Krieg, Ausbeutung und Elend: Willy Vlautin erzählt in seinem Roman „Die Freien“ aus dem Leben der Underdogs.
Freddies Augenringe lassen ihn immer ausgelaugter erscheinen. Schlafen kann er nur wenige Stunden zwischen seinen beiden Schichten. Tagsüber jobbt er in einem Café, nachts arbeitet er in einer Wohngruppe. Seine Schulden kann er trotzdem nicht begleichen: das Haus muss er verkaufen, die Therapie seiner kranken Tochter kann er nicht bezahlen.
Der ausgemusterte Irak-Veteran Leroy wird, nachdem er versucht hat, sich das Leben zu nehmen, nur noch von Geräten am Leben gehalten. Zwischen Erinnerungen und Fantasien aus trivialen Sci-Fi-Romanen dämmert er in Träumen dem Tod entgegen.
Seine Krankenschwester Pauline kümmert sich nach ihrer Arbeit um ihren verrückten Vater und vereinsamt immer mehr. Als ein verwaistes Mädchen in die Klinik eingeliefert wird, will sie sich ihrer annehmen …
Nichts als Kälte
Nur lose sind diese Geschichten im neuen Roman von Willy Vlautin miteinander verwoben. Und doch zeigt er mit „Die Freien“ ein sozialkritisches Kaleidoskop eines anderen Amerikas: Krieg, Billigjobs, Schulden, Alkohol, Fast-Food – der Autor, der auch als Sänger und Songwriter der Folkrockband Richmond Fontaine auftritt, stellt das harte Leben einer zermürbten ArbeiterInnenklasse dar. Keine Larmoyanz. Kein Mitleid. Kein Geschwafel. Karg und trist zeichnet er in seiner episodenhaften Ästhetik einen Schauplatz, in dem der Frost und die klirrende Kälte des Winters den entfremdeten Alltag bebildern, in dem sich die ProtagonistInnen abrackern.
Wer etwas über dieses andere, das wirkliche Amerika, das der Armen und Ausgebeuteten erfahren will, wird um „Die Freien“ nicht herum kommen. Denn die Arbeit, die Vlautin hier leistet, ist kaum zu überschätzen: eine Chronik der Underdogs, die sich hoffnungslos abstrampeln und ein leises Bekenntnis des Autors, ihrer Lage trotzdem Hoffnung abzuringen. Auf dass es ein Erwachen aus diesem amerikanischen Albtraum gibt!
:Benjamin Trilling
Willy Vlautin:
„Die Freien“
Berlin Verlag, 2015
320 Seiten, 22 Euro
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