Bild: Frauen-Fußball, GELD SCHIESST TORE, TRADITION WIRFT BENGALOS? – Teil 5 der :bsz-Reihe zur Lage des Fußballs – Die Prioritäten sind klar: Männer gehen vor Foto. Laura-Monica Oprea

Mit der Entscheidung, den kompletten Spielbetrieb aller Mädchen- und Frauenfußballmannschaften einzustellen, sorgte der Vorstand des VfL Bochum im Oktober für Aufsehen und löste einen unerwarteten Sturm der Entrüstung aus. Auf Druck der Mitglieder ruderte der VfL nun zurück und stellt zumindest ein weiteres Jahr Geld in Aussicht. Doch ab 2016 sollen die 150.000 Euro den Männern zugute kommen und den Aufstieg bringen.

Durchatmen bei der Damenabteilung des VfL Bochum: Der eigentlich vorgesehene Rückzug zum Saisonende wird um ein weiteres Jahr nach hinten verschoben, nachdem auf der Mitgliederversammlung ein Antrag auf Verbleib der Frauenmannschaften eine Mehrheit bekommen hatte.

Die Entscheidung, die Frauenfußballabteilung des VfL aufzugeben, hatte nur einen wirtschaftlichen Aspekt: „Vor dem Hintergrund der finanziellen Belastung aus diesem Bereich und den von uns angestrebten Einsparungen sehen wir keine andere Möglichkeit, als diesen Schritt zu vollziehen“, sagte der kaufmännische Vorstand Wilken Engelbracht. Dieser revidierte allerdings aufgrund des Gegenwindes auf der Mitgliederversammlung am 20. Oktober im Audimax der Ruhr-Universität Bochum und einem eingereichten Mitgliederantrag „pro Frauenabteilung“ seine Entscheidung und ermöglichte eine weitere Saison Frauenfußball  beim VfL Bochu. Die Kosten von rund 150.000 Euro werden bis 2016 vom VfL Bochum getragen, doch danach soll die Damenabteilung auf eigenen Beinen stehen und mit Hilfe der Stadt Bochum sowie der lokalen Wirtschaft die finanzielle Grundlage für eine Eigenständigkeit schaffen. Der VfL Bochum möchte durch die Einsparungen einen Puffer schaffen, um in den kommenden Jahren den Wiederaufstieg der Männer in die Bundesliga zu realisieren.

Imageverlust und Eigentor?

Die öffentliche Kritik am Vorgehen des Vorstandes und der erfolgreiche Antrag der VfL-Mitglieder zeigt, dass das Thema in der breiten Bevölkerung Relevanz besitzt und Frauenfußball doch eine nicht unbedeutende Rolle spielt. Mittlerweile haben elf von achtzehn Zweitliga-Vereinen und dreizehn von achtzehn Bundesliga-Teams Frauenfußballabteilungen oder Kooperationen und jeder vierte Bundesligazuschauer ist weiblich, mit steigender Tendenz. Schießt sich der VfL mit seiner Entscheidung ein Eigentor und sieht das Potential der Spielerinnen und weiblichen Fans nicht? Das Kapitel Frauenfußball begann für den VfL mit der 2008 gestarteten Kooperation mit der Damenabteilung des TuS Harpen; 2010 wurde diese dann vollständig in den Verein VfL Bochum 1848 integriert. Für beide Seiten eine lohnende Kooperation: TuS Harpen konnte die Finanzierung der erfolgreichen Frauen durch den VfL gewährleisten und der VfL konnte somit durch die Erfüllung der FIFA-Vorgabe, eine eigene Frauenfußball-Abteilung zu besitzen, den möglichen Zuschlag als Spielort der FIFA Frauen-Weltmeisterschaft 2011 positiv beeinflussen. Die dadurch durchgeführten Modernisierungsmaßnahmen im Stadion (neue Bestuhlung der VIP-Tribüne, neues Ticketcenter, elektronisches Zutrittskontrollsystem, neue Pressetribüne, u. a.), die teilweise von der Stadt Bochum finanziert wurden, kamen dem Verein zudem positiv entgegen. Trotz der „Verlängerung“ bis 2016 bleibt also  ein negativer Beigeschmack.

:bsz-Reihe: Geld schießt Tore, Tradition wirft Bengalos?

„Die machen den Fußball kaputt!“

…das warf man sich jüngst vor, als das DFL-Konzept „Sicheres Stadionerlebnis“ Ende letzten Jahres verabschiedet wurde und zahlreiche Proteste in den Stadien nachsichzog. Fans warfen den Liga-Verantwortlichen, Sponsoren und Polizei vor, mit übertriebenen Kontrollvorlagen die Fankultur zu ersticken. Im Gegenzug werden die Leute auf der Tribüne dafür kritisiert, für Krawalle zu sorgen: Platzstürme, Hasstiraden und fackelnde Bengalos im Block und auf dem Rasen – König Fußball erscheint als Symptom für gesellschaftliche Widersprüche. Deutschland ist Weltmeister, aber von Burgfrieden ist weit und breit nichts zu sehen; stattdessen wird die Fangemeinde hierzulande polarisiert: Mäzenate, Retortenvereine und die allgemeine Kommerzialisierung des Profifußßballs sorgen dafür. Auf der anderen Seite sehen wir einen alltäglichen Existenzklampf der Traditionsvereine: Legendäre Clubs wie Rot-Weiss Essen, MSV Duisburg oder Rot-Weiß Oberhausen (,um nur wenige zu nennen) stehen oder standen am Rande des Abgrunds. Aber was, wenn alles durchkommerzialisiert ist? Wenn ein Stadion dem anderen ähnelt? Fangesänge der eigenen Mannschaft nicht mehr von den gegnerischen Chören zu unterscheiden sind? Wir wollen fragen: was kommt? Was bleibt? Wie wird er aussehen, unser Fußball: Eine Eskatase nach Feierabend oder routinierter Arbeitssieg? Das Beben der Kurve oder die Dekadenz der VIP-Tribüne? Das Singen der eigenen Chöre oder stumpfinniger Werbeterror? Nostalgie oder Erneuerung? Wahrheit oder Kommerz?

Bisher in dieser Reihe

:bsz 1011 — „Fußball in Zeiten der Krim-Krise“ über den Fußball in der Ukraine und Russland

:bsz  1013 — „Geld verleiht Flügel“ über Red Bull Leipzig

:bsz 1015 — „Echte Liebe zum Geld“ über die Kommerzialisierung der großen Ruhrpottvereine

:bsz 1017 — „Bochum, ich komm aus DIr!" über das Buch „111 Gründe, den VfL Bochum zu lieben“

Demnächst

:bsz 1021  — über Bochumer Fußball in den unteren Ligen
 

:Tim Schwermer und Gastautorin Laura-Monica Oprea

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