Hans Drehers Bühnenadaption bringt Humor in Manns todernsten Untergangsstoff und spitzt die Ängste um eine fremde Epidemie pointiert zu.
Die Seuche ist längst am Mittelmeer: Rote Fäden säumen die Bühne, Totenköpfe sind an den Wänden plakatiert, schrilles Synthesizer-Dröhnen erklingt. Nur noch fremde Laute sind zu vernehmen; „die deutsche Sprache verstummte“, reflektiert Manns dekadente Ausgeburt, Gustav Aschenbach. Und in den ausländischen Zeitungen (was ist schon der Untergang der Mittelschicht ohne „Lügenpresse?“) steht auch nichts über diese Cholera-Epidemie.
Thomas Manns dekadente Untergangsstimmung in „Der Tod in Venedig“ wird auch an der Rottstr5 auf die Bühne getragen. Der Stoff der Vorlage ist bekannt: Den erfolgreichen und vereinsamten Schriftsteller mittleren Alters, Gustav Aschenbach, zieht es zur Erholung nach Venedig. Dort verguckt er sich allerdings in einen schönen Knaben. Trotz größter Distanz, die er aus der Ferne zu ihm wahrt, verfällt er ihm.
Das Bühnenbild ist an diesem Abend so karg, wie man es an der Rottstr5 gewohnt ist: Ein kleiner Laufsteg, ein Eimer und ein Keyboard.
Zwei-Mann-Stück
Nicht viel üppiger fällt das Bühnenpersonal aus: Christoph Iacono gibt die Live-Musik und schlüpft hin und wieder in Nebenrollen. Maximilian Strestik spielt Aschenbach oder rezitiert ausgiebig Manns Erzähler.
Ebenso reduziert ist auch der Stoff: Dreher beschränkt sich auf wenige Dialoge und Monologe. Vieles, was in Manns Novelle so todernst daher kommt, wird auf der Bühne humoristisch aufgelöst – selbst der Aspekt der Pädophilie, Aschenbachs Zuneigung zum jungen Tadzio. Die Schönheit, die Vergänglichkeit, die der Schriftsteller darin sieht, wird etwa in einer albernen wie subtilen Szene wiedergegeben, als er sich beim Friseur die Haare färben und das Gesicht schminken lässt. Ein blasser Klecks grinst ins Publikum. Mann selbst nannte sein „Tod in Venedig“ mal eine „Tragödie der Entwürdigung“. Drehers Inszenierung legt die lustigen Facetten frei: Von der ängstlichen Auflösung der Mittelschicht bis zum absurden Jugendwahn.
:Benjamin Trilling
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