Hermann Hesses „Siddharta“., Interpretation von Hermann Hesses Beitrag zu einer besseren Welt Martin Steffen (Ankündigungsbild)

Die Tendenzen sind eindeutig: Alles wird immer größer, schneller, fulminanter. Leuchtreklamen, das Fernsehen, Mode als Ausdruck der Persönlichkeit, Schönheitsoperationen. Doch dies soll kein Wehmutsschrei sein, sondern ein Aufruf, der visuellen Kultur entgegenzutreten. Eine Lesung ist zweierlei: sie ist das Wagnis, sich anderen Menschen zu überlassen und die Forderung, sich auf den Klang der Welt zurückzubesinnen. 

Hören als Erleben

Die zwei Lesenden betreten die Bühne, es kehrt Stille ein. Jana Schulz bricht mit ihrer Stimme die neu gewonnene Ruhe. Sie trägt einen weißen Kapuzenpullover und eine rote Hose und ist barfuß. Klaus Weiss wirkt etwas formeller: ein schwarzes Hemd, dunkle Hose, geschlossene Schuhe. In wechselnden Reihenfolgen lesen Schulz und Weiss Passagen aus „Siddharta“, Tagebucheinträgen und Briefen Hermann Hesses. Schulz’ Stimme trägt das Profil eines reisenden Jünglings: rein und klar, aber erschöpft von den Strapazen der Welt. Demgegenüber liegt der kraftvolle Ton Klaus Weiss’. Der kratzende Bass seiner Stimme ist Wohltat und Bedrohung gleichermaßen.

Ein bisschen Buddha

„Am Abend vor der Premiere zu ‚Der Steppenwolf‘ lesen Jana Schulz und Klaus Weiss aus Hesses stilisierter Erzählung über das Leben Buddhas“, hieß es im Ankündigungstext des Schauspielhauses. 

Dabei ist der gleichnamige Protagonist Hesses nicht der buddhistische Prophet Gautama, sondern ein Namensvetter auf der Suche nach Erlösung – dem Nirwana. Der amerikanische Autor Henry Miller sieht in ihm große Bedeutung: „Einen Buddha zu schaffen, der den allgemein respektierten Buddha übertrifft, das ist eine ungeheure Tat.“ Eine Frage bleibt unausweichlich: Warum berichtet jemand über eine Randveranstaltung am Vorabend einer Premiere? Mit einer Lesung aus „Siddharta“ beweist das Schauspielhaus Gespür für einen notwendigen Ausgleich zu im Überfluss vorhandenen visuellen Reizen. Mit diesem Appell an die Entsagung von weltlichem Gut nehmen hoffentlich alle BesucherInnen einen Hauch der meditativen Kraft mit nach Hause.

          :Marcus Boxler

0 comments

You must be logged in to post a comment.