So schlimm es ist, wenn Kunstwerke zerstört werden: Wo die Zerstörung nicht intendiert, sondern aus Gedankenlosigkeit geschehen ist, bleibt den Verantwortlichen im Nachhinein meist nur die zerknirschte Feststellung: „Shit happens!“ oder – sehr viel besser: „Es tut uns leid; wir bitten um Entschuldigung.“ Anders an der RUB.
Hier folgt der ersten Gedankenlosigkeit (das heißt der Übermalung des Wandbildes „Hoffnungen, Träume und Ängste der RUB-Studenten“ aus dem Jahre 1979, geschehen 2014 im Zuge eines Projektes der RUB-Sammlungen für moderne Kunst) gleich die nächste.
Statt sich mit dem ausgelöschten Kunstwerk auseinanderzusetzen, verweist die verantwortliche Kustodin der Sammlung Moderne, Friederike Wappler, reflexartig von sich weg und zeigt auf andere, auf „das Rektorat der RUB, das Baudezernat der Uni, die Bau- und Liegenschaftsbehörde in Dortmund, die Denkmalbehörde, die Arbeitsgruppe zur Kunst-am-Bau an der RUB“ und schließlich gar auf „das Bauministerium in NRW und das Kunsthistorische Institut“ (siehe :bsz 1005). Dieser Rundumschlag hat es in sich. Man darf also gespannt sein, wie die Genannten, vor allem das Kunsthistorische Institut, künftig im Spagat zwischen „Vandalismus“ und „Innovation“ Position beziehen. Immerhin zählt kein geringerer als der charismatische Max Imdahl zu seinen Gründervätern, nach dem bis heute die Abteilung „Situation Kunst – für Max Imdahl“ benannt ist. Doch Imdahl würde sich wohl im Grabe umdrehen, würde er erfahren, dass – aus welchen Gründen auch immer – an „seiner“ Universität ein Kunstwerk zerstört wurde.
Wapplers lange Liste der „eigentlich Verantwortlichen“ erinnert frappierend an die Putzkolonne, die Beuys’ berühmten „Fettfleck“ seinerzeit in der Düsseldorfer Kunstakademie entfernt hat. Ironie der Geschichte: Wappler ist an der RUB just diejenige, die für eines der berühmten Beuys’schen „Fett“-Kunstwerke die Verantwortung trägt. Zwar kein Schmalz oder Wachs, sondern ein Stück Schokolade; aber wer weiß denn schon, was passiert, wenn Wappler demnächst der Heißhunger nach eben dieser überfällt so wie heute ihr Drang, durch Übermalung des „gestern“ Platz für das „morgen“ zu schaffen.
Nachgetragen sei, dass sich inzwischen auch die Universität selbst zum Vorgang geäußert hat – zwar weder der Rektor noch der (amtierende) Kanzler, immerhin aber dessen derzeitige Stellvertreterin: „Bedauerlicherweise waren die jetzt übermalten Bilder nicht als Kunst am Bau registriert.“ Quod non est in actis, non est in mundo. Will die RUB etwa zum Ausdruck bringen, dass sie die Kunst auf ihrem Campus nicht kennt – oder eben erst dann „kennt“, wenn sie ordentlich zu den Akten genommen ist? Es wäre nachgerade peinlich, wenn das die einzige Stellungnahme der RUB bleiben sollte. Zumal dabei völlig offen bleibt, worauf sich das „Bedauern“ bezieht: auf die fehlende Registrierung des Bildes oder auf dessen Ausmerzung?
Last but not least: die KünstlerInnen. Sowohl die einen, das heißt Bernd Figgemeier und seine studentischen HelferInnen von 1979, als auch die anderen, also das „KONSORTIUM“ von heute tun mir leid. Inzwischen hat einer der „Täter“, Sebastian Freytag, das „Opfer“ B. Figgemeier dazu eingeladen, „mit ihm Fragen nach Kunst im öffentlichen Raum zu diskutieren.“ Wohl gemerkt: Fragen „nach“ Kunst; denn das Bild ist ja leider nun mal weg. Ist denn wirklich niemand auf den Gedanken gekommen, ein solches Gespräch vor der Zerstörung zu suchen?
:bsz-Leser Justus Multanovi
8 comments
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…es ist ’ne Mauer.
Himmel herrje, was für ein Aufriss. Verriss? Scheint so. Wie polemisch. Und randvoll mit Suggestivfragen und Verurteilungen, als Germanistin/Journalistin sträuben sich mir die Nackenhaare bei so viel Meinungsmache, Meinungsaufpeitscherei.
Zurück zum Thema.
Welche Künstler bitte glauben ernsthaft, dass eine steinerne Leinwand, nur weil es sich um eine universitäre Mauer handelt, bemalt mit Farbe, die Ewigkeit überdauern wird?
35 Jahre! Und zugleich renoviert und modernisiert sich die Ruhr-Universität mit riesigen Bauvorhaben.
Jahre habe ich dort studiert, tagaus tagein. Dieses Wandbild ist mir nie begegnet, auf diesen Bildern hier seh‘ ich’s zum ersten Mal. Ganz ehrlich? Hübsch find‘ ich’s auch nicht. Ganz nett, allenthalben. Vermisst das wirklich jemand? Ich nicht.
Es geht um Kunst!
Es geht hier nicht um persönliche Geschmacksurteile oder darum, ob etwa ein Miniatur-Aquarell auf einer Leinwand eher in Kunst-Schubladen passt als ein 100 m² großes Wandbild auf einer Mauer. Es geht hier auch nicht um hoch erhobene pädagogische Zeigefinger, sondern um die Frage, ob ‚Offizialkunst‘ völlig respektlos und ohne jede vorherige Debatte nicht offiziell registrierte (studentische) Kunst tilgen darf. Das Studierendenparlament der Ruhr-Universität jedenfalls hat hierzu inzwischen ein deutliches Votum abgegeben und will das übertünchte Wandgemälde zurück:
http://bszonline.de/kurzmitteilung/stupa-will-wandbild-zur%C3%BCck
Zudem waren – und sind – die „Hoffnungen, Träume und Ängste der RUB-Studenten“ von 1979 durchaus als Kunst dokumentiert; auf der Seite „artibeau : kunst in bochum – umsonst und draußen“. Vielleicht überzeugt das ja auch eine Germanistin, die sich hoffentlich wenigstens empören würde, wenn studentische Literatur mit dem Argument vernichtet würde, sie sei ’nicht offiziell registriert‘.
Hier zu Ihrer Kenntnis die Dokumentation auf „artibeau“:
Hoffnungen, Träume und Ängste der RUB-Studenten (1979, übermalt 2014)
Bernd Figgemeier (*1940) mit Studenten der Ruhr-Universität Bochum
1979, übermalt 2014
Wandfarbe
Das Wandbild „Hoffnungen, Träume und Ängste der RUB-Studenten“ wurde im Juni 2014 übermalt und durch ein Wandbild des Künstlertrios „Konsortium“ (Lars Breuer, Sebastian Freytag und Guido Münch) ersetzt, das anlässlich der Ausstellung „GESTERN DIE STADT VON MORGEN“ als Teil des dreiteiligen temporären Kunstwerks /Doom Void Hope/ auf dem RUB-Campus installiert wurde. Dessen Motiv wiederum erinnert an Otto-Herbert Hajeks Bochumer „Maßzeichen“, das am 8.4.2011 abgerissen wurde.
Bernd Figgemeier wurde 1940 in Bochum geboren. Nach dem Studium an der Akademie der Bildenden Künste München, an der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf, an den Universitäten München und Bochum absolvierte er eine Lehrerausbildung und wurde Studiendirektor für Kunst und Geographie.
Seine Werke im öffentlichen Raum entstanden in der Regel aus der Zusammenarbeit mit Schülern, Studenten oder anderen Künstlern. So auch hier.
Weitere Stationen:
1979 – 1996 Lehrbeauftragter an der Ev. Fachhochschule RWL in Bochum für die Bereiche Medienpädagogik/Ästhetik und Kommunikation 1974 – 1982 Vorsitzender der Bezirksgruppe Bochum des Bundes deutscher Kunsterzieher 1981 – 1984 Vorsitzender des Bochumer Künstlerbundes Seit 2001 Vorsitzender des Bundesverbandes Bildender Künstler e.V, BBK
Standort:
Zwischen Audi-Max und Gebäude NA, eine Ebene unter dem Forumsplatz. Ruhr-Universität Bochum
Universitätsstraße 150
44801 Bochum
Kunst ist vergänglich.
„Es geht hier auch nicht um hoch erhobene pädagogische Zeigefinger“
– Aber hallo.
„sondern um die Frage, ob ‚Offizialkunst‘ völlig respektlos und ohne jede vorherige Debatte nicht offiziell registrierte (studentische) Kunst tilgen darf.“
– Warum nicht? Zudem: was ist daran respektlos? Der Besitzer/Eigentümer der Mauer entscheidet, oder nicht?
„Das Studierendenparlament der Ruhr-Universität (…) will das übertünchte Wandgemälde zurück:“
Übertüncht. Also entweder mühselig darunter hervorkratzen und noch mühevoller restaurieren (wer bezahlt das eigentlich?) oder nach Vorlagen/Fotos rekonstruieren.
– Mit Verlaub; das Orignal ist dahin, für immer und ewig.
„die sich hoffentlich wenigstens empören würde, wenn studentische Literatur mit dem Argument vernichtet würde, sie sei ’nicht offiziell registriert‘.“
– Nochmals: es ist eine Mauer. Gut, eine bemalte, aber: eine Mauer. Dass jene irgendwann einmal zeitlich angenagt würde und damit renoviert, war doch klar? Hat sich währenddessen jemand um den Erhalt bemüht? Oder ist es ein „huch, oh, jetzt ist das Bild weg, jetzt sind wir sauer“?.
Und es lebt in Fotografieren, Berichten und der Erinnerung weiter. Genau wie es mit Literatur und Sprache geschieht. Nicht alles lässt sich festhalten, nicht alles muss festgehalten werden. Wir Datenvermüllen ohnehin schon.
Und die Dokumentation zeigt durchaus, so finde ich, dass die aktuellen Künstler (im Gegensatz zu den damaligen – oder ist das nur nicht dokumentiert worden?) um die vergängliche („temporäre“) Natur ihres Werkes wissen.
Wie hat/haben denn die Künstler reagiert auf die Information, dass das Bild zerstört ist? Davon ist nichts zu lesen.
Willkür ist unvergänglich
Die Kunstaktion im Oktober 1979 war vom „Eigentümer“ der Mauer – in diesem Fall die Uni-Leitung – offiziell genehmigt. Die Zerstörung des Kunstwerks ist daher nicht nur ein Schlag ins Gesicht der etwa 40 seinerzeit an der Aktion beteiligten, sondern zugleich ein Schnitt ins eigene Fleisch einer Uni, die exzellent sein möchte und sich als unfähig erweist, die wenigen Perlen im Campusgrau wertzuschätzen. Im übrigen kann ich an dieser Stelle nur aus Goethes Faust (I) zitieren, den Sie vielleicht einmal wieder lesen sollten: „Wenn ihr’s nicht fühlt, ihr werdet’s nicht erjagen“.
Aber Ihnen ist das Original des zerstörten Kunstwerks während Ihrer Studienzeit ja ohnehin nicht aufgefallen – insofern führen Sie hier aus meiner Sicht eine sehr theoretische Debatte. Dennoch will ich abschließend auch noch auf Ihren letzten Punkt eingehen: Mit dem künstlerischen Leiter der damaligen Aktion habe ich mich lange eingehend unterhalten. Nicht allein Bernd Figgemeier, geboren 1940 in Bochum, Studium an den Kunstakademien München und Düsseldorf, heute Ehrenvorsitzender des Bundesverbandes Bildender Künstler Westfalen, ist empört und traurig über den Vorgang. Auch Manfred Baldschus, heute Herausgeber des UNICUM und 1979 an der studentischen Kunstaktion am NA-Gebäude gegenüber des Audimax beteiligt, hat sich inzwischen in die Diskussion um zerstörte Campuskunst an der RUB eingeschaltet: „Die neue Gestaltung unterstreicht die strengen Formen und Grautöne der Gebäudearchitektur“, sagt Manfred Baldschus der :bsz – „dieser Betonästhetik wollten wir damals ein farbiges studentisches Lebenszeichen entgegensetzen.“ Nachzulesen auf https://www.facebook.com/bszbochum (Eintrag vom 7. Juli 2014).
As you like it
Nur weil etwas damals offizell genehmigt war, führt dies doch nicht zwangsläufig zu der Annahme, dass es für die Ewigkeit vorgesehen ist.
Diese „Perle“ aka Kunstaktion aka Wandbild wurde 35 Jahre lang „wertgeschätzt“. Aber darum geht es – letzten Endes – doch nicht? Es ist nicht gefragt worden; das ist es, was die Gemüter nun so übermäßig erhitzt.
Den Job der nun Verantwortlichen würd‘ ich nicht haben wollen. Aktenberge en mass und sobald man nicht in der richtigen Tonart niest oder nach dem falschen Taschentuch greift, schreit alles auf. Das ist falsch! Das könnt‘ ich besser! Da hätteste Dich drum kümmern müssen! Wir sind nicht gefragt worden! Verrat! Zeter und Modrio!
Den Faust kenn‘ ich, ja nahezu in- und auswendig. Drum hab ich persönlich der Affektrethorik auch nicht sonderlich viel abzugewinnen, letztlich. Übrigens bedient sich Faust, just in dieser Szene, abschätziger Ironie dem Wagner gegenüber, nachdem er, Faust, zuvor selbst abgewertet wurde. („Du gleichst dem Geist, den du begreifst, nicht mir!“)
Wo wir gerade bei logos und ethos sind: Schlagen Sie eigentlich öfter Mitmenschen vor, was sie „vielleicht einmal wieder lesen sollten“? (Solche Vorschläge rangieren übrigens in gleicher Kategorie wie „Machst Du eigentlich immer noch ins Bett?“ oder „Schlägst Du immer noch Deine kleine Schwester?“… Weh dem, der der Rhetorik unkundig ist bei solchen scheinbar freundlich gemeinten Vorschlägen!…)
Wie dem auch sei; wenn es Ihr Begehr ist, sich für diese für Sie als „Schlag ins Gesicht“ empfundene Aktion, einzusetzen; bittesehr. 🙂
Meine Sicht auf die Welt, geprägt insbesondere durch die organische, stetige Verwandlung, Metamorphose der Sprache, lässt gelassen viele Ansichten und Meinungen zu, ja sie sind sogar erwünscht! Loslassen, Willkommen heißen. Es lebe die Vielfalt!
Diese Gelassenheit wünsche ich jedem, der sie erreichen will. 🙂
Eine (wirklich letzte) Frage meinerseits: Was möchten Sie eigentlich exakt erreichen?
Anmerkung von Patrick Henkelmann
Ganz unabhängig davon, wie man zum Thema steht: So viel Negatives braucht in jemandes Äußerung, dass man ein Buch „vielleicht einmal wieder lesen sollte“, nun wirklich nicht hinein gedeutet zu werden. Gerade wenn man jenes Buch „nahezu in- und auswendig“ kennt, kann und sollte man doch bei sachlichen Argumenten bleiben.
Ich vermisse das alte Bild schon
Artikel ist polemisierend: Ja
Germanistiker bashen: Uncool
Schade dass das Bild weg ist: Ja
Als Ingenieur bin ich oft an dem Bild vorbeigelaufen (für die, die es noch nicht gesehen haben: Es liegt beim Mensaausgang Ost) und fand die darin verewigten Gedanken so unendlich viel wertvoller/kreativer/inspirierender als dieses hässliche, grau in grau gehaltene, nichtssagende ‚Hope‘. Ganz ehrlich, geht es nichtssagender oder deprimierender?
blubb
ROFL. Und dann war da noch Walter Kuschitzke. Er empfand diese Debatten, die in erster Linie der Selbstdarstellung dienten, schon immer borniert. Nicht weil er blind war, sondern weil es peinlich ist, aus einer derartigen Mücke einen taumelnden Elephanten zu machen. Ist das Kunst oder kann es weg? Wenn man Kunst einmal als System betrachtet, dann fällt schnell auf, dass es Kommunikation geht und nicht um einzelne Werke, die mithin allesamt kontingent sind. Gerade in der Aktion des Übermalens liegt das Potenzial für mannigfache Anschlüsse und ….. hm, ich stoppe an dieser Stelle. Der Geist der Kreativität gehört nicht der Kunst, sondern den Menschen. Kunst ist nicht kreativ. Kunst ist ein Konstrukt mit wenig Wert. Der Wert liegt vielmehr im Thun, in der Aktion. Kreativ sein und kreativ leben schafft einen Mehrwert, nicht das Werk. Das Werk wird durch Kunst vom Schaffenden getrennt und gesellschaftlich verortet. Es hat nun nichts mehr zu tun mit seinem Ursprung. Jeder Mensch ist Künstler, aber im Sinne des Kreativen. Das Heil bringt das Schaffen, nicht das Resultat.