Bild: Kommentar: Unüberschaubare Griechenland-Krise? RUB-Wirtschaftsprofessor Paul über die Lage des Landes.

In der politischen und medialen Hektik der vergangenen Wochen und Tage geht es um immer neue Varianten von Hilfspaketen, mit denen die akuten Zahlungsprobleme Griechenlands „gelöst“ werden sollen. Immer intensiver werden die Beträge etwaiger „Rettungsgelder“, ihre Laufzeiten und vor allem die damit verbundenen Auflagen diskutiert. Im Vergleich dazu rückt die Frage nach dem mit der Hilfe verbundenen Zielen immer stärker in den Hintergrund. Tatsächlich könnte die Not sowohl des Staates mit Blick auf unmittelbar nachzukommenden Verpflichtungen als auch der Banken in Bezug auf eine halbwegs stabile Aufrechterhaltung des Zahlungsverkehrs und insbesondere der Bargeldversorgung wohl kaum noch größer sein – woraus sich der eingeschränkte, tagesaktuelle Fokus der Debatte erklärt.

Doch die Frage der perspektivischen Verwendung weiterer Hilfszahlungen muss stärker diskutiert werden. Denn Tilgungen und Zinszahlungen wird Griechenland – unabhängig von der jeweiligen Regierung und ihrem Rückzahlungswillen – doch überhaupt nur dann leisten können, wenn im globalen Konkurrenzkampf dauerhafte Wettbewerbsvorteile erarbeitet werden. Dies bedeutet aber, dass das bereitgestellte Geld zum einen weniger in Infrastruktur- und ähnliche Maßnahmen fließen sollte, die für nur temporäre Beschäftigungseffekte sorgen. Stattdessen ist vor allem in Aus- und Weiterbildung zu investieren und damit eine Basis für Innovationen zu legen, die die Wettbewerbsposition stärken können. Daraus folgt jedoch zweitens, dass wesentlich  mehr Geduld mit Blick auf die wirtschaftliche Entwicklung des Landes notwendig ist. Das Beispiel Ostdeutschlands zeigt, wie viel Zeit auch hierzulande vergeht, bis selbst bei üppigster Finanzausstattung nachhaltige Wachstumsimpulse zu verzeichnen sind. Insbesondere die Transformation verfestigter Industriestrukturen über einen Mentalitäts- und Know-how-Wandel der Einwohner (so zeigt es auch vor unserer Haustür die Entwicklung des Ruhrgebiets) dauert eher Jahrzehnte als nur wenige Jahre.

Eine über die Akuthilfe hinausgehende Unterstützung Griechenlands setzt deshalb eine realistischere Erwartungshaltung der Gläubiger voraus. Auch unter günstigsten Voraussetzungen darf man auf eine kurzfristige Erholung des Landes nicht hoffen, muss man sich stattdessen eher auf den dort entstandenen Marathonlauf als auf einen Sprint einstellen, bis die Kunde vom Sieg überbracht werden kann – hoffentlich mit geringeren Opfern als im antiken Vorbild.

:Gastautor Prof. Dr. Stefan Paul

ist Inhaber des Lehrstuhls für Finanzierung und Kreditwirtschaft an der RUB

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